Europa baut sich seinen eigenen IWF und hofft auf Stabilität

Gläubigerbeteiligungen werden nur begrenzt möglich

, von  Niklas Kramer

Europa baut sich seinen eigenen IWF und hofft auf Stabilität
Rettet der Europäische Stabilitätsmechanismus die Eurozone? Bearbeitetes Photo von Stéfan, bestimmte Rechte vorbehalten

Als Antwort auf die Eurokrise schaffen die EU-Mitgliedstaaten auf dem heutigen Gipfeltreffen einen dauerhaften Krisenmechanismus. 700 Milliarden Euro werden als Kapitalbasis zu Verfügung gestellt. Dies wird zu Stabilität des Euros beitragen, wenngleich Fehlanreize nicht auszuschließen sind. Vor allem kommt es darauf an, dass Insolvenzen im Bereich des Möglichen liegen. Der Vorwurf, Deutschland wolle sich so ein Kerneuropa aufbauen, ist irreführend.

Heute ist es soweit. Europa baut sich seinen eigenen IWF. Die genauen finanziellen Schlüssel sind noch umstritten [1], das Gesamtpaket steht aber soweit [2]. Der neue sogenannte Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), wird den alten provisorisch errichteten Hilfsmechanismus (EFSF) ab Mitte 2013 ersetzen. Durch eine Änderung des Vertrages soll dieser auf eine legitimierte Basis gestellt werden. Gleichzeitig ist mit dem Rücktritt des Premierministers Socrates gestern Abend bereits Portugal als ein weiterer Kandidat für den Rettungsschirm ausgemacht [3].

Warum wir neben finanziellen Hilfen auch ein Insolvenzverfahren brauchen

Der neue Euro-Krisenfond setzt auf eine Unterscheidung zwischen Ländern, die Finanzspritzen bekommen dürfen und Ländern, die in die Insolvenz gehen sollten: Denn einerseits können durchaus einmal finanzielle Engpässe auftreten, die eine sofortige Beteiligung der Gläubiger ungerechtfertigt erscheinen lassen (Bspw. sind Irland und Spanien nicht mit Griechenland zu vergleichen). Hier wäre es ein Zeichen europäischer Solidarität den entsprechenden Mitgliedstaaten kurzfristig zu helfen.

Andererseits können Situationen auftreten, in denen aufgrund tieferer und struktureller Probleme Umschuldungen der bessere Ausweg sind. Warum? Nun, erstens sind Insolvenzverfahren bereits aus ökonomischen Gründen sinnvoll, wenn sie helfen, unsichere Zeiten zu überbrücken und dauerhafte Kapitalabflüsse an das Ausland verhindern. Dass Konsolidierungsbemühungen bei gleichzeitiger Schuldentilgung ohnehin an ihre Grenzen stoßen, zeigt bereits sehr schön der gestrige Rücktritt des portugiesischen Premierministers Socrates, der sein Sparprogramm nicht durch das Parlament bekommen hat und dessen Regierung weitestgehend handlungsunfähig geworden ist.

Insolvenzen geschehen dann meist durch sinnvolle Gläubigerbeteiligungen etwa in Form von auszuhandelnden Forderungsabschlägen (hair-cuts) oder Verlängerungen der Laufzeiten der Anleihen. Staatliche Insolvenzen sind ohnehin anders als im Zivilrecht: Es geht hier nicht darum, möglichst viel für die Gläubiger herauszuschlagen, sondern gerade darum, den Staat wieder liquide zu machen. Manch einer spricht daher auch von Resolvenzverfahren [4]. Planloses Bankrottgehen führt hingegen nur dazu, dass am Ende alle, sowohl das hoch verschuldetet Land, als auch die Gläubiger, verlieren.

Zweitens würden dauerhafte und unkontrollierte Finanzhilfen auch die Akzeptanz des Euros und der EU bei den Bürgern nachhaltig überstrapazieren (und wären auch ein klarer Rechtsbruch!). Wenn private Risikogeschäfte und Verluste dauerhaft sozialisiert werden, dann stellt das die Grundpfeiler jeder sozialen Marktwirtschaft in Frage. Immer lauter werdende Forderungen nach einen Plan B für Griechenland sind daher auch kein deutscher Versuch ein Kerneuropa aufzubauen, sondern Zeichen europäischer Vernunft!

Staatliche Insolvenzen sind nicht einfach

Die Krux liegt dann natürlich in der Unterscheidung zwischen jenen Ländern, die lediglich illiquide sind und denjenigen die in Insolvenzgehen müssen. Hierbei handelt es sich um eine schon beim IWF angewandte sogenannte Schuldentragbarkeitsanalyse. Dass die hierbei entwickelten Indikatoren jedoch schwierig anzuwenden sind, zeigen bereits die Erfahrungen des IWFs selber. So wurde in keinem Fall die Gewährung von IWF-Krediten von vorherigen Umschuldungen abhängig gemacht, vielmehr kam es hierzu immer erst dann, wenn vorherige Hilfsversuche spektakulär gescheitert waren [5]. Auch unterscheiden sich staatliche Insolvenzen von den zivilrechtlichen Verfahren dadurch, dass sie hoch politisiert sind. Die aus demokratischen Gesichtspunkten wohl notwendige Einbeziehung des Rates kann zu einer Dynamik führen, indem die Regierungen letztendlich eine Insolvenz nie durchführen werden, da dieses als ein Offenbarungseid der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wahrgenommen werden würde. Die Nachverhandlung der Zinsen in Irland [6] und die wohl kommenden Hilfen für Portugal geben einen Vorgeschmack auf eine solche politische Dynamik.

Fehlanreize können nicht ganz verhindert werden. Gleichwohl ein Mehr an Stabilität.

Das eben Geschilderte zeigt, dass das Schlaraffenland für Risikoinvestoren nicht unbedingt zu Ende geht [7]. Nicht nur sind Insolvenzen weiterhin eher unwahrscheinlich, auch können die Gläubiger über die Einführung sogenannter collective-action-clauses – da auf vertraglicher Basis - erst für neue Anleihen ab 2013 mit einbezogen werden. Zu Recht gefordert wird daher, den ESM zusätzlich durch eine Regulierung der Finanzmärkte zu unterstützen. So müssten Banken Staatsanleihen vermehrt mit Eigenkapital unterlegen, was sich bis dato in Grenzen gehalten hat [8].

Gleichwohl werden zumindest die Mitgliedstaaten nicht allzu sehr auf die Gelder im Rettungsfond schielen und eine solide Haushaltspolitik betreiben. So wird die Vergabe von Finanzhilfen an strenge wirtschafts- und finanzpolitische Auflagen gekoppelt, ganz zu schweigen von dem damit verbundenen Reputationsverlust. Zudem hat Merkel die Klausel durchgesetzt, dass Kredite nur vergeben werden können, wenn diese nötig sind, „die Finanzstabilität des Euro-Raums als Ganzes“ zu sichern. Man wird insgesamt daher hoffen können, dass der ESM zu einem Mehr an Stabilität beiträgt.

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