Europa und seine Frauen

, von  Arnaud Huc, übersetzt von Franziska Simon

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Europa und seine Frauen
Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, ist immer noch eine Ausnahme. Denn Chefsessel werden in der EU meist von Männern besetzt. © Europäische Kommission

Einer von zwei Europäern ist eine Frau - hinter dieser banalen Aussage verbirgt sich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Auch wenn Frauen seit dem 20. Jahrhundert in einem großen Teil der Europäischen Union die gleichen Rechte wie Männer erhalten haben, ist die faktische Gleichstellung noch lange nicht erreicht. Die Unterschiede existieren nicht nur innerhalb der Staatengemeinschaft und der Wirtschaft. Es scheint, dass die Europäische Union sich nicht tief gehend genug mit der Gleichstellungsfrage auseinandersetzt.

Die „faktische Gleichheit“ variiert von Mitgliedstaaten zu Mitgliedstaat

Was einem hinsichtlich der Europäischen Union ins Auge sticht, ist die Tatsache, dass beispielsweise in zwei benachbarten Ländern mit der sogenannten Frauenfrage beinahe diametral entgegengesetzt zueinander umgegangen wird: Das Recht auf Abtreibung ist in Deutschland existent, in Polen hingegen nur nach Vergewaltigungen erlaubt. Des Weiteren sind die deutschen Frauen viel besser in die Arbeitswelt integriert als ihre polnischen Nachbarinnen. So gehen mehr als zwei Drittel aller deutschen Frauen einem Beruf nach, was in Polen noch lange nicht der Fall ist. In der gesamten EU bewegt sich die Beschäftigungsquote von Frauen zwischen 73,2 und 36,9 Prozent.

Hinter diesen Beispiel verbirgt sich das Herzstück des Problems: Einige Mitgliedstaaten haben überaus fortschrittliche Gleichstellungsgesetze erlassen, wie zum Beispiel Spanien, Schweden oder Finnland. In anderen Ländern wie Ungarn oder Polen widmet man sich der Gleichheit von Mann und Frau erst seit kurzem. Die faktische Gleichheit ist in diesen Ländern somit noch lange nicht erreicht.

Wirtschaftliche Gleichstellung - Fehlanzeige

So wie sich der gesetzliche Rahmen unterscheidet, so variiert auch die Gleichstellung im Beruf von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Im Großen und Ganzen hat der Anteil von Frauen im Arbeitsleben und in der Politik zugenommen. Beispielsweise gab es im Jahr 2007 in der 13. Französischen Legislaturperiode insgesamt 107 Parlamentarierinnen, fünf Jahre später waren es bereits 155. Dies ist immer noch weit von einer Gleichheit entfernt (demnach müssten 288 Frauen im Parlament sitzen), auch wenn die positive Entwicklung nicht zu missachten ist. Im Europäischen Parlament liegt der Anteil der Frauen bei 31 Prozent.

Auch im Bereich der Wirtschaft sieht es mit der Gleichstellung nicht viel besser aus : Im Jahr 2005 haben im europaweiten Durchschnitt Frauen 15 Prozent weniger verdient als Männer. Seit 1995 bedeutet das lediglich eine Verbesserung um 2 Prozent. Der Anteil an Frauen in Führungspositionen liegt durchschnittlich bei 30 Prozent.

Die Europäische Union als Vorreiter?

Dabei schreibt Artikel 23 der Charta der Grundrecht der Europäischen Union vor, dass die "Gleichheit von Frauen und Männern (..) in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen“ ist. Weiter heißt es: „Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.“

Was man aus diesem Artikel herauslesen kann, ist die Tatsache, dass der Europäischen Union die Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt bewusst ist. Doch wird die Gleichstellung gerade durch die unterschiedliche Gesetzgebungen in den Mitgliedsstaaten ausgebremst. Zahlreiche unterschiedliche Gesetze zum Thema Gleichberechtigung in der EU helfen nicht weiter. Die Verordnungen sind zu wenig aufeinander abgestimmt, was die Gleichstellung von Mann und Frau zu einem langen Prozess werden lässt. Das gilt es zu ändern.

Es gibt noch viel zu tun – nicht nur innerhalb der Gesetzgebung. Auch muss ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattfinden, was nur durch Bildung und den Kampf gegen Stereotype geschehen kann.

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