Alles an Bord – Griechenland übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft

, von  Franziska Pudelko

Alles an Bord – Griechenland übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft
Handschlag zwischen Antonis Samaras (links) und José Manuel Barroso. Foto: © European Commission - P-024702/00-08 (http://ec.europa.eu/avservices/photo/photoDetails.cfm?sitelang=en&ref=P-024702/00-08#0).

Im sechsmonatigen Wechsel übernimmt jeweils ein EU-Mitgliedstaat den Vorsitz des Rates und hat damit die Möglichkeit, verstärkt eigene Themen auf die europäische Agenda zu setzen. Athen ist als nächstes an der Reihe, bis Juli wird das griechische Logo – ein Schiff – als Erkennungszeichen ihrer Identität den Briefkopf des Rates schmücken. Eine große Herausforderung für das Land und gleichzeitig eine erste Chance, das Vertrauen der Union zurückzugewinnen.

Optimistisch blickt Griechenland in seine Zukunft, das erste Halbjahr 2014 wird das Land den Rat der Europäischen Union anführen. Pragmatismus und Bescheidenheit – die Absichten der Ratspräsidentschaft will Athen durch ein Schiff als symbolträchtiges Logo visualisieren. Das Steuer fest in der Hand, ist die griechische Regierung bereit, auch schwierige politische Aufgaben zu meistern. Für Griechenland bedeutet die fünfte Ratspräsidentschaft vor allem eines: wieder Vertrauen schaffen und Europa zeigen, dass es ein guter Steuermann sein kann.

Schwerpunktthemen Bankenunion und Migrationspolitik

Hauptthema der griechischen Ratspräsidentschaft ist die Durchsetzung der europäischen Bankenunion, wie vom Europäischen Rat im Dezember beschlossen. Damit sollen die Institutionen einer Wirtschaftsregierung vertieft und die gemeinsame Währung gestärkt werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Festlegung eines neuen Migrationsrahmens innerhalb Europas: Legale Einwanderung soll gefördert, illegale Migration eingedämmt werden. Dies betrifft Griechenland besonders stark, denn das Land ist einerseits Hauptanlaufstelle für illegale Einwanderer in der EU, andererseits wandern inzwischen viele junge Arbeitskräfte in andere EU-Länder ab, um dort Arbeit zu finden.

Neue Beschäftigungsmöglichkeiten zur Förderung der Realwirtschaft sieht Griechenland im Maritimen Bereich sowie in der Schifffahrts- und Energieindustrie. Ferner werden weitere Initiativen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit angestrebt.

Die Europawahlen im Mai stellen eine zusätzliche Herausforderung dar. Nicht einfach wird es, durch den wachsenden Euroskeptizismus, die Wählerschaft zu motivieren für Europa zu stimmen. Aufgrund der Wahlen wird die Ratspräsidentschaft außerdem verkürzt, sodass die Arbeit mit dem Parlament zeitlich beschränkt ist. Die Griechen planen deshalb die drei Monate bis zur Auflösung des Parlaments für eine intensive Zusammenarbeit zu nutzen und sich auf eine Einigung in den wichtigsten politischen Feldern zu konzentrieren.

Nach Griechenland übernimmt Italien den Vorsitz

Die Ausarbeitung von notwendigen Kompromisslösungen für eine Beschlussfähigkeit des Rates gehört ebenso zu den Aufgaben des Vorsitzes, wie der Vorschlag von Leitlinien und die Leitung der Tagungen und Sitzungen auf allen Ebenen. Das Tätigkeitsprogramm legt Griechenland nicht alleine fest, mit Irland und Litauen wird eng zusammengearbeitet, um in einem „Dreiervorsitz" ein achtzehnmonatiges Programm zu bestimmen. Darüber hinaus erhält Griechenland Unterstützung seitens der Kommission. Diese ist nötig, denn EU-politisch lässt sich wenig ohne die Zustimmung der Großmächte Europas durchsetzen. Anfang Juli wird turnusmäßig gewechselt, dann übernimmt Italien den nächsten Vorsitz.

Innenpolitisch kann der griechische Ministerpräsident Andonis Samaras besseren Zeiten entgegenblicken. Sein Land werde die seit sechs Jahren dauernde Rezession in diesem Jahr hinter sich lassen, versichert er während des offiziellen Festakts zur Übernahme der Ratspräsidentschaft in Athen. Seine Hoffnungen sind nicht unberechtigt: Erwartet wird für 2014 ein Wachstum von 0,6 Prozent. Zudem hat die Rating-Agentur Moody’s die Kreditwürdigkeit Griechenlands wieder heraufgestuft. Das ist vor allem psychologisch ein gutes Zeichen. Es bedeutet für Viele, dass es langsam wieder aufwärts geht, erste Anleihen werden 2014 möglich gemacht und Investitionen in Griechenland erhöhen sich langsam.

Griechenland bleibt Epizentrum der europäischen Krise

Ein „Grexit“ aus der Eurozone ist damit zwar weniger wahrscheinlich als vor zwei Jahren, dennoch bleibt Griechenland Sorgenkind und Epizentrum der europäischen Krise. Rekordarbeitslosigkeit sowie ein Erstarken radikaler politischer Kräfte halten die Regierung in Alarmbereitschaft. Überdies trüben neueste Zahlen und Berechnung den Blick in Griechenlands Zukunft. So erwartet die Troika einen erneuten Schuldenschnitt für den Sommer.

„Die Menschen müssen wieder im Kern der Politik stehen“, fordert der Oberbürgermeister von Heraklion auf Kreta, Ionnis Kourakis, bei einer Veranstaltung zur griechischen Ratspräsidentschaft im Dezember in Brüssel. Dies sei in Griechenland bisher nicht der Fall. Es müsse um das nationale Interesse gehen. Eine Verbesserung der sozialen Aspekte sei daher unbedingt nötig. Ferner müsse der Braindrain mit nordeuropäischen Staaten aufgehalten werden. Schwierig werden auch die griechischen Kommunalwahlen, die parallel zu den Europawahlen stattfinden und wo besonders nationalistische Parteien einen fruchtbaren Boden für ihre rechten Parolen finden werden.

Griechenland hat wenig Spielraum oder Zeit für seine Visionen, deren Durchsetzung gestaltet sich daher schwierig. Ein Wendepunkt wird die Ratspräsidentschaft für Griechenland nicht bedeuten, vielmehr stellt sie ein Ehrenposten dar und eine Möglichkeit, die eigenen Botschaften wirkungsvoll zu versenden. Gelingt ihnen das, ist es ein erster Schritt für alles Weitere. Es ist Zeit für das Land wieder ein Gesicht zu zeigen auf europäischer Ebene. Im Schiff sitzen wir gemeinsam, Griechenland hat das Steuer in der Hand.

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