22 Jahre Dissonanz: Die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik

, von  Valerie Lunsmann

22 Jahre Dissonanz: Die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik
Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, trifft sich regelmäßig mit den Befehlshaber der EUFOR, dem zeitlich befristete multinationale Militärverband der EU. Foto: © European Commission/2010

Eine Verstärkte Integration der außen- und sicherheitspolitischen Strategien der einzelnen Mitgliedsstaaten in der EU ist erst seit Beginn der Neunzigerjahre sichtbar. Die Schwierige Lage im Nahen Osten und in Nordafrika offenbaren jedoch tiefe Gräben zwischen den Mitgliedstaaten. Uneinigkeit im Falle Lybiens, ein französischer Alleingang in Mali sowie keine klare Position im bereits zwei Jahre schwelenden Konflikt in Syrien: Die GASP gleicht einer Farce. Damit ist auch die Schaffung einer europäischen Armee in weite Ferne gerückt.

Große Ambitionen

Mit dem Maastrichter Vertrag von 1991 beschlossen die damals zwölf Mitgliedsstaaten der EU eine Verdichtung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Mit dem multinationalen Großverband „Eurocorps“ entstand eine schnell einsetzbare Reaktionstruppe, die für EU- und NATO-Einsätze zur Verfügung steht und auf ad-hoc Basis zusammenkommt.

Doch als der Krieg auf dem Balkan entbrannte, musste die EU die NATO und damit die Unterstützung der USA anfordern. Die eigenen militärischen Kapazitäten reichten nicht aus. Ähnlich desaströs gestaltete sich die GASP in Bezug auf den Irak-Krieg: Deutschland und Frankreich stimmten gegen eine militärische Intervention, Großbritannien, Spanien, Italien sowie Polen dafür. Am Ende verhinderte Frankreich ein UN-Mandat durch sein Veto im Sicherheitsrat, während Großbritannien an der Seite der USA in einen zehn Jahre andauernden Krieg zog. Der Traum einer gemeinsamen Außenpolitik, gar einer eurpäischen Armee nach UN-Vorbild schien geplatzt.

Ein europäischer Außenminister? Nein, danke.

Doch die Lehre aus diesem Debakel war klar: Will Europa eine starke Position in der Welt einnehmen und zur Lösung von Konflikten beitragen, muss es gemeinsam an einem Strang ziehen. So ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Änderungen, des im Jahr 2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon, den Bereich der GASP betreffen. Die Neuerungen schufen den europäischen Auswärtigen Dienst, dem eine Hohe Vertreterin, derzeit Catherine Ashton, vorsteht. Außenministerin darf sie sich aber nicht nennen und in Erscheinung tritt sie auch eher selten. Genau da liegt die Krux der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik: Die europäische Außenpolitik ist so weiterhin maßgeblich von nationalen und innenpolitischen Befindlichkeiten beeinflusst, dass eine Einigkeit utopisch ist.

Tiefe Gräben

So wartete man in Brüssel vergeblich auf einen einheitlichen Kurs der EU als der arabische Frühling wie eine Welle von Tunesien über Libyen und Ägypten nach Syrien schwappte. Die Entscheidung, ob es zu einer Intervention oder einer Flugverbotszone über Libyen kommen sollte, spaltete den augenscheinlich integrierten Kontinenten erneut. Im Falle Malis wartete Frankreich eine etwaige Entscheidung der EU gar nicht erst ab, sondern intervenierte auf eigene Faust im ehemaligen Kolonialgebiet.

Sieht so eine gemeinsame, abgestimmte und vor allem auf Frieden ausgerichtete Außenpolitik aus? Leider nein. Im bereits seit zwei Jahren schwelenden Bürgerkrieg in Syrien hat Europa ebenfalls keine einheitliche Meinung oder Strategie. Frankreich und Großbritannien zeigen gewohnten Aktionismus, doch der Rest der EU-Mitgliedsstaaten bleibt zögerlich. Zwar haben sich einige Staaten dazu durchgerungen, den Gebrauch von Giftgas zu verurteilen, jedoch wird eine mögliche Lösung des Konflikts bisher nicht gemeinsam diskutiert.

Eine Armee für den Friedensnobelpreisträger EU?

In Anbetracht dieser Divergenzen auf der politischen Ebene, gleichen Forderungen nach einer europäischen Armee einer Utopie deren sicherheitspolitischer Mehrwert angesichts des bestehenden NATO-Bündnnisses fragwürdig ist. Trotzdem erscheint eine europäische Armee, die ähnlich wie die Blauhelme der UN agiert, vielen – unter anderem auch Kanzlerin Merkel – als ein erstrebenswertes Langzeitziel, um die Rolle der EU weltweit zu stärken. Auch finanzielle Argumente prechen dafür, denn durch eine gemeinsame Armee mit einheitlicher Ausrüstung könnten nationale Verteidigungsbudgets verkleinert werden.

Doch eine Armee kann nur dann geformt und eingesetzt werden, wenn es einen außenpolitischen Konsens gibt. Noch gibt es so viele verschiedene Panzertypen wie Mitgliedsstaaten innerhalb der EU, eine Kooperation auch auf der Ebene militärischer Ausrüstung kommt nur langsam voran.

Es wird deutlich: Herrscht Uneinigkeit über den Umgang mit und der Wahrung der Souveränität, kann es keine europäische Armee geben. Ihr Einsatz wäre umstritten, und nationale Parlamente stünden vor dem Problem, ihren Bürgern erklären zu müssen, warum ihre Soldaten für etwas ihr Leben riskieren, was die von ihren gewählten Volksvertreter nicht befürworten.

Davon ganz abgesehen: Braucht die EU als Friedensnobelpreisträger eine eigene Armee? Blauhelme existieren bereits auf UN-Ebenem entsprechend obsolet wirkt die Umsetzung des Konzepts einer friedensschaffenden Armee auf europäischer Ebene. Europas Macht fußt nicht auf seiner militärischen Stärke, sondern auf seiner normativen Macht. Diese schwächt Europa aber derzeit selbst, indem es sich als zerrüttetes und uneiniges Gebilde ohne klare außenpolitische Linie zeigt.

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