Ein neues Ungarn?

Ein versucht-nüchterner Blick auf die politische Lage in Budapest nach der Wahl.

, von  Niklas Kramer

Ein neues Ungarn?

Vom ungarischen Parlament fällt der Blick auf die gegenüberliegende Fischerbastei. Dazwischen die Donau. Entsprungen im Schwarzwald durchquert der mächtige Fluss das Tal. Es spiegelt sich mystisch der Magyarenhimmel. Europäisch natürlich! Von dort fließt er weiter in das schwarze Meer. Aber was ist eigentlich mit der politischen Kultur? Wo treibt Ungarn hin?

52,8 Prozent der Wähler haben bei den Parlamentswahlen im April für die rechtskonservative Partei Fidesz gestimmt und können nun aufgrund des Wahlsystems mit einer klaren 2/3 Mehrheit regieren. Selbst die rechtsradikale Partei „Jobbik“ (Die Besseren), auf dessen Wahlveranstaltungen gerne auch die rassistischen Schlägertruppen der längst verbotenen ungarische Garde marschieren, haben ganze 17 % der Stimmen bekommen. Bei der weitestgehend frustrierten ungarischen Bevölkerung ist der Erfolg der einen Partei die Schwäche der anderen. Nach dem herben Vertrauensverlust der Sozialisten (MSZP) herrscht nun ein erdrutschartiger Rechtsruck in Ungarn. „Wir werden am Montag in einem neuen Land aufwachen“, sagte der Führer der Fidesz Viktor Orbán gleich nach der Wahl, dessen Rhetorik zuweilen nicht demokratisch klingt. Das langfristige Ziel soll es sein, dass Duopol der Parteien zu überwinden und die Hoheit der Fidezs langfristigzu sichern, rief er seinen Parteianhängern zu.

Was genau ist zu erwarten?

Dies ist das Bild, das in der deutschen Presselandschaft vorzugsweise gemalt worden ist. Lediglich ein Prokrustesbett und Dramatisierung deutscher Medien? Wohl nicht. Vieles scheint im Argen zu liegen in der politischen Kultur in Ungarn. Wenn man bedenkt, dass Ungarn schon im Januar 2011 die europäische Ratspräsidentschaft übernehmen wird, kann der Westeuropäer aber nicht nur mit dem Kopf schütteln. Vielmehr ist die absolute Mehrheit der Fidesz nüchtern zu betrachten. So zielt die Ansage Orbáns nicht auf eine Abschaffung der Demokratie, sondern auf zwei angekündigte Großvorhaben. Erstens solle ein Elitenwechsel stattfinden. Die exkommunistische Vetternschaft müsse durch einen neuen bürgerlichen Aufstieg ersetzt werden. Zweitens fordert der Führer der Fidesz eine Art moralische Wende, weg von einer neoliberalen Illusion hin zu einer neuen identitätsschaffenden Nationalpolitik. Dies geht einher mit Ankündigungen im Wahlkampf, sich nicht mehr unter das Diktat internationaler Finanzinstitute zu werfen.

Wenn man bedenkt, dass Ungarn schon im Januar 2011 die europäische Ratspräsidentschaft übernehmen wird, kann der Westeuropäer aber nicht nur mit dem Kopf schütteln.

Allerdings, entgegen der Rhetorik, wird es hier nicht zu einer enormen innenpolitischen und außenpolitischen Umwälzung kommen. Nach Auffassung des Osteuropa-Experten Kai Olaf Lang der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, wird es dem Leiter des neuen Superministeriums Finanzen und Wirtschaft, Matolcsy, weiterhin um die Finanzstabilisierung gehen. Außenpolitisch würde sich wahrscheinlich gar nichts ändern. Die Ratspräsidentschaft werde man versuchen ohne große Schnitzer hinter sich zu bringen. Erst nach einer Beruhigung des Staatshaushaltes könne es überhaupt zu einem gestalterischen Programm kommen.

Dieses selber ist aber durchaus positiv zu bewerten, und das hat nicht nur etwas mit dem schön klingende Namen zu tun, mit dem auch eines der berühmten Heilbäder in Budapest getauft ist. So enthält der Széchenyi-Plan drei sinnvolle Kernpunkte über Mittelstandspolitik, Tourismusföderung und Politiken der Energieeffizienz. Probleme könnten allerdings auftreten, wenn sich die Fidesz-Partei angesichts harter Sparpolitik bald vom rechtsextremen Rand der Jobbik-Partei bedroht sehen sollte. So könnte man nicht nur geneigt sein, die Stabilisierungspolitik aufzugeben, sondern auch angesichts des bald nahenden 90. Jahrestages des Trianon-Vertrages [1] eine aggressive Stärkungspolitik ungarischer Minderheiten im Ausland zu betreiben. Dies könnte dann zu Spannungen mit den Nachbarstaaten, insbesondere mit der Slowakei, führen.

Anmerkungen

[1So etwas wie der Versailler Vertrag für die Deutschen http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Trianon

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