Die europäische Perspektive - Stimmen zur Wahl in Großbritannien

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Die europäische Perspektive - Stimmen zur Wahl in Großbritannien
Kein Umzug in Downing Street Nr. 10: Cameron und die Tories feiern den Wahlsieg bei der britischen Unterhauswahl. Foto: © Number 10 / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0-Lizenz

Die Wahlen in Großbritannien haben ein überraschend klares Ergebnis geliefert: Die Konservativen gewinnen mit deutlichem Vorsprung vor der Labour-Partei. David Cameron steht damit vor einer zweiten Amtszeit als Premierminister. Was bedeutet dieses Wahlergebnis für Europa? Stimmen der Redaktionen aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Brexit ist nicht unausweichlich

Franziska Pudelko - Chefredakteurin von treffpunkteuropa.de

„Mit dem Sieg der Konservativen Partei von Premierminister David Cameron bei der Parlamentswahl am Donnerstag in Großbritannien wächst die Nervosität in Brüssel. Im Falle eines Wahlsiegs hatte Cameron ein Referendum über den britischen Verbleib in der EU versprochen. Der Wahlausgang kann jedoch nicht als Hinweis auf einen bevorstehenden Brexit gesehen werden. Eine hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne und Kürzungen im Sozialen bestimmten den Wahlkampf, das Referendum hatte dabei nicht die Priorität.

Für das Vereinigte Königreich würde ein Austritt aus der EU nicht nur ein Machtverlust in Europa bedeuten, sondern könnte auch außerordentlich teuer werden. Um eine zwei Jahre dauernde Hängepartie und eine zunehmende Unsicherheit für britische Unternehmen und an den Finanzmärkten zu vermeiden, könnte Cameron das Referendum allerdings sogar vorziehen. Zwar gilt ein Brexit bisher als unwahrscheinlich, dennoch wird sich die Europa-Debatte verschärfen. Gerade deshalb muss seitens der EU ein aktives Interesse daran bestehen, einen möglichen Brexit zu verhindern und das möglichst bald.“

Camerons Spiel mit dem Feuer zahlt sich (noch) aus

Marcel Wollscheid - Stellv. Chefredakteur von treffpunkteuropa.de

„In gewisser Weise war die Wahl in Großbritannien ein Referendum über ein Referendum. David Cameron - unter Druck von Euroskeptikern der eigenen Partei einerseits und der UKIP andererseits - entschloss sich, den Briten im Falle seiner Wiederwahl ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft im Jahr 2017 anzubieten.

Cameron hat mit dem Feuer gespielt, doch sein taktisches Manöver zahlt sich aus. Nicht nur konnte er mit seiner Strategie die Unterstützung in Großbritannien gewinnen. Der Premierminister besetzt mit Beginn seiner zweiten Amtszeit gleichzeitig eine starke Verhandlungsposition innerhalb der Europäischen Union.

Die kommenden Monate werden zeigen, wie Cameron dieses Mandat zu nutzen weiß. Er kann als Vorantreiber des Brexits in die Geschichtsbücher eingehen oder aber eine europäische Zukunft seines Landes gestalten. In jedem Fall wird die britische Frage weiter über dem Kontinent schweben. Zu hoffen bleibt, dass sie sich nicht zur zentrifugalen Triebfeder der Union entwickelt.“

Der Beginn eines Armdrückens

Hervé Moritz - Chefredakteur von Le Taurillon

„Die Tories haben 331 Sitze im House of Commons gewonnen, es ist ein starker Wahlsieg für Premierminister David Cameron. Dieses Ergebnis macht deutlich: Es wird ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft geben und gestern war der erste Schritt zu dieser Abstimmung. Labour ist es nicht gelungen, eine klare Position zur Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU zu finden und kommt auf nur 232 Sitze. Ein anderer Sieger der Wahl ist die Scottish National Party, die 56 von 58 Sitzen in Schottland gewinnt. Rache ist süß.

Wie sieht die Zukunft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union aus? Mit dem drohenden Referendum in der Hintertasche kann David Cameron Druck auf die europäischen Partner ausüben. Er wird versuchen, die Verträge zu Gunsten Großbritanniens neu zu verhandeln. Das will allerdings sonst niemand in Europa. Sollte es tatsächlich zu einem Brexit kommen, könnten die Schotten ein neues Unabhängigkeitsreferendum starten, um Teil der europäischen Familie zu bleiben. Der Tag nach der Wahl ist der Beginn eines Armdrück-Wettbewerbs. “

Hangover

Christopher Powers - Managing Editor von The New Federalist

„Mit einer konservativen Mehrheitsregierung an der Macht ist eines sicher: das Vereinigte Königreich wird nicht zur Ruhe kommen und die internen Querelen der britischen Politik werden weitergehen. Unklar ist dagegen nach den Rücktritten des Führungspersonals von Labour, Liberaldemokraten und UKIP, welche Form die Debatte um Europa annehmen wird.

Das Vereinigte Königreich geht gespaltener als je zuvor aus dieser Wahl hervor. Schottland ist nun im Wesentlichen ein Einparteienstaat in Opposition zur Regierung in London. Die „schottische Frage“ und die „europäische Frage“ sind für Menschen in Großbritannien verknüpft, was sich in den nächsten Jahren verdeutlichen wird.

Schließlich steht das konstitutionelle Arrangement des Vereinigten Königreichs auf dem Prüfstand. Alle Parteien bis auf die Konservativen und die SNP haben durch das Mehrheitswahlrecht verloren. Es ist höchste Zeit, dass die Idee der Gleichheit der Stimmen in Großbritannien ankommt. Das wäre der einzige Hoffnungsschimmer dieser Wahl. “

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