Der Frauentag ist kein Feiertag

Über den FEMM-Ausschuss, Frauenquote und Gewalt.

, von  Ansgar Skoda

Der Frauentag ist kein Feiertag
Immer noch in der Minderheit: Frauen im Europäischen Parlament ©European Parliament/Pietro Naj-Oleari

Frauen werden in einigen Bereichen immer noch benachteiligt. Im Europäischen Parlament kämpft der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) dagegen an. Ein Artikel über den Ausschuss, das Problem und mögliche Lösungsansätze.

Die gelernte Sozialarbeiterin Azadeh Jafari ist politische Beraterin des Vorsitzes von FEMM. Sie sammelt für den Ausschuss aktuelle News zu Frauenrechten und Gleichstellungsarbeit. „Ich unterstütze die Ausschussvorsitzende, ihre Vertreterinnen und die übrigen Mitglieder des Ausschusses. Wenn aktuelle Infos oder Beratungen zu bestimmten Schwerpunkten benötigt werden, setze ich Abgeordnete auf den neuesten Stand. Ich betreue darüber hinaus bei Wahlen in Plenarsitzungen und Ausschüssen Stimmabgabelisten“, beschreibt Azadeh Jafari ihre Tätigkeit. Sie arbeitete dabei vor allem für die Abgeordnete Eva-Britt Svensson von der Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL). Die schwedische Politikerin Svensson war von 2004 an sieben Jahre lang Abgeordnete im EU-Parlament. Von 2009 bis 2011 hatte sie den Vorsitz von FEMM inne. Im September 2011 verzichtete Svensson aus gesundheitlichen Gründen auf ihren Abgeordnetensitz. Neuer Vorsitzender ist der schwedische Linkspolitiker Mikael Gustafsson. Erstmals seit der Gründung 1984 steht somit ein Mann an der Spitze des Frauen- und Gleichstellungsausschusses.

Enttabuisierung von häuslicher Gewalt

Svensson bekannte öffentlich, dass sie selber lange Zeit Gewaltopfer war. Insgesamt erfahren etwa 20 bis 25% aller Frauen in Europa mindestens einmal in ihrem Leben physische Gewalt, zehn Prozent waren Opfer von Vergewaltigungen. Die Schwedin ermutigt in Interviews immer wieder diese Frauen, ihre Gewalterfahrungen zu thematisieren. Jafari sagt, das Svensson als Initiatorin des EU-Programms ’Say NO to Violence against Women’ für viele Bürgerinnen zudem eine Vorbildfunktion habe. So erhalte die ehemalige Abgeordnete Zuschriften vieler Frauen, in denen diese eigene Gewalterfahrungen schilderten und um Rat beten.

Gleichstellungsarbeit als themenübergreifende Arbeit

Prostitution, Gewalt und die Rechte von Frauen und Kindern ist ein übergreifendes Thema. Aus diesem Grund haben die anderen 19 Ausschüsse im Parlament jeweils einen Vertreter von FEMM mit am Tisch sitzen, der ihre Fragestellungen aus einer übergreifenden Gleichstellungsperspektive betrachtet. „Man kann in allen gesellschaftlichen Bereichen immer auch Gleichstellungsfragen berücksichtigen, wenn man Gleichstellungspolitik fördern möchte“ sagt Jafari. So verdienen Frauen bei gleicher Tätigkeit im Schnitt etwa 18% weniger als Männer. Generell wird in frauendominierten Berufen weniger gezahlt als in männerdominierten. Der wichtigste Bereich von FEMM ist deswegen die Einigungen zur Auflösung des Gender Pay Gaps in der EU voranzutreiben.

Geschlechterquotierung in Führungsebenen

Auch fordert eine Mehrheit von FEMM die europaweite Einführung einer Frauenquote in Führungsetagen. Dort liegt der Anteil an Frauen nämlich bei gerade einmal drei Prozent „Auf der einen Seite sehen wir den Zulauf von Frauen an Universitäten. Trotzdem sind sie in Führungspositionen auf höheren Ebenen in der Minderheit. Frauen müssen stärker in Führungsebenen besetzt werden“, fordert Jafari. Aus diesem Grund sollen durch gesetzliche Maßnahmen bis 2015 dreißig Prozent und bis 2020 vierzig Prozent der Führungsebenen in Unternehmen mit Frauen besetzt werden. „Selbstverständlich sollte die Kompetenz den Ausschlag für die Besetzung von Führungsebenen geben. Doch es kann nicht angehen, dass Frauen oftmals trotz ihrer Kompetenz aufgrund ihres Geschlechts den Job nicht bekommen“, verteidigt Jafari das Instrument der Quotierung.

Frauenquote bei EU-Politikern

Doch selbst im politischen Betrieb gibt es noch einigen Nachholbedarf: So haben in manchen EU-Mitgliedsstaaten nur sehr wenige Frauen eine politischen Führungspositionen inne. Auch im Europäischen Parlament sind weibliche Abgeordnete mit etwa 35% Sitzanteil in der Unterzahl. In den konservativen Parteien gibt es dabei weit aus weniger Frauen, als etwa bei den Grünen oder den Linken. Jafari lobt bei letztgenannten Parteien den „feministischeren Ansatz“, der schon seit der Gründung dieser Parteien einen hohen Wert auf Geschlechtergerechtigkeit lege. Das Problem hat auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, erkannt. Er äußert sich regelmäßig zu Gleichstellungsfragen der EU.

Gleichstellung im Detail

Doch nicht nur im großen Ganzen liegen die Probleme der Gleichstellung, sondern auch im Detail: Im Oktober 2010 legte FEMM einen Gesetzesentwurf zum Elternurlaub im Parlament vor. Die Begriffsänderung von ‚Mutterschaftsurlaub‘ (maternity leave) in ‚Elternurlaub‘ (parental leave) sollte explizit auch Väter im Titel berücksichtigen, um das Gesetz effektiver durchsetzen zu können. Auch Väter sollen vermehrt Urlaub nehmen und Eltern ihren Urlaub teilen können. Das Parlament forderte dabei zwanzig Wochen vollbezahlten Elternurlaub bei Arbeitgebern ein. Der Antrag liegt dem Europäischen Rat vor und wird aktuell noch bearbeitet. Viele Länder sperren sich jedoch gegen den Gesetzesentwurf.

Gleichstellung beginnt im Kinderzimmer

„Anfangen sollte Gleichstellungsarbeit bei der Kindererziehung“, sagt Azadeh Jafari. Soziale Normen sind sehr wichtig für die Geschlechtergerechtigkeit. Gegenwärtig diskutiert FEMM aus diesem Grund unter anderem die Rolle der Medien bei der Geschlechterstereotypisierung und dokumentiert Änderungsvorschläge in Gesetzesentwürfen. Zunächst steht aber der Internationale Frauentag am 8. März 2013 an. FEMM wird sich dann im Rahmen von Info-Veranstaltungen besonders der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und dem Gender Pay Gap widmen.

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