EU-Gipfel: Die Fortsetzung der Eindimensionalität

, von  Marian Schreier

EU-Gipfel: Die Fortsetzung der Eindimensionalität
Die Fortsetzung der eindimensionalen Konsolidierungspolitik. © European Union

Fast zwei Monate musste die europäische Öffentlichkeit auf den nächsten Akt der unendlichen Geschichte Eurorettung warten. Bis zum 30. Januar ließen die Staats-und Regierungschefs mit dem Hochamt der Europapolitik – dem Europäischen Rat – auf sich warten.

Ein ganzes Paket an Maßnahmen hatte man sich vorgenommen. Im Zentrum sollten dieses Mal die Themen Wachstum und Beschäftigung stehen. Eine Akzentverschiebung weg von deutsch-französischen Konsolidierungsbestrebungen hin zu einer wachstumsorientierten Politik? Zumindest dem Namen nach. Begleitet werden sollte dieser Plan von dem finalen Vertrag für die Fiskalunion und dem Regelwerk für den Europäischen Stabilitätsmechanismus, welcher schon im Juli diesen Jahres und nicht wie geplant erst 2013 in Kraft treten soll.

Im Fokus: Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

In der Abschlusserklärung des Europäischen Rates konstatieren die Staats-und Regierungschefs, dass eine einseitige Fixierung auf Haushaltskonsolidierung nicht ausreicht, sondern dass „weitere Anstrengungen erforderlich [sind], um Wachstum und Beschäftigung zu fördern.“ Eine notwendige Einsicht, die aber zu spät kommt. Drei Handlungsfelder sollen kurz-und mittelfristig priorisiert werden: die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, die Vollendung des Binnenmarkts und die Förderung kleiner- und mittlerer Unternehmen (KMUs).

Vor allem das Kapitel „Beschäftigungspolitische Impulse, insbesondere für junge Menschen“ klingt vielversprechend. Vielleicht nicht unter sprachlich-stilistischen, aber um so mehr unter politischen Gesichtspunkten. Nicht nur in Spanien, wo sich im letzten Jahr der Unmut über die Jugendarbeitslosigkeit von 48,7% in Protesten äußerte, ist die Lage alarmierend. Insgesamt 22,1% der unter 25-Jährigen haben EU-weit keine Arbeit im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosenquote von 9,9%.

In der Erklärung werden eine ganze Reihe von Maßnahmen angekündigt, die Eingang in nationale Arbeitsmarktpolitiken finden sollen. Beginnend mit einer Erhöhung von Ausbildungs-und Praktikantenstellen über das Ziel die Schulabbrecherquote zu senken bis hin zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität von Arbeitskräften. Viele Maßnahmen hören sich gut an, wie z.B. die Forderung, dass Jugendlichen wenige Monate nach Abschluss der Schule eine „qualitativ hochwertige Arbeitsstelle“ angeboten werden soll. Was fehlt, ist die finanzielle Unterfütterung des Maßnahmenkatalogs. Dies trifft nicht nur auf das beschäftigungspolitische Kapitel zu, auch die Förderung der kleinen-und mittleren Unternehmen muss ohne eine finanzielle Grundlage auskommen, die diese Bezeichnung verdient.

Unzureichende Finanzierung der Vorschläge

Die finanziellen Verpflichtungen beschränken sich auf die Umwidmung existierende EU-Gelder wie beispielsweise der Strukturfonds im Fall der KMUs oder des Europäischen Sozialfonds für die Einrichtung eines Lehrstellenprogramms. Für die Haushaltsperiode 2007-2013 sind zwar noch 82€ Milliarden aus den Strukturfonds übrig, welche aber bei weitem nicht reichen um die große Anzahl an hilfsbedürftigen Ländern (Spanien, Griechenland, Italien, Portugal, Irland, Slowakei neben anderen) abzudecken.

Das zweite fundamentale Manko der Gipfelerklärung ist die Abwesenheit genuin neuer Vorschläge. Vieles ist alter Wein in neuen Schläuchen. Auf der einen Seite bedient sich die Erklärung an alten Kommissionsvorschlägen, wie dem „Youth on the move“- Programm. Auf der anderen Seite wird dazu aufgerufen schon existierendes EU-Recht doch bitte umzusetzen, so geschehen im Fall des Aktionsplans der Kommission zum elektronischen Geschäftsverkehr. Dies entbehrt nicht einer gewissen Komik und klingt ein wenig wie Neujahrsvorsätze, die sich die europäischen Staats-und Regierungschefs für das Jahr 2012 vorgenommen haben, welche aber nach wenigen Wochen wieder fallengelassen werden.

Das Krisenmanagement der EU ist zu eindimensional!

Um die Herkulesaufgabe der Eurostabilisierung anzugehen, hätte es weitreichender, ja auch kostspieliger, Vorschläge bedurft. Ganz egal, ob sich dahinter milliardenschwere Investitionen in erneuerbare Energien in Spanien, Italien und Griechenland oder Re-Industrialisierungsprogramme verbergen; um Wachstum anzukurbeln muss mehr investiert werden! Wahrscheinlich ist auch eine stärkere Brandmauer, also eine Aufstockung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, und ein teilweiser Forderungsverzicht der Europäischen Zentralbank für Griechenland unabdingbar. Auch wenn die beiden letzteren Themen offiziell nicht auf der Tagesordnung standen, spukten sie doch durch die Verhandlungsräume – spätestens als sich im Anschluss an den Gipfel EZB-Chef Mario Draghi, der Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker, Kommissionspräsident Barroso, der ständige Ratspräsident Herman van Rompuy und EZB- Direktoriumsmitglied Asmusen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Papademos trafen.

Vielleicht setzt sich bis zum nächsten regulären Gipfel im März die Einsicht durch, dass das eindimensionale, auf Austerität gepolte, Krisenmanagement der Europäischen Union auf Dauer so tragfähig sein wird, wie die griechischen Schulden ohne eine Beteiligung der öffentlichen Gläubiger!

Ihr Kommentar
  • Am 3. Februar 2012 um 10:29, von  Eric Bonse Als Antwort EU-Gipfel: Die Fortsetzung der Eindimensionalität

    Die Eindimensionalität setzt sich auch im neuen ESM-Vertrag fort, der den dauerhaften Rettungsschirm bringt. Dort ist wieder von strikter konditionalität - sprich Austerität - die Rede, eine parlamentarische Mitwirkung ist nicht vorgesehen. Außerdem sollen die Staaten uneingeschränkt Geld geben -für den Schuldendienst, nicht aber für Soziales. Das Drama geht weiter... http://lostineurope.posterous.com/der-esm-vertrag-ist-raus

  • Am 3. Februar 2012 um 20:23, von  Niklas Als Antwort EU-Gipfel: Die Fortsetzung der Eindimensionalität

    ... Mmh. Bist du dir da wirklich so sicher, dass die Geldhähne aufgedreht werden müssen? Wenn Du dir die griechische Strukturen anschaust, dann liegt das nicht an zu wenig Geld, sondern an Behörden, die nicht einmal bestehende Strukturgelder abrufen können. Ich würde daher die These aufstellen, dass es durchaus gut ist, zunächst Druck auf Effizienz und strukturelle Veränderungen zu legen als einfach wieder riesige Gießkanneneffekte zu haben. Zudem: Woher soll das Geld immer herkommen? Deutschland ist ja auch mit über 80% fast verschuldet. Klar als Föderalist würde ich sagen, wir brauchen eine europäische Lösung. Aber da wäre ich klar auf Seite der Mehrheit der mittel, ost und -nordeuropäischen Abgeordneten, die sich fragen, warum sie für südliche Fehlstrukturen zahlen müssen. (Siehe auch klare Aussage von Bulgarien!)

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