Das Sorgenkind von der Adria

Teil 1/3 der Serie: Kroatien – das 28. Mitgliedsland der EU stellt sich vor

, von  Moritz Hunger

Das Sorgenkind von der Adria
Kroatien ist das neueste Mitglied der Europäischen Union. Eine überbordende Bürokratie und eine schwierige Wirtschaftslage lassen den Beitritt jedoch in einem düsteren Licht erscheinen. Foto: © European Parliament 2013

Kroatien ist seit dieser Woche das 28. Mitglied der Europäischen Union. Eine überbordende Bürokratie und katastrophale Wirtschaftszahlen lassen den Beitritt in einem düsteren Licht erscheinen. Dabei wurde Kroatien nach dem Zusammenbruch der Sozialistischen Jugoslawischen Föderation 1989 als Vorreiter unter den neu entstandenen Staaten gehandelt und hätte eigentlich früher beitreten sollen. Grund für die Verzögerung ist vor allem das hohe Maß an Korruption im Land.

Langes Warten auf den Beitritt

Nachdem Jugoslawien 1992 zerbrach, war Kroatiens Ausgangslage um einiges besser, als die seiner Nachbarn: Das Land ist kulturell und demographisch homogen, was die Konsensbildung im demokratischen Prozess erleichtert. Nach Slowenien hat es das höchste Bruttoinlandsprodukt der ehemaligen jugoslawischen Staaten, höher als die einiger EU-Mitglieder wie Luxemburg, Rumänien oder Estland. Viele Kulturhistoriker argumentieren, Kroatien habe außerdem eine Kultur entwickelt, die Disziplin und harte Arbeit wert schätzt, zurückzuführen vermutlich auf die Geschichte des Landes als Teil des Habsburger Reiches.

Trotz dieser positiven Aspekte blieb Kroatien in Sachen EU-Beitritt weit hinter Slowenien zurück. Der Nachbar im Norden trat bereits 2004 der Staatengemeinschaft bei, obwohl die Ausgangslage ähnlich war. Dabei bekam Kroatien seit den 1990er Jahren Unterstützung von NATO und EU; wurde also im Transformationsprozess an die Hand genommen. Vor allem der Grenzstreit mit Slowenien und das Fehlen demokratischer Standards im Land verzögerten den EU-Beitritt immer wieder. Nun scheinen die größten Probleme beseitigt zu sein, auch wenn es noch viel zu tun gibt.

Fehlendes Vertrauen, mangelnde Strafverfolgung

Der Bertelsmann Transformationsindex für Kroatien (BTI) zeigt, das vor allem im Bereich der Zivilgesellschaft Kroatien schwach aufgestellt ist. Das liegt unter anderem an der sozialistischen Vergangenheit. Erst in letzter Zeit nahm der Einfluss Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften zu. Dies kann durchaus mit dem Referendum von 2010 zusammen hängen, in dem unter anderem über Arbeitsrechte abgestimmt wurde. Ferner haben Gelder der EU zum Erfolg der Zivilgesellschaft beigetragen. Doch das Interesse der kroatischen Bevölkerung, sich am politischen Prozess zu beteiligen, ist immer noch marginal.

Auch der Glaube an die politischen Eliten ist äußerst gering: Laut einer Eurobarometer Umfrage vertrauten 2011 nur 14 Prozent der Kroaten ihrem Parlament und 13 Prozent ihrer Regierung. Schuld daran trägt vor allem der Autokrat Franjo Tudjman. Er führte das Land zwar in die Unabhängigkeit, kontrollierte danach aber fast jeden Bereich der Gesellschaft. Seit dessen Tod im Jahr 1999 nimmt das Vertrauen durch eine zunehmende Pressefreiheit, religiöse Toleranz und durch die Freiheiten in der Zivilgesellschaft zu.

Große Mängel gibt es auch im Bereich des Justizwesens. Bei einer Bevölkerung von mehr als vier Millionen Menschen sind laut Bertelsmann Stiftung über eine Million Gerichtsverfahren offen. Diese werden vernachlässigt oder komplett ignoriert. Betroffen sind auch die Verfolgung und Verurteilung von Kriegsverbrechern. Viele der hochrangigen Militärs wurden später ins System eingebunden, wodurch ihre Nichtverfolgung legalisiert und institutionalisiert wurde.

Korruption als größtes Problem

Es verwundert somit nicht, dass im Oktober 2012 die EU-Kommission unter anderem in diesen Bereichen noch Handlungsbedarf sah. Sechs Monate später scheinen die Bedenken beiseitegelegt zu sein. Die Kommission kritisiert nur noch die grassierende Korruption.

Laut einer Studie der UNO sind sich die Kroaten dieser bewusst und stufen sie nach Arbeitslosigkeit und der Leitung ihrer Regierung als größtes Problem im Land ein. Um die 12 Prozent der Kroaten geben darin an, schon einmal korrupte Praktiken angewandt zu haben. Auf dem Korruptionsranking von Transparency International belegt Kroatien den 67. Platz. Deutschland ist auf Platz 13.

Korruption kommt in Kroatien wohl vor allem in Bagatellsituationen vor, zum Beispiel, um an einen Kita-Platz zu gelangen oder eine bessere Behandlung vom Arzt zu genießen. Die alltägliche Korruption ist damit längst Teil der Kultur und Gesellschaft. Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis sich das ändert. Ob der EU-Beitritt dabei hilft, wird sich zeigen. Ab nächster Woche wird es zumindest einen kroatischen Kommissar geben, der laut Statistik eine 12-prozentige Chance hat, sich ebenfalls von Korruption hinreißen zu lassen. Das Ganze wird dadurch zum europäischen und internationalen Problem.

Schwer gebeutelt von der Krise

Eine weitere Herausforderung stellt der Beamtenapparat dar. Die bürokratischen Strukturen Kroatiens sind zwar stabil und funktionieren, durch die hohe Anzahl der Beamten und Bezirke sind sie jedoch unwirtschaftlich, unübersichtlich und ebenfalls empfänglich für Korruption.

Wirtschaftlich hat die Krise Kroatien schwer zugesetzt, was dazu führte, dass es in manchen Medien als nächstes Griechenland gehandelt wird. Grund hierfür sind Strukturprobleme und eine fehlende Arbeitsmarktflexibilität. Große kroatische Industrieunternehmen beschäftigten immer noch zu viele Arbeitnehmer, die entweder gar nicht gebraucht werden oder nicht richtig eingesetzt sind. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic beteuert unterdessen im Magazin Focus, Kroatien sei weit von einer Situation wie in Griechenland entfernt: „Selbst wenn wir zusammenbrächen, was wir sicher nicht tun, wäre das unser Problem, nicht das des deutschen Steuerzahlers.“

Mitarbeit: Julius Leichsenring

JEF-Position

Die Jungen Europäischen Föderalisten in Deutschland, Frankreich und Italien begrüßen den Beitritt Kroatiens in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

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