Extremismus

Eine neue extremistische Partei im Europaparlament

Die europäische extreme Rechte gruppiert sich um den französischen Front National herum

, von  Übersetzt von Thomas Raff, Sophie Gérardin

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Eine neue extremistische Partei im Europaparlament

Vor kurzem hat sich im Europäischen Parlament eine neue Fraktion gebildet: Identität, Souveränität, Tradition (IST). Die Gruppierung wird vom Europaabgeordneten Bruno Gollnisch angeführt, der im Übrigen Mitglied des französischen Front National ist; insgesamt versammelt die Fraktion unter ihrem Dach mehrere Extremisten und Ultranationalisten, die ihre Ablehnung gegenüber dem politischen Europa nicht kaschieren. Ist die Europäische Union in Gefahr? Die Mehrheit der im Parlament vertretenen Parteien haben die Bildung dieser Gruppierung stark kritisiert, deren Wirkung allerdings eingeschränkt bleibt, da sie im Moment lediglich 20 Mann stark ist.

Die offizielle Anerkennung der neuen rechtsextremen Partei Identität, Tradition, Souveränität (ITS) hat im Parlament am 15. Januar stattgefunden. Der Front National, die größte Partei der extremen Rechten in Frankreich, hat sich an die Spitze der Bewegung gesetzt und stellt mit 7 Mitgliedern auch die größte Landesgruppe. An der neuen Gruppe nehmen ebenfalls fünf Abgeordnete der Partei „Großrumänien“, drei Belgier des Vlaams Belang, zwei Italiener aus neofaschistischen Bewegungen – darunter die Enkelin Mussolinis, ein Österreicher der FPÖ, ein Bulgare der ultranationalistischen Partei Ataka und ein britischer Unabhängiger teil. In seiner Einführungsrede ist der Fraktionsvorsitzende Bruno Gollnischeher gemäßigt geblieben. Er befürwortete die Abschaffung der Grenzen zwischen europäischen Staaten, ohne gleichzeitig darauf zu verzichten, das politische Europa scharf zu kritisieren: „wir weisen die aktuelle Bewegung in Richtung eines Superstaates, der bürokratisch und sehr zentralistisch ist, kategorisch zurück.“ [1].

IST bleibt trotz der gemäßigten Töne eine ultranationalistische und antieuropäische Gruppierung, dessen Mitglieder solche Ideen gemein haben wie die Rückkehr zur staatlichen Souveränität, die Bevorzugung des Nationalen, den Einwanderungsstopp, die Weigerung, die Türkei zu integrieren, die Ausbreitung von Traditionen und nationalen Sprachen. Sie möchten, dass die Europäische Union ein Wirtschaftsverbund bleibt, der nichts anderes wäre als ein riesiger Binnenmarkt.

Lange Sondierungsgespräche waren nötig, um die Fraktion zu bilden.

Die Sondierungsgespräche der rechtsextremen Abgeordneten zur gemeinsamen Fraktionsbildung dauerten mehrere Monate. Seit dem Auseinanderfallen der Gruppe Identität/ Demokratie nach dem Ausschluss zweier italienischer Abgeordneterwurde der Front National wieder die unausweichliche Kraft für die Schaffung einer rechten Fraktion. Das einzige Problem bestand darin, dass sie nicht genügend Leute waren. In der Tat braucht man mindestens zwanzig Abgeordnete, die aus fünf verschiedenen Ländern kommen, um eine Fraktion bilden zu können Der Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union am ersten Januar ermöglichte es, diesen beiden Kriterien Genüge zu leisten, denn ihre nationalen extremen Rechten brachten die fehlenden sechs Europaparlamentarier bei.

Die Parteien der Rechtsextremisten in Europa versuchen nicht zum ersten Mal, eine gemeinsame Fraktion zu bilden. 1989 hatte der Anführer des Front National, Jean-Marie Le Pen, es geschafft, die Gruppe der Europäischen Rechten zu bilden. Diese Gruppe hatte aber lediglich fünf Jahre überlebt. Es mag in der Tat paradox erscheinen, dass es Parteien, die darauf ausgerichtet sind, ihre eigenen Nationalgrenzen, ihre Werte und Traditionen zu schützen, die alles Fremde zurückweisen, gelingt, sich zu verständigen und zusammen zu arbeiten. Dieses Paradox erklärt, warum seit 1994 alle Versuche gescheitert sind, eine rechtsextreme Partei auf europäischer Ebene zu konstituieren.

Die verschiedenen Souveränisten selbst haben es auch geschafft, mehrere Gruppierungen zu bilden: Unabhängigkeit und Demokratie zählt 23 Europaskeptiker, Die Union für ein Europa der Nationen 44 und die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken 41.

Der Widerspruch der Demokratie

Aber die Widersprüchlichkeit hört hier nicht auf. Die Europaskeptiker, die völlig gegen eine verstärkte europäische Integration stehen, gewinnen bei jeder Wahl kontinuierlich Sitze hinzu. Sie benutzen die Bühne des europäischen Parlamentes, um an Sichtbarkeit zu gewinnen. Die demokratische Institution des Parlamentes ist das stärkste und sichtbarste Symbol des politischen Europas, da die verschiedenen Verträge ständig ihre gesetzgeberische Handlungsfähigkeit ausgeweitet haben.

Folglich bekämpfen die Mitglieder der IST eine politische Union, die – eben weil sie demokratisch ist – ihnen ermöglicht hat, auf die höchsten Ebenen der Macht vorzudrängen. Sie gibt ihnen heute notwendige materielle Mittel und die Möglichkeit, sich auszudrücken. Dadurch dass sich die Extremisten zur IST zusammengeschlossen haben, haben sie zusätzliche Subventionen und können Änderungsanträge stellen und Resolutionen beantragen.

Dieses Paradoxon existiert auch auf der nationalen Ebene. Solange eine demokratische Partei, sei sie von der extremen Rechten oder von der extremen Linken, das Gesetz respektiert und keine diffamierenden oder rassistischen Reden hält sowie nicht die nationale Sicherheit bedroht, hat sie ein Existenzrecht. Und das Ziel jeder Partei ist es, eines Tages die Macht im Staate zu erlangen. Die Demokratie, sei es auf der nationalen oder auf der europäischen Ebene, akzeptiert also politische Einheiten, die sie im Falle eines Wahlsieges zurückweisen würden. Denn keine der ultranationalistischen Parteien respektiert, was die EU ausmacht, das heißt, Werte wie zwischenstaatliche Solidarität, Respekt von Unterschieden, etc, und das Ideal eines geeinten, offenen und friedlichen Raumes der Prosperität. Frankreich, Belgien, die Niederlande, Österreich, Polen, Slowakei... In den letzten Jahren sind die Mitgliedsstaaten der EU immer zahlreicher, die einen Aufstieg xenophober Parteien erleben, die die Rückbesinnung auf das Eigene befürworten.

Ist die Union bedroht? Es ist noch zu früh, darüber zu urteilen. Die Parlamentarier sind gespalten über die Art, wie sie sich verhalten sollen. In jedem Falle kann niemand die Mitglieder der IST weder daran hindern, im Europaparlament zu sitzen, noch sie zum Schweigen zu bringen. Sie zu entfernen hätte lediglich die Konsequenz, sie zu stigmatisieren; davon könnten sie wiederum Kapital schlagen, indem sie sich als Opfer präsentierten. Das Vorankommen extremistischer Parteien ist ein Zeichen eines wahren Übels in Europa. Es liegt an den europäischen Führungsfiguren, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen und die Spaltungen zu überwinden, um die Ursachen zu bekämpfen. Endlich!

Die Gründungserklärung von Bruno GollnischEuropaabgeordneter und Fraktionsvorsitzender von Identität, Souveränität, Tradition: „Wir, wir wollen, dass die Europäischen Union europäisch bleibt und dass innerhalb dieser Union jede Nation ihre eigene Identität behält. Wir weisen die aktuelle Entwicklung zurück, in Richtung eines bürokratischen und sehr zentralistischen Superstaates zu gehen. Wir sind Anhänger friedlicher Beziehungen mit allen Staaten der Welt, die von gegenseitigem Nutzen geprägt sind. Wir sind für die Abschaffung von Grenzen zwischen europäischen Staaten, wir sind für den freien Verkehr von Waren, Kapital und Personen. Wenn die Union aber für alles offen ist, offen für massive Migrationsströme, die von außerhalb Europas kommen, offen für Importe von Produkten, die unter Dumpingbedingungen von Millionen von Sklaven gefertigt wurden, die unsere Industrie und unsere Landwirtschaft zerstören, dann sind wir energisch dagegen; wir sind für vernünftige Schutzmechanismen.“ France Info, 16. Januar 2007
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Anmerkungen

[1France Info, 16. Januar 2007

Ihr Kommentar
  • Am 20. November 2007 um 20:49, von  pogsun Als Antwort Eine neue extremistische Partei im Europaparlament

    Hallo zusammen,

    ingesamt ein sehr guter Artikel, der, bis auf wenige Ausnahmen, die Gefahr, die von der rechtsextremen Fraktion ausgeht, gut thematisiert.

    Allerdings ist dem Verfasser/Übersetzer ein eklatanter Fehler unterlaufen.

    Die Fraktion heisst ITS, was für „Identität, Tradition, Souveränität“ steht,

    ergo nicht IST Identität, Souveränität, Tradition!!!

    Schöne Grüße

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