Die JEF Europa versteht dieses Ereignis nicht als ein Ende des Verfassungsprozesses, sondern viel mehr als einen weiteren Schritt auf dem Pfade der Integration, hin zu einer demokratischen, Europäischen Föderation. Der Vertrag von Lissabon führt eine Vielzahl wichtiger Instrumente ein um die EU transparenter, demokratischer und effizienter zu machen. Europa wird jedoch geschickte und kreative Musiker benötigen um die föderalistische Melodie bis zum Ende spielen zu können. Damit die Politiker keine Kakophonie anstimmen sollte JEF weiterhin den Takt vorgeben!
Was sind nun die wichtigsten Veränderungen des Vertrags von Lissabon, welche uns betreffen?
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Wir haben drei gute neue Argumente um den Euroskeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Erstens ist kein Mitgliedsstaat verpflichtet gegen den Willen seiner Bürger in der EU zu bleiben, da die Mitgliedsstaaten das Recht bekommen haben aus der EU austreten zu können. Zweitens haben die nationalen Parlamente nun bis zu acht Wochen Zeit die Gesetzesentwürfe von Europäischer Ebene auf Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip zu prüfen. Drittens muss der Rat die Gesetzgebung nun öffentlich machen, was die Transparenz der Beschlussfassung erhöht.
Rückgang der intergouvernementale Methode?
Auf der institutionellen Seite werden intergouvernementale Prozeduren langsam aber sicher durch föderalistisch inspirierte Mechanismen zur Entscheidungsfindung ersetzt, wovon wir profitieren können. Jedoch gibt es auch hier noch Platz zur Verbesserung.
Erstens wurde der Einsatz des Mitentscheidungsrechtes des Parlaments erhöht und wird zum regulären Legislationsverfahren, was die Position des Europäischen Parlaments stärkt. Föderalisten können daher einfacher zu Reformen, in den Feldern bei denen das Parlament nun zusätzlich mitentscheiden kann, aufrufen: Agrarwirtschaft, Fischerei, Transport, Strukturfonds, das gesamte Haushaltsverfahren und alle Angelegenheiten aus Justiz und Innerem (der ehemaligen dritten Säule).
Zweitens wurde die Qualifizierte Mehrheit (QMV) als Standardquorum im Rat (ab 2014) eingeführt, welche über eine doppelte Mehrheit von 55% der Mitgliedsstaaten und 65% der repräsentierten Bevölkerung definiert wird. Dennoch bleiben bestimmte empfindliche Felder weiterhin der Einstimmigkeit unterworfen: Steuern, Sozialpolitik, Bürgerrechte, Sprachenpolitik und die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Föderalisten sollten daher weiterhin Strategien für mehr Koordination und Harmonisierung dieser Politikfelder anbieten.
Verstärkte Kooperation unter neun oder mehr Staaten wird einfacher und zielorientierter durch die Tatsache, dass diese Kerngruppen mit QMV entscheiden können wo im Rat weiterhin Einstimmigkeit gefordert wäre. Wir müssen daher nicht mehr mit der Frage um ein “Kerneuropa” ringen, welches innerhalb eines neuen Systems, außerhalb des acquis communautaire und mit der lauernden Gefahr der Fragmentierung bestehen würde.
Auf dem Weg zu neuen europäischen Policys
In Bezug auf Policys wurden neue Rechtsgrundlagen geschaffen für Urheberrechte, Sport, Weltraum, Tourismus, Katastrophenschutz, Klimawandel, einer gemeinsamen Immigrationspolitik und einer verstärkten gemeinsamen Energiepolitik (in Bezug auf Sicherheit und Verbindung von Versorgung und Solidarität) worauf wir fortan unsere Anträge fokussieren können. Des Weiteren sollten wir uns mit der Konstruktion und der Aufgabe des neuen Europäischen Auswärtigen Dienstes auseinander setzen, welcher von der Doppelposition von Vizepräsidentin der Kommission und Hoher Repräsentantin koordiniert und durch das EU Budget finanziert wird. Letzteres sichert einen signifikanten Einfluss der MdEPs.
Ebenfalls wichtig hervorzuheben ist, dass es nun ein vereinfachtes Änderungsdurchführungsverfahren für kleinere Änderungen in gemeinsamen inneren Policys gibt. Diese können, bei Einstimmigkeit im Rat, mit der Zustimmung der nationalen Parlamente (unter Konsultierung des Europäischen Parlamentes) geändert werden. Wir sollten auch im Hinterkopf behalten, dass das Europäische Parlament nun eine erweitere Rolle für weitere Vertragsänderungen hat, indem es das Initiativrecht bekommt und an Konvents teilnimmt, welche die Norm für weitere Vertragsänderungen sind.
Nicht zuletzt wird die direkte Partizipation durch die Europäische Bürgerinitiative erweitert. Nachdem eine Million Unterschriften von einer signifikanten Anzahl von Mitgliedsstaaten gesammelt wurden, kann die Kommission dazu aufgefordert werden dem Europäischen Parlament einen Vorschlag zu einem bestimmten Thema zu unterbreiten.
Die neue Kommission sollte erneut der Motor der Union werden
Diese Liste ist nicht lang genug um den föderalistischen Wunsch nach weiterer Integration zu stillen. Trotzdem, dank der Europäischen Bürgerinitiative, gibt es zum ersten Mal in der Geschichte der EU die Möglichkeit für die Bürger Politikfelder in einem Bottom-Up-Ansatz aktiv zu initiieren und zu gestalten, wenn sie sich nach mehr pro-föderalistischen Reformen sehnen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten diese neue Möglichkeit enthusiastisch nutzen, um gemeinsam grenzübergreifende Kampagnen für mehr Integration in bestimmten Politikfeldern order gar nach einem neuen Verfassungskonvent zu fordern.
Die neue Kommission sollte erneut der Motor der Union werden und eine flexible Verordnung erstellen, welche den Europäern erlaubt von der direktdemokratischen Bürgerinitiative zu profitieren. Sie darf nicht zu einem Sekretariat für einen stetig wachsenden Europäischen Rat verkommen. Die Kommission sollte ihre Exekutivmacht mit Ambition und Überzeugung nutzen und sich selbst als Leitinstrument im Europäischen Orchester durchsetzen, indem sie eine Partitur spielt, welche gleichzeitig inspirierend und visionär ist.
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