Für einen europäischen Literaturpreis

, von  Christine Lehnen , übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Für einen europäischen Literaturpreis

Deutscher Buchpreis, Prix Goncourt, Man Booker, Nobelpreis...jedes Jahr werden national oder weltweit diverse Buchpreise verliehen. Insbesondere der Nobelpreis schafft es immer wieder eine internationale kulturelle Debatte anzuregen. Die schwedische Akademie entscheidet sich alljährlich für einen Autor, dabei ist das Herkunftsland egal. Warum sollte es in der EU oder Europa nicht einen ähnlichen Preis geben? Den bisherigen Versuchen fehlt bis jetzt das Publikum.

Bob Dylan wurde der Literaturnobelpreis 2016 verliehen. Zu recht, sagen einige. Andere sind nicht einverstanden, dennoch kamen Reaktionen von fast überall. Der Literaturnobelpreis ist der Beweis dafür, dass eine internationale Öffentlichkeit im Kulturbereich Wirklichkeit ist. Insbesondere die Literatur, das Schreiben und Lesen gehören für viele Bürger zum Alltag dazu. Warum aber gibt es keinen Europäischen Literaturpreis? Oder eher: warum weiß kaum einer, dass bereits mehrere verliehen werden?

Der Europäische Literaturpreis, der Europäische Buchpreis sowie der Literaturpreis Europäischen Union sind drei bereits existierende, von der Öffentlichkeit jedoch wenig beachtete Preise, die in Europa jährlich verliehen werden. Kenner sind überzeugt, das Projekt einer europäischen Kulturpolitik sei somit gescheitert. Dennoch ist es nicht ganz so einfach.

Einige Merkmale hindern den Europäischen Literaturpreis, dessen letzter Preisträger der Este Jaan Kaplinski ist daran, ein europäischer Nobelpreis zu werden. Denn der Preis hat es sich zum Ziel gesetzt, „jeder Kultur in Europa ein Gesicht zu geben“. Ein ambitioniertes Projekt, das allerdings in der regionalen und nationalen Brille bleibt, aber nicht europäisch an sich ist. Und somit in Konkurrenz zu nationalen Preisen tritt. Die Medienpartner des Preises sind größtenteils aus Frankreich, auf europäpischer Ebene gibt es kaum Berichterstattung.

Ähnlich geht es dem Europäischen Buchpreis. Zunächst scheint dieser der optimale Kandidat für einen europäischen Buchpreis. Die Jury ist international besetzt, viele Journalisten sitzen im Komitee. Auch die Preisträger thematisieren durchaus europäische Themen. Das Ziel des Preise ist, „die europäischen Werte zu vertreten und die Europäische Union lebendig werden zu lassen“. Ein Detail bleibt: wer nach einer englischen, deutschen, italienischen, ungarischen oder lettischen Version der Webseite sucht, wird nicht fündig. Wieder scheint der Preis recht franko-zentriert, was dem internationalen Erfolg beträchtlich im Wege steht.

Wenigstens der Literaturpreis der Europäischen Union hat eine mehrsprachige Webseite. Seit 2009 wird er von der Europäischen Kommission vergeben. Textausschnitte der Preisträger werden in ihrer Originalsprache sowie Englisch und Französisch publiziert, die Autoren sind auf der Frankfurter Buchmesse zu Gast und Reisestipendien werden an sie vergeben. Jedes Jahr nehmen ein Drittel der europäischen Länder Teil, und aus jedem wird ein Preisträger ausgezeichnet. Europäisch ist der Preis jedoch auch nur bedingt, denn die Jurys in jedem Land treffen ihre Auswahl national, einer Ebene auf der es jedoch viele konkurrierende Literaturpreise gibt.

Um einen wirklichen europäischen Literaturpreis zu schaffen, der das Potenzial hätte vielbeachtet und diskutiert zu werden, müsste man die drei Preiskonzepte fusionieren. Der Preis sollte erstens vom Europäischen Parlament finanziert werden, um Übersetzungen in die 28 offiziellen Sprachen zu ermöglichen. Zweitens sollten in der Jury Journalisten und Buchhändler aus allen Mitgliedsstaaten sitzen, drittens sollte ein renommierter Schriftsteller das Plenum leiten und viertens zum Ziel haben, ein wahrhaftig europäisches Buch zu prämieren, das den Deutschen Buchpreis, den Prix Goncourt, den Man Booker oder gar den Nobelpreis nicht hätte bekommen können. Ein solcher Preis wäre nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine große Motivation für junge europäische Schriftsteller, über Europa zu schreiben, und für die, die es bereits tun, sichtbarer zu werden.

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