Über den Mann, der die Macht hat – und warum uns das nicht gefallen kann.

, von  Jonas Hirschnitz

Über den Mann, der die Macht hat – und warum uns das nicht gefallen kann.
Thomas Wieser ist der Mann mit der Macht im Hintergrund. Bestimmte Rechte vorbehalten von GregHickman

Der Mann

Wer ist im Moment der wichtigste Akteur in Europa? Merkel, Sarkozy, Frau Lagarde oder mag vielleicht noch ein Experte auf das Schattengenie aus dem „Nicht-Land“ [1], Herrn van Rompuy, hinweisen? Nein, der Mann der Europa denkt und lenkt heißt im Moment Thomas Wieser und ist Österreicher.

Thomas Wieser ist Chef der neu gegründeten Euro Taskforce. Hierbei handelt es sich nicht um die kürzlich zu neuem Ruhm gelangte Griechenland Taskforce, die ihren Sitz in Athen mit gepanzerten Fahrzeugen beziehen musste. Die Euro Taskforce durfte in Brüssel bleiben und ist letztendlich nichts anderes als die Verlängerung des schon bestehenden Wirtschafts- und Finanzausschusses. Beriet dieser ursprünglich die Minister, hat er durch die Finanzkrise an Bedeutung gewonnen und berät heute direkt die Staats- und Regierungschefs. Herr Wieser ist der Chef dieser Gruppe, und bei unseren Merkozys und Montis ein gern gesehener Gast [2].

Seine Macht

Ist das genug um Europa zu steuern? Ja, das ist es. Um dies zu verstehen, muss man sich nur einmal zwei Sachen vor Augen führen: erstens, wo früher noch Entscheidungen in langwierigen Verhandlungen von Ministerrat und Parlament getroffen wurden, tut dies in Krisenzeiten effektiv der Europäische Rat [3]. Zweitens, unsere Regierungschefs haben, ausgenommen vom Italiener Monti, keine Ahnung von Wirtschaft. Frau Merkel kann die Spannung am Widerstand Glühbirne messen, die Folgen einer Griechenlandpleite wohl kaum. Sarkozy kennt höchstwahrscheinlich das Werk Machiavellis, den wirtschaftlichen Effekt einer Aussetzung von Schengen kann er aber sicherlich nicht voraussagen (sonst wäre er wohl vorsichtiger mit seinen Aussagen). Mit diesem Hintergrundwissen kann man erahnen, welche Macht das Wort eines weisen Ökonomen haben muss. Es wäre übertrieben von Marionetten zu sprechen, aber die, die uns lenken, sind zurzeit abhängig.

Und warum uns das nicht gefallen kann.

Das ist doch eigentlich nicht schlecht für Europa. Experten helfen unseren Politikern bei ihrer Arbeit. Möge man denken. Doch was ist mit der Politik? Sprechen wir heute über Griechenland reden wir über Schuldenschnitte, über Zinsen, über Anleger, Banken und Reformen. Ist dies Griechenland? Ist das Europa? Das Thema Griechenland ist ein Präzedenzfall in der EU, und testet das Prinzip unserer Solidarität. Im Vertrag von Maastricht ist dieses manifestiert in Artikel 3(5): die Union soll zu Solidarität und gegenseitigem Respekt ihrer Völker beitragen. Während es fraglich ist, ob wir sich unsere gewählten Vertreter dieses Prinzips bewusst sind oder nicht, ist es sogar noch schlimmer, dass wir es nicht sind. Reden wir darüber, wie den 48% jungen Griechen, die ohne Job sind, geholfen werden kann? Reden wir darüber, dass wenn wir keine Anreize schaffen, auch die letzten Qualifizierten Helenen das Weite suchen werden? Reden wir davon die Krise zu nutzen um endlich entscheidende Schritte wie eine europäische Sozialpolitik zu machen? Wir tun dies nicht, und die Politik ist gefangen im ökonomischen Diskurs, den sie nicht kontrolliert.

Europa geht dahin, wohin es Herr Wieser für richtig hält. Niemand hat ihn gewählt, die wenigsten kennen ihn. Er wird prägen, was wir vielleicht später die EU-Wirtschaftsregierung nennen werden [4]. Es liegt an uns jetzt die Stimme zu erheben. Europa ist nicht nur Wirtschaft, Europa kann mehr. Europa, das sind Werte, Freundschaft, Kooperation und, ja, Solidarität. Bitte Thomas denk daran.

Ihr Kommentar
  • Am 10. April 2012 um 10:47, von  Niklas Als Antwort Über den Mann, der die Macht hat – und warum und das nicht gefallen kann.

    Also ich finde dein Artikel macht es sich echt zu einfach. Der jetztige Weg der EU und die Sparprogramme, die Griechenland aufgesetzt werden, sind doch kein völlig undemokratischer und abwegiger Kurs, sondern vielmehr der Versuch die Finanzmärkte zu beruhigen. Solidarität ist vertraglich festgehalten in der Tat. Aber es ist doch die Frage, ob das weitere Aufmachen von Steuermilliarden noch über die Solidarität, die ja bereits geübt wurde, die Probleme wirklich lösen können. Was bringt ein Marschallplan, wenn bereits die jetztigen Strukturgelder nicht abgerufen wurden? Das wir in Griechenland strukturelle Probleme haben, die gelöst werden müssen, darf man auch mal nennen bzw. hierauf eine Antwort erwarten. Zumindest sollte man schon mehr Argumente bringen, als die Kanzlerin als eine Physikerin abzustempeln, die sich von fadenscheinigen Beratern in die Irre führen lässt. Zumal die Kanzerlin ja doch bereits einen Aussschluss Griechenlands ausgeschlossen hat. Ob man dann noch in das selbe Horn der Amerikaner, der Banken und sonstigen Interessengruppen blasen muss, ist die Frage...

  • Am 10. April 2012 um 15:12, von  Mathias Als Antwort Über den Mann, der die Macht hat – und warum und das nicht gefallen kann.

    „Im Vertrag von Maastricht ist dieses manifestiert in Artikel 3(5): die Union soll zu Solidarität und gegenseitigem Respekt ihrer Völker beitragen.“ Im Vertrag über die Arbeitsweise ist auch festgelegt, dass die Haftung der Europäischen Union sowie aller Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, und es stört sich niemand daran.

    Das Anliegen, das Jonas verfolgt, finde ich gut. In der Sache sehe ich es aber so wie Niklas.

  • Am 12. April 2012 um 19:00, von  Jonas Hirschnitz Als Antwort Über den Mann, der die Macht hat – und warum uns das nicht gefallen kann.

    Lieber Niklas, lieber Mathias, danke zuerst einmal für eure Reaktion. Ich denke in der Tat nicht, dass die Kanzlerin in ihren fast sieben Jahren Regierungszeit nichts über Politik (und auch Ökonomie) gelernt hat. Auch ging es mir nicht in erster Linie um den Charakter der Reaktion, die wir bis heute von der EU gesehen haben. Darüber werden wir sicher noch an anderer Stelle diskutieren können. Worum es mir ging war darauf hinzuweisen, dass das Krisenmanagement fernab jeglicher demokratischer Kontrolle in den verschlossenen Räumen des Europäischen Rates abläuft. Wer dort letztendlich den größten Einfluss hatte ist für niemanden, der nicht dabei war, nachzuvollziehen. An dieser Stelle kann ein Hauptberater, wie es Herr Wieser nun einmal ist, überdurchschnittlich viel entscheiden. Wie ich im Artikel sage, muss dies nicht unbedingt zu schlechten Lösungen führen. In der Krise sind Effizienz und Handlungsfähigkeit sogar überlebenswichtig. Das Problem sehe ich persönlich nur darin, dass nachdem Entscheidungen getroffen wurden die Erklärungen für deren Gründe äußerst bieder und national ausfallen. Wenn wir schon Transparenz opfern müssen um Kriseneffizienz auf europäischer Ebene zu erhalten, dann sollten wir auch das Recht haben nach dem „warum“ zu fragen. Hierbei rede ich vom europäischen „warum“ fernab von „unsere Banken“ oder „deren Schulden“. Nur so könnte nämlich das inter-staatliche, un-europäische an der Krisenlösung überwunden werden. Dieses besteht meiner Meinung nach aus ökonomischem Kosten/Nutzen Rechnen. Was wir jedoch brauchen – und zwar genau jetzt – ist eine Lösung die auch das Politische mit einbezieht. Das Politische in diesem Kontext ist das Thematisieren von europäischer Solidarität. Die Verträge verpflichten uns sicher nicht zu „Bail-outs“ anderer Mitgliedsstaaten. Auch sollte man die Fehler Griechenlands nicht vergessen. Doch was tun wir im Moment? Wir zahlen effektiv, und wir versuchen Griechenland zu reformieren. Was in diesen revolutionären Schritten einfach fehlt ist der Bürger. Wenn solche Schritte ohne politischen Diskurs eingeführt werden, werden sie meiner Meinung nach nicht dauerhaft zu Erfolg führen. Krisenmanagement muss zumindest nach dem Beschluss nachvollziehbar bleiben. Das dies im Moment nicht so ist, habe ich durch die Person Wieser versucht zu illustrieren.

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