Erasmus

Erasmus wird 20

ein europäisches Erfolgsprogramm

, von  Übersetzt von Nina Henkelmann, Dominika Rutkowska

Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [English] [français]

Erasmus wird 20

Erasmus, die Gemeinschaftsaktion des Sokrates-Programms der Europäischen Kommission feiert 2007 ihren 20. Geburtstag. Dieses Programm steht allen 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie der Türkei und den Ländern des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), Island, Schweiz, Liechtenstein und Norwegen, offen.

Erasmus soll durch Förderung der grenzüberschreitenden Kooperation zwischen Hochschulen und der europäischen Mobilität von Studenten und Dozenten die europäische Dimension im Hochschulbereich stärken. Die Schwerpunkte des Programms: lauten Mobilität, Transparenz und Anerkennung von Studienleistungen.

Erasmus – mehr als ein simples Bildungsprogramm

Studenten, die einen Teil ihres Studiums (drei bis neun Monate, ab dem zweiten Studienjahr) an einer ausländischen Universität absolvieren, erhalten ein Mobilitätsstipendium. Der Betrag ist abhängig von Herkunfts- und Zielland. Die Studienleistungen, die im Ausland erworben werden, schreibt die Heimat-Uni dank des ECTS (Europäisches System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen) gut.

Für José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, ist Erasmus heute „weit mehr als ein Bildungsprogramm.". Es geht weit über das hinaus, was man von einer europäischen Aktion im Bildungsbereich erwarten kann.

Erasmus in Zahlen

Seit dem Start des Programms 1987 haben 1,5 Millionen Erasmus-Studenten das Angebot genutzt und sind zum Studieren an eine ausländische Universität gegangen. Auch ich bin eine von ihnen.

Im ersten Erasmus-Jahr nahmen lediglich 3 244 Studenten am Austausch teil. Seitdem sind die Zahlen explosionsartig angestiegen. 2005 haben insgesamt 145 000 Studierende die Möglichkeit eines Studienaufenthalts im europäischen Ausland mit Erasmus wahrgenommen – dies entspricht aber nur einem Prozent der europäischen Studenten. Die Gesamtanzahl der Studierenden, die zwischen 1987 und 2006 vom Erasmus-Programm gefördert wurden, liegt bei 1,5 Millionen. Derzeit haben neun von zehn europäischen Hochschulen Partnerschaften mit ausländischen Einrichtungen.

Wie sieht die Aufteilung nach Geschlechtern aus? Frauen zeigen sich deutlich mobiler... Im Universitätsjahr 2000/2001 lag der Anteil von Studentinnen mit 59% über dem ihrer männlichen Kommilitonen (41%). Heute sprechen die Statistiker von bereits 60% Studentinnen.

Laut Daten des Jahres 2004/2005 nutzen vor allem Deutsche (22 427 Studenten) und Franzosen (21 562 Studenten) die Möglichkeit zum Studium im europäischen Ausland. Die Gesamtbilanz ergibt folgendes Bild: insgesamt haben bereits 217 000 Franzosen von Erasmus profitiert, gefolgt von den deutschen (216 000), spanischen (191 000), italienischen (157 000) und britischen (143 000) Teilnehmern.

Die Studenten zieht es vor allem in die Sonne. Die Statistiken von 2004/2005 bestätigen, dass Spanien die meisten Studenten angelockt hat (25 500 Personen). Im Anschluss daran Frankreich mit 20 5000 Erasmus-Stipendiaten. Unter den TOP 20 der Gastuniversitäten finden sich 13 spanische Einrichtungen! In der Rangliste sind ebenfalls drei italienische Unis, zwei deutsche, eine österreichische und eine schwedische [1].

Die Zukunftsprobleme von Erasmus

Vor allem auf zwei Gebieten gilt es Hürden aus dem Weg zu räumen:

 Das erste Problem betrifft ausschließlich den universitären Ablauf: Studentischen Erfahrungsberichten zu Folge kommt es zum Teil zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung des Auslandsaufenthaltes durch die Heimat-Uni, vor allem an rechtswissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten, aber nicht nur dort. Es gibt auch Studenten, die ganz gewissenhaft studieren und nicht ins Ausland gehen wollen – aus Angst vor administrativen Problemen, die sie bei ihrer Rückkehr erwarten. Was ist das Problem? Oft stellt sich das Problem der Gleichwertigkeit von Studienleistungen da an der Gast-Uni nicht die gleichen Lehrveranstaltungen wie zu Hause angeboten werden und die Professoren in einigen Fällen bei der Rückkehr Prüfungen verlangen, um die Leistungen aus dem Ausland anrechnen zu können. Daher wird Erasmus oftmals als ein Programm zum… Reisen angesehen. „Auf jeden Fall wartet die Arbeit, wenn man wieder zurückkommt.“ Dies ist aber nicht der Sinn des Programms.

 Das zweite Problem betrifft vor allem die Politiken der Europäischen Union und der anderen Länder, die an Erasmus teilnehmen. Es geht um die Finanzierung. Das Budget muss aufgestockt werden. Zum Erasmus-Studium ins Ausland zu gehen, ist für die finanziell schwache Bevölkerung sehr schwierig. Vor der Abreise muss gespart oder müssen die Eltern um Unterstützung gebeten werden. Oder man arbeitet während des Aufenthaltes im Gastland. Eltern können aber nicht immer helfen, vor allem den Studierenden, die noch nicht in der Eurozone leben und für die das Leben im Ausland oft teurer ist als im eigenen Land. Wer kann sich vorstellen, mit 350 Euro im Monat in Paris zu leben? Das ist mir passiert und es war eines der höchsten Stipendien unter den Erasmus-Studenten, die ich 2004/2005 kennen lernen durfte.

Für den Zeitraum 2000 bis 2006 standen dem Sokrates/Erasmus-Programm 950 Millionen Euro zur Verfügung. Ist das ausreichend im Verhältnis zur Anzahl der Studenten, die teilnehmen möchten? Die Kommission selbst gesteht, dass die Stipendien zu gering ausfallen, um den Studenten, die aus finanziell schwachem Umfeld kommen, einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen. Die Studenten, die sich für das Erasmus-Programm interessieren, wissen das am besten.

Was ist das Ziel der Europäischen Kommission? Es besteht darin, die Zahl auf drei Millionen Studenten bis 2012 zu steigern. Kann ihr dies gelingen? Um dieses Vorhaben zu realisieren, muss mehr Geld her. Es ist Aufgabe der einzelnen Staaten, ihren Finanzanteil zu erhöhen. Angesichts der europäischen Integration sollte es jedem Studenten – auch dem, der aus einer kleinen Stadt kommt und zum ersten Mal ins Ausland geht – ermöglicht werden, sein Auslandssemester oder -jahr in der Universitätsstadt seiner Wahl absolvieren zu können. Und dort in Würde überleben können, nicht mit 100 bis 300 Euro in einer extrem teuren Stadt. Eine Erhöhung des Budgets würde den Studenten erlauben voll und ganz von ihrem Aufenthalt zu profitieren und sich nicht wegen Geldmangels ausgeschlossen zu fühlen.

Für eine solche Entscheidung kann Europa nicht einfach nur auf den guten Willen der Mitgliedstaaten zählen. Die Legitimität für eine solche Entscheidung muss von einer wirklich politischen Europäischen Union kommen. Die europäischen Bürger fordern dieses Programm. Damit es sich weiter entwickeln kann, genügt es nicht, die europäischen Institutionen zu einer Geste aufzufordern.

Übersetzt aus dem Französischen von Nina Henkelmann, Mitglied der JEF-Saarland

Anmerkungen

[1Auf dem ersten Platz ist die Universidad de Granada, zweite ist die Universidad Complutense de Madrid und an dritter Stelle steht die Universidad de València (Quelle: „Memo 06/466“ abrufbar auf der Internetseite der Europäischen Kommission).

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