Es ist ein Comeback, auf das Europa gerne verzichtet hätte: Die Rückkehr von politischen Parteien der extremen Rechten. Man hätte meinen können, dass die historischen Erfahrungen einen so tiefen Eindruck hinterlassen haben, dass solche Kräfte nie mehr eine Rolle in der Politik spielen würden – aber dem ist nicht so. Schweden wachte im September eines Morgens auf und stellte fest, dass 20 neugewählte Mitglieder der extremen Rechten einen Platz im Parlament bekommen hatten. Im vergangenen April gelang der Jobbik Partei ein beunruhigend starker Einzug in das ungarische Parlament (mit 47 Sitzen). Überall gewinnen nationalistische Parteien an Popularität. In vielen europäischen Staaten gelingt es ihnen zunehmend, zweistellige Ergebnisse in nationalen Wahlen zu erzielen.
Die Gründe der Wiedergeburt
Warum kommt es zu diesem erneuten Aufstieg? Erstens hat die Wirtschaftskrise eine bedeutende Rolle dabei gespielt. Die meisten Volkswirtschaften wurden erheblich geschwächt, viele Menschen daraufhin arbeits- und die Politiker der Mitte sprachlos. Zweitens drängt das Thema Integration, und das Scheitern des „multikulturellen Modells“, wie Angela Merkel kürzlich verkündete. Diese zwei Problemfelder haben bei vielen Bürgern Ängste und Sorgen geschürt. Sie sind die beiden Hauptargumente, die von den neuen rechtsextremen Parteien ins Feld geführt werden. Die populistischen Parteien, die jetzt in Europa aufblühen, propagieren eine Wiederbelebung nationaler Ideale, die Schließung der Grenzen und eine autarke Wirtschaft. Diese Forderungen scheinen Ausdruck starken Protests und einer offenen Ablehnung der Gesamtsituation zu sein – wirkliche Reformvorschläge fehlen meist. Kennzeichnend für diese Bewegungen sind Fremdenfeindlichkeit und insbesondere das Schüren von Angst vor dem Islam, auf den ihre Hetze abzielt.
Ein Wandel in der politischen Landschaft Europas
Diese Parteien gewinnen an Bedeutung und verschieben damit die Machtbalance in der europäischen Politik. In manchen Ländern wurden sie bereits in das politische Geschehen integriert. In Italien koaliert Silvio Berlusconi seit einigen Jahren mit der Lega Nord, der sein Innenminister Roberto Maroni angehört. Auch zur dänischen Regierung hat die extreme Rechte Zugang gefunden. In den Niederlanden ist die PVV, eine weitere rechtsextreme Partei, im vergangenen Juni die dritte Kraft geworden, was das Land aufgrund der daraus resultierenden Schwierigkeiten für eine Regierungsbildung mehrere Monate blockierte. Auch in Ländern, in denen derartige Parteien bisher weniger erfolgreich waren, sind sie mehr und mehr in der öffentlichen Debatte präsent. Um dem Problem entgegenzuwirken, haben einige der gemäßigten Rechten begonnen, extreme Positionen in ihr Programm aufzunehmen. Folglich treten nationalistische und bisweilen fremdenfeindliche Ideen in ganz Europa zunehmend in der politischen Öffentlichkeit auf.
Vor etwa einem Jahr stimmten die Schweizer nach einer großen Kontroverse in einem Referendum für ein Verbot des Baus von Minaretten und eine Partei stellte offensichtlich fremdenfeindliche Plakate auf.
In Deutschland sorgte das Buch „Deutschland schafft sich ab“ des SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin für großes Aufsehen. In diesem Text behauptet der Autor, die Muslime würden Deutschland schaden und den durchschnittlichen Intelligenzquotienten der Bevölkerung im Land senken. Diese extremen Behauptungen scheinen nichtsdestotrotz die Menschen zu mobilisieren, denn das Buch wurde ein Bestseller und in Umfragen drückte eine Mehrheit der Deutschen Zustimmung zu dessen Argumentation aus. Obwohl sie Sarrazins Behauptungen verurteilte, ist Angela Merkels schärfer werdende Position zur Immigration teilweise auf den Einfluss dieses Buches zurückzuführen. Sie erklärte die Multikulti-Gesellschaft für tot und forderte Migranten auf, sich besser zu integrieren. Das Thema Immigration, das bis vor kurzem dem Diskurs der extremen Rechten vorbehalten war, scheint es in die breitere Öffentlichkeit geschafft zu haben.
In Frankreich wird das Thema nach der Schaffung des Ministeriums für Immigration und den massenhaften Abschiebungen offen diskutiert. Die Debatte über „nationale Identität“ war ein weiterer Schritt in dieselbe Richtung. In diesem Zusammenhang haben sich viele einiges zu Schulden kommen lassen. Die Ereignisse des vergangenen Sommers, sei es die Rede von Nicolas Sarkozy in Grenoble oder die Maßnahmen zur Ausweisung von Roma, haben kaum jemanden gleichgültig gelassen. Selbst in der UMP, der Partei des Präsidenten, lehnten einige die Ausschweifungen von Sarkozy öffentlich ab. Newsweek nutzte sogar ein Bild von Nicolas Sarkozy für einen provokanten Artikel über den Aufstieg der extremen Rechten in Europa. Diese Überspitzung war zu übertrieben, aber sie regt zum Denken an.
Der Aufstieg der extremen Rechten drängt die traditionellen Mitte-Rechts-Parteien dazu, in ihrer Rhetorik und ihrem Handeln extremer zu werden. Es ist bislang schwer abzuschätzen, ob dies den Machtzuwachs der Rechtsextremen bremsen wird oder ihn noch verstärkt. Abgesehen von dieser Frage, stellt der gegenwärtige Erfolg derartiger Parteien eine reale Bedrohung für ein Europa dar, das auf Grundsätzen wie Religionsfreiheit und offenen Grenzen aufbaut. Wir können nur hoffen, dass Europa geeint und stark genug bleiben wird, um diesen gefährlichen Aufstieg zu bekämpfen.
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