Brexit: Das zerissene Königreich

Wer will den Brexit? Und wer würde dagegen stimmen?

, von  Tobias Gerhard Schminke

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Brexit: Das zerissene Königreich
Für die Europäische Union zu sein, ist hipp. Die klare Mehrheit der jungen Briten steht hinter der EU. Foto: Kampagne der Young European Movement, zur Verfügung gestellt für treffpunkteuropa.de

Wer will den Brexit? Und wer würde dagegen stimmen? Meinungsumfragen zeichnen ein eindeutiges Bild: Wie jemand im EU-Referendum abstimmen würde, hängt in hohem Maße von seinem persönlichen Hintergrund ab. Mr. Smith bestimmt nicht selbst, was er über die Europäische Union denkt. Es ist sein Einkommen, seine Bildung, sein Beruf, wo er seinen Tee trinkt und welche Zeitung er währenddessen liest.

Aktuell liegen die Brexit-Befürworter im Vereinigten Königreich knapp vorne. Unter den Wählern, die sich für eine der beiden Seiten entscheiden haben, erreichen die Brexit-Befürworter aktuell 51 Prozent, während die Gegner bei 49 Prozent liegen. 17 Prozent der Wähler sind aber noch unentschieden, für welche Seite die stimmen würden. Daher ist das Rennen letztlich völlig offen. In den letzten vier Wochen ging der Trend gegen die proeuropäischen Kräfte. So sah das Meinungsforschungsinstitut ICM die Befürworter der Europäischen Union seit 2013 ununterbrochen vorne, was sich nun erstmals geändert hat. Hintergrund dieses Stimmungswechsels sind auch die Ergebnisse aus den Neuverhandlungen David Camerons mit der Europäischen Kommission, die aus Sicht von 51 Prozent Briten nicht weitgehend genug sind.

Noch stehen weder der Zeitpunkt noch die genaue Fragestellung für das Referendum fest. Diese könnte in dem aktuell knappen Rennen von entscheidender Bedeutung sein. Die Frage, die im Moment als am wahrscheinlichsten für das Referendum gilt, lautet

„Sollte das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben oder die Europäische Union verlassen?“

Die Antwortoptionen wären in diesem Fall dann „Bleiben (Remain)“ oder „Verlassen (Leave)“.

Der EU-Befürworter: jung, gebildet, reich

Im Abstimmungsverhalten über den Verbleib in der Europäischen Union tun sich tiefe gesellschaftliche Gräben auf. Der größte Unterschied ist zwischen reich und arm festzustellen. So würden aktuell 93 Prozent der Geschäftsführer großer Unternehmen für einen Verbleib in der Europäischen Union stimmen. Unter Geringverdienern sind dagegen 58 Prozent für einen Austritt. Damit im Zusammenhang stehend spielt auch die Bildung der Wählenden eine Rolle. 58 Prozent der Universitätsabsolventen würden für einen Verbleib des Landes in der Europäischen Union stimmen. Menschen, die mit einem einfachen Schulabschluss die Schule verlassen haben, würden zu 62 Prozent gegen einen Verbleib stimmen.

Der EU-Skeptiker: rechts, alt, Engländer

Auch die Parteizugehörigkeit spielt eine entscheidende Rolle. Je weiter rechts die Partei steht, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Anhänger der Partei für „leave“ stimmen. Die Anhänger der grünen Parteien im Vereinigten Königreich (GPEW, SNP, Scottish Greens, PC), die der Liberal Democrats (ALDE) und Wähler der S&D-Partei Labour würden mehrheitlich für den Verbleib in der EU stimmen, während Wähler der konservativen Tories und die Wähler der rechtspopulistischen UKIP für den Austritt stimmen würden. Nur 29 Prozent der Leser des Guardian würden es der Mehrheit der UKIPler gleich tun. Die Wählerschaft des BILD-Pendant Express ticken da anders: 70 Prozent der Leser würden aktuell für einen Austritt stimmen. Dabei sind die Befürworter des Brexit sicherer in ihrer Wahlabsicht als die Gegner.

Ein bemerkenswerter Riss zeigt sich auch zwischen Jung und Alt, was sich auch in anderen europäischen Wählerschaften widerspiegelt. ICM zeigte in diesem Monat auf, dass 80 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für den Verbleib in der Union stimmen würden, während beinahe 70 Prozent der über Sechzigjährigen die EU lieber verlassen würden.

Das Vereinigte Königreich ist im Moment das einzige Land in der Europäischen Union, in dem sich eine Mehrheit für einen Austritt findet.

Schottland will in der EU bleiben - um jeden Preis

In Schottland, Nordirland und in Wales würde eine Mehrheit der Leute gerne mit „Remain“ stimmen, während eine Mehrheit der Engländer das Königreich lieber von Brüssel losgelöst sähen. Besonders eng sehen das die Schotten. Für den Fall, dass Großbritannien und Nordirland die Europäische Union verlassen sollten, wollen 58 Prozent der Bevölkerung Schottlands in einem zweiten Referendum über die Unabhängigkeit mit Ja stimmen.

Das Referendum könnte bei positivem Ausgang also das Ende des Königreiches in seiner jetzigen Form als solches einläuten.

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