China und EU: Freihandelsabkommen in Sicht?

, von  Moritz Hunger

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China und EU: Freihandelsabkommen in Sicht?
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Während die EU angeregt mit den USA über ein Freihandelsabkommen verhandelt, hat die Volksrepublik China im April dieses Jahres ein solches Abkommen mit Island und im Juli mit der Schweiz abgeschlossen. Norwegen soll bald folgen. Diese Woche haben nun auch die EU-China Beziehungen zum Thema an Fahrt aufgenommen. Über ein bilaterales Investitionsabkommen soll beim EU-China-Gipfel verhandelt werden.

Interesse an einer Ähnlichen Vereinbarung mit der EU hatte China bereits im Frühjahr dieses Jahres bekundet. Kurz darauf wurden EU-Diplomaten in den Medien zitiert, die ein EU-China-Freihandelsabkommen für immer wahrscheinlicher hielten. Was überrascht, hatte es China doch mit Billigimporten günstiger Photovoltaikanlagen auf dem europäischen Binnenmarkt erst im Sommer in die europäischen Schlagzeilen geschafft und damit für einigen Aufruhr gesorgt.

China tastet sich in Sachen Freihandel schon längere Zeit Land für Land an die EU heran. Das Ziel: Der Europäischen Union keine andere Wahl lassen, als sich auf das Freihandelsabkommen einzulassen.

Raffiniertes China

Der Plan scheint aufzugehen: Bei der Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten in Luxemburg verabschiedeten die EU-Handelsminister ein Mandat für den Beginn von Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen mit dem Land der Mitte. Beim 16. EU-China-Gipfeltreffen am Donnerstag, 21. November, in Peking ist dieses erste eigenständige Abkommen zentrales Thema der Verhandlungen. Danach wird ein zweijähriger Verhandlungszeitraum erwartet, der schließlich den Weg zu einem Freihandelsabkommen ebnen soll.

Das geplante Investitionsabkommen soll 26 bestehende bilaterale Abkommen zwischen einzelnen EU-Staaten und China zu einem einzigen zusammenführen und mehr Rechtssicherheit schaffen. So soll der Investitionsschutz für beide Seiten gewährleistet werden. Das von der Kommission verhandelte Paket kann erst in Kraft treten, wenn das EU-Parlament zustimmt.

Chinas großes Interesse an dem Abkommen liegt darin begründet, dass die EU der größte Handelspartner ist. Der sino-europäische Handel hat sich seit 2003 auf zuletzt 435 Milliarden Euro pro Jahr verdoppelt. Des Weiteren gehen die Investitionen der Volksrepublik in den USA – bedingt durch die Finanzkrise oder den US-Shutdown – zurück. Mit Sicherheit ist aber auch die EU dem Freihandelsabkommen mit China nicht abgeneigt: Das Land ist der zweitgrößte Absatzmarkt für europäische Waren.

Im Vergleich dazu sind die Investitionen der EU-Länder in die Volksrepublik mit nur zwei Prozent verschwindend gering. Gründe hierfür sind die vielen politischen und bürokratischen Barrieren, wie zum Beispiel der Zwang zur Kooperation mit einheimischen Firmen oder zum Wissenstransfer. Sicher spielen auch die schlechten Standards der Menschenrechte – zumindest auf politischer Ebene – eine Rolle. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat China für ausländische Investoren die größten Investitionshemmnisse von allen 20 führenden Industrie- und Schwellenländern. Dabei würde das Land von den Investitionen mehr profitieren als die EU.

China – Retter Europas

Welche Vorteile ergeben sich für die EU aus diesem Abkommen? Ohne Importzölle und der Vereinfachung der Wareneinfuhr wäre es für europäische Unternehmen künftig einfacher, den chinesischen Markt zu erschließen. Mit dem Abbau der Vielzahl unterschiedlicher Regelungen hätten es dortige Investoren zukünftig einfacher, Direktinvestitionen in Europa vorzunehmen.Dadurch könnten neue Arbeitsplätze geschaffen und neue Märkte erschlossen werden.

Immer noch sind einige Länder davon überzeugt, China könne Europa retten. Bereits in den letzten Jahren haben chinesische Unternehmen massiv in Europas Industrien investiert. Anfang des Jahres wurden Gerüchte laut, die chinesische Reederei Cosco könnte schon bald Mehrheitseigentümer des größten griechischen Hafens Piräus werden. Im Sommer konnten sich europäische Autobauer durch Investitionen aus Fernost vor dem sicheren Konkurs retten.

Bei China und dem Stichwort Wissenstransfer ist allerdings auch die Angst europäischer Unternehmen groß, von chinesischen Dumping-Produkten überflutet zu werden – wie es bei den Photovoltaikanlagen geschehen ist.

Wahrscheinlich nicht zu unrecht, denn China handelt nicht aus reiner Nächstenliebe. Dortige Investoren erhoffen sich vor allem Synergieeffekte, indem sie das technologische Know-how der europäischen Unternehmen auf ihre anderen Produkte anwenden. Außerdem treiben die Übernahmen den Verkauf der eigenen Waren in Europa voran.

China – schwächelnder Retter Europas

Dennoch ist es in letzter Zeit auch um Chinas Wirtschaft weniger rosig bestellt. Die Exporte sind im September zum ersten Mal seit langem zurückgegangen. Analysten zufolge sei dies ein Zeichen dafür, dass die globale Konjunktur weiterhin schwach verlaufe und dadurch die hohe Abhängigkeit Chinas auf dem Weltmarkt offengelegt werde.

In der Schweiz rühmt man sich unterdessen einen Vorsprung vor den europäischen Nachbarn zu haben. Das Land hat bereits ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen und somit die Wettbewerbsfähigkeit nach eigenen Angaben gestärkt.

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