Ein Land, das selbst den Vertrag von Lissabon noch nicht ratifiziert hat, wird in den nächsten sechs Monaten der Europäischen Union vorstehen. Wir haben eine turbulente Zeit vor uns, die umso mehr eine entscheidungsfähige und handlungsstarke europäische Union fordert. Wie wird Premierminister Mirek Topolanek es schaffen, seine Aufgabe als Ratspräsident zu meistern? Die globale Situation stellt diese tschechische Ratspräsidentschaft vor zahlreiche Herausforderungen.
Die Tschechische Republik folgt Frankreich im ersten Halbjahr 2009 an der Spitze der Europäischen Union. Es gilt 27 Staaten zu koordinieren und den Weg zu gemeinsamen Entscheidungen zu forcieren. Europa steht zu Zeit vor einigen, schwerwiegenden Problemen. Neben der größten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929, dem Einstellen der russischen Gaslieferungen an die Ukraine, die ohnehin nur ein Detail des gespannten Verhältnisses zu Russlands ausmachen, kommt nun auch der furchtbare israelisch-palästinensische Konflikt hinzu.
Die globale Situation stellt die tschechische Ratspräsidentschaft vor vielen Herausforderungen
Nicht außer Acht zu lassen ist ebenso der neue Amerikanische Präsident. Es gilt auch hier die Europäischen Interessen zu vertreten. Ist die Tschechische Republik der Aufgabe gewachsen, als Repräsentantin der Europäischen Union, die Interessen von 27 Staaten gegen Russland und Amerika zu verteidigen?
Gibt es die Bereitschaft des Landes, gemeinsame Aktionen im Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik zu veranlassen wenn die Nachfrage besteht oder kann man sich in diesen Belangen nicht auf die Tschechische Republik verlassen? Wie kann ein Land, das selbst den Euro als gemeinsame Währung noch nicht eingeführt hat, als Stimme nach außen, die Interessen der EU im Kampf gegen die Wirtschaftskrise vertreten? Diese Fragen scheint man sich in allen europäischen Ländern zu stellen und überall fürchtet man sich vor den Antworten.
Die internen Probleme nehmen der tschechischen Ratspräsidentschaft ihren Glanz
Diese Fragen zeigen die Ängste außerhalb des Landes, zusätzlich zu den bereits existierenden, internen Problemen Tschechiens, die ohnehin seltsam genug sind. Wenn Premierminister Topolanek wagte, sich als Pro-Europäer zu zeigen, würde er die Unterstützung jenes Teils seiner Partei verlieren, der bekennender Befürworter des Präsidenten Vaclav Klaus ist. Dies wäre natürlich ein Schritt, der unter eifrigsten Euroskeptikern, aber nur unter ihnen, begrüßt werden würde.
Die politische Landschaft des Landes bleibt gespalten, wenn es um den Vertrag von Lissabon geht. Ein wichtiger Teil der ODS ist gegen seine Ratifizierung. Jener Teil der Partei hatte im Februar M. Topolanek dazu veranlasst, seine Ratifizierung im tschechischen Parlament auf Anfang Februar zu vertagen. Die Übernahme der Ratspräsidentschaft, ohne vorher dieses wichtige Schlüsseldokument unterstützt zu haben, warf der Tschechischen Republik eine Welle von Misstrauen entgegen.
M. Topolanek ist für eine möglichst rasche Abstimmung über den Vertrag von Lissabon und sucht hierfür eine Mehrheit im Parlament. Allerdings versucht er diese Abstimmung an jene zu koppeln, in der es um die Stationierung eines amerikanischen Raketenschildes geht. Seine Partei ist dafür. Dank Verbindung der beiden Abstimmungen, darf man durchaus auf ein positives Ergebnis hoffen.
Vaclac Klaus – Das wirkliche Hindernis für die Annahme des Vertrages von Lissabon
Allerdings ist die parlamentarische Abstimmung nicht der endgültige Schritt zu einer positiven Ratifizierung des Reformvertrages. Die tschechische Verfassung verlangt eine Unterschrift des Präsidenten, die in diesem Falle ein viel größeres Hindernis darstellt, als die Abstimmung im Parlament. Präsident Vaclav Klaus hat bereits verlautbart, den Vertrag nicht zu unterschreiben, zumindest solange nicht, solange Irland ihn nicht unterzeichnet. Geht es nach ihm, ist der Vertrag eine Bedrohung der nationalen Souveränität.
Die euroskeptischen Ideen, um nicht zu sagen, europhoben Gedanken des Präsidenten, werden oft als echte Bedrohung für die Europäische Union angesehen, vor allem während der Ratspräsidentschaft. An und für sich begrenzt sich die Rolle des Präsidenten im politischen System der Tschechischen Republik auf eine repräsentative, er besitzt kein Mandat, man darf aber nicht unterschätzen, welch einflussreiche Position er in seiner Partei hat.
Die Rolle eines Ratspräsidenten ist dennoch dem wahren Chef der Exekutive vorbehalten und das ist niemand weniger als Mirek Topolanek, dessen Euroskeptizismus wirklich gemäßigt ist. Dies betrifft ebenso die Mitglieder der Partei, die im Rahmen der Präsidentschaft tragende Rollen haben, wie z.B. der Minister für Europäische Angelegenheiten, Alexandr Vondra und der Außenminister Karel Schwarzenberg. Alle drei haben Interesse daran, eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft ihres Landes zu gestalten und versuchen ihr Bestes um die EU auf internationalem Niveau mit einer starken Stimme sprechen zu lassen.
Ist die Angst unbegründet, die tschechische Ratspräsidentschaft werde eine Katastrophe?
Es war damit zu rechnen, dass es schwer werden würde, der sehr aktiven und starken, französischen Ratspräsidentschaft das Wasser zu reichen. Man kann allerdings auf das Trio Topolanek, Vondra und Schwarzenberg zählen. Sie versuchen weiterhin europäische Interessen zu vereinen und gemeinsam, so gut es geht, gegen die aktuellen Krisen vorzugehen.
Die Ratifikation des Reformvertrages stellt eine wirkliche Herausforderung dar und das Ergebnis wird maßgeblich zu dem Image der Tschechischen Republik in der EU beitragen.
Man muss sagen, dass aber selbst die Abstimmung des Vertrages von Lissabon die Ratspräsidentschaft nicht zu einer Katastrophe machen wird. Auch ohne scheinheiligen Optimismus kann man durchaus an die Tschechische Republik glauben, denn es liegt absolut in ihrem Interesse die Europäische Union gut weiterzuführen.
1. Am 10. Februar 2009 um 14:22, von Beatrix C. Als Antwort Tschechische Ratspräsidentschaft sollte Einbeziehung der EU-Bürger vorantreiben
Die tschechische Ratspräsidentschaft stellt eine Chance dar, die europäischen Interessen weiter zu vereinen und gemeinsam voran zu treiben. Ein wichtiger Schritt wäre die vermehrte Einbeziehung der EU-Bürger in die politischen Entscheidungen. Die EU Bürger haben laut Paragraph 11.4 des Vertrages von Lissabon die Möglichkeit der direkten Demokratie. Warum wird diese Möglichkeit eigentlich kaum publiziert? Ich sehe darin eine große Chance der politischen Partizipation aller EU Bürger. Sehr interessante Informationen diesbezüglich fand ich auf der Website „We change Europe“.
2. Am 10. Februar 2009 um 15:14, von Guillaume Amigues Als Antwort Tschechische Ratspräsidentschaft sollte Einbeziehung der EU-Bürger vorantreiben
Die direkte Demokratie ist in der Tat eine sehr interessante Option, damit die EU-Bürger in politischer Hinsicht „europäisch“ denken.
Es gibt allerdings noch vielen politischen und institutionellen Hürden : die Möglichkeit der direkten Demokratie allein reicht nicht, man muss es auch tatsächlich, praktisch einsetzen können. Was nicht ganz einfach sein sollte.
Ferner ist es wichtig, dass die EU-Bürger diese Möglichkeit wahrnehmen, und verstehen wie viel Macht sie dadurch ausüben können. In dieser Hinsicht ist meines Erachtens eine Initiative wie We Change Europe von grundsätzlicher Bedeutung. Vielen Dank für den Link!
PS : als Gegenargument zu denjenigen, die Referenda fürchten zeigt des schweizerische Beispiel am Sonntag, dass der Populismus am Ende doch nicht immer gewinnt.
Kommentare verfolgen: |