Integration, Europäischer Erfolg aber afrikanischer Misserfolg : warum ?

, von  Übersetzt von Emilie Valleix und Hanna Gieffers, Andrew D. Bishop

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Integration, Europäischer Erfolg aber afrikanischer Misserfolg : warum ?

Oft sagt man, dass Afrika ein verlorener Kontinent ist, aus dem man nichts außer ein paar Diamanten und Öl herausbekommt. Die Berichterstatter denunzieren oft vorschnell nur die ökonomischen und politischen Schwächen des Kontinents. Aber wenige nehmen sich wirklich die Zeit die angeprangerten Probleme auch zu verstehen und zu erklären.

Afrika und Europa haben ihre Integrationsprozesse etwa zur gleichen Zeit angefangen: die erste Welle 1951 und 1957 und die zweite Welle 1963. Sie haben beide nach den gleichen Zielen für ihre Bevölkerung gestrebt: Wohlstand, Frieden und sozialpolitische Rechte.

Ein halbes Jahrhundert später erkennt man allerdings, dass die Europäer in allen Bereichen große Fortschritte gemacht haben, was jedoch nicht für die Afrikaner gilt. Es geht sogar soweit, dass dieser Erfolgsunterschied in den Augen vieler Beobachter normal geworden zu sein scheint.

Jedoch gibt es nichts Normales daran zu erkennen.

Warum also hat Afrika es nicht geschafft, dem harmonischen Integrationsmodel, welches auf europäischer Ebene in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgelebt wurde zu folgen?

Ein wirtschaftliches Auseinanderbrechen...

Ein erster Erklärungsversuch wäre, dass der stärkere wirtschaftliche Regionalismus es der europäischen Gemeinschaft erlaubt hat ein größeres Gewicht auf internationaler Ebene zu spielen. Für Afrika war diese Möglichkeit nicht gegeben. Im Grunde genommen war Afrika nicht nur durch den Post- und Neokolonialismus verwüstet, sondern der ganze Kontinent war auch auf wirtschaftlicher Ebene zersplittert. Das hat sich sogar so weit fortgesetzt, dass man heute auf dem Kontinent nicht eine Wirtschaftsunion vorfindet, sondern 13 verschiedene.

Außerdem hat Afrika zwar enorme Geldsummen im Laufe der Jahre bekommen, jedoch hat es nie von einer so umfassenden Initiative und Strukturförderung wie dem Marshall Plan profitieren können, was zum Beispiel für einige Länder im Osten Europas der Fall war. Ganz im Gegenteil musste Afrika sogar lange Zeit als Versuchskaninchen für verschiedene Politiken der Entwicklungshilfe herhalten, die alle genauso instabil wie erfolglos waren.

...und andauernde regionale Gewaltkonflikte...

Ein weiteres düsteres Beispiel für den Mangel an Integration in Afrika sind die fast ständigen Gewaltausbrüche auf dem afrikanischen Kontinent, die im klaren Kontrast zur „Sicherheitsgemeinschaft“ stehen, welche die Europäische Union geworden ist, und in der Kriege nicht nur verschwunden sind sondern auch fast unvorstellbar geworden sind.

Die Ursache dieses Unterschiedes ist zumindest teilweise die koloniale Politik der Rassenunterscheidung und der Einteilung der Grenzen in Afrika, welche die afrikanischen Länder jedoch auf nach ihrer Unabhängigkeit 1964 beibehalten haben, um die Stabilität zu bewahren.

Das Problem ist, dass diese Entscheidung, welche von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAE) getroffen wurde, dazu geführt hat, dass viele afrikanische Führer sich vorschnell zu viel Souveränität zugesprochen haben und sich auch heute meist nur darauf beschränken friedensbewahrende post-hoc Interventionen durchzuführen, anstatt sich einer Einmischung unter Gleichen zu unterziehen.

Auch, wenn die große und weit verbreitete Angst einer regionalen Hegemonie –(ausgehend von Südafrika, Nigeria oder Ethiopien) zum Teil eine Erklärung für diese Herangehensweise an die Sicherheitspolitik ist, versteht man auch, dass das Fehlen einer äußeren Gefahr - wie es zum Beispiel die Rote Armee zur Zeit des kalten Krieges in Europa gewesen ist - die Bemühungen zur Entwicklung einer gemeinsamen Militärstrategie in Afrika bebremst hat.

...verhindern den kontinentalen Zusammenhalt

Man muss jedoch erkennen, dass in diesem Kontext der afrikanische Integrationsprozess im Gegensatz zum Prozess innerhalb der Europäischen Union in den letzten Jahren leider weder den Respekt von individuellen Rechten, noch die supranationale Verständigung der Demokratie noch die regionale Ausweitung von „Soft Power“ herbeigeführt hat.

Als erstes muss man natürlich auch bedenken, dass die Förderung des Respekts der Menschenrechte egal in welchem regionalen Kontext sich meistens als schwierig gestaltet. Auch in Europa war dies ein komplexer und langsamer Prozess. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, trotz seiner internationalen Anerkennung, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMRG) in Europa auch dafür bekannt, dass die Mitgliedsstaaten seinen Entscheidungen nicht genügend Respekt zollen.

Aus diesem Grund spielt der europäische Gerichtshof, dessen Kompetenzen am Anfang nur bei wirtschaftlichen Auseinandersetzungen lagen, nun auch eine große Rolle im Bereich der Menschenrechte. Dank seiner Entscheidungen hat der Gerichtshof in den letzten 30 Jahren große Erfolge bei der Verteidigung der Frauenrechte, der Arbeiterrechte, und der Immigrantenrechte zu verbuchen. Und das alles, ohne einen expliziten Handlungsauftrag für diese Bereiche zu haben. Die Mitgliedsstaaten der EU haben sich nämlich daran gewöhnt, alle Entscheidungen des Gerichtshofes zu respektieren, was dazu geführt hat, dass sie auch die Entscheidungen bezüglich der Menschenrechte akzeptiert haben, was den großen Unterschied zu den Entscheidungen des EMRGs ausmacht.

In Afrika war dies nie der Fall. Der afrikanische Menschengerichtshof ist nicht nur erst vor relativ kurzer Zeit gegründet worden (2004), sondern hat auch wie sein europäisches Pendant Schwierigkeiten von den afrikanischen Staatschefs respektiert zu werden. In diesem Kontext wird gehofft, dass der Afrikanische Menschengerichtshof mit dem Afrikanischen Gerichtshof in Symbiose arbeitet, sowie es auch in Europa der Fall war.

Alles in allem stellte sich der gefräßige Appetit der afrikanischen Herrscher nach Land als größtes „Handicap“ für die Integrationsambitionen dar

Was die Gründung einer supranationalen Demokratiestruktur auf kontinentalem Niveau nach dem Model des deutschen Philosophen Jürgen Habermas angeht, sind die Hoffnungen doch eher gering, gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass auch auf nationalem Niveau in weiten Teilen Afrikas oft demokratische Prinzipien nicht eingehalten werden. So ist es keine Überraschung, dass angesichts der wenig erfolgssversprechenden intergouvernementalen Zusammenarbeit der Afrikanischen Union (AU), der erhoffte Schneeballeffekt, vom Sitz der Afrikanischen Union in Addis-Abeba ausgehend in die kleinsten und entlegensten afrikanischen Dörfer bist jetzt ausgeblieben ist.

Im Endeffekt ist eine der bedeutendsten Erklärungen für die Schwäche der afrikanischen Integration ohne Zweifel die Entscheidung der Mitgliedsstaaten der OAE und auch der AU nicht das durchaus nützliche Prinzip der Konditionalität anzuwenden, welches als diplomatisches Belohnungs- und Bestrafungssystem für neue Mitgliedsstaaten hätte dienen können. Die OAE hat sich ganz im Gegenteil dafür entschieden, seit seiner Entstehung eine sehr lockere Beitrittspolitik zu betreiben, die für alle afrikanischen Länder offen ist. Dies hat dazu geführt, dass sie sich nicht wie die EU zu einem maßgebenden ’Imperium" verwandeln konnte.

Alles in allem stellte sich der gefräßige Appetit der afrikanischen Herrscher nach Land als größtes „Handicap“ für Afrikas Integrationsambitionen heraus.

Ein nötiger Wendepunkt

Jean Monnet hat eines Tages erklärt, dass „die Menschen Veränderungen nur akzeptieren, wenn sie notwendig sind, und diese Notwendigkeit sehen sie nur in Krisensituationen.“ Das Problem ist, dass Afrika seit Jahrzehnten mit dieser Notwendigkeit Veränderungen zu schaffen und Krisen zu meistern konfrontiert ist. Und trotzdem wurden bisher nur wenige Veränderungen vorgenommen, die aber durchaus notwendig sind.

Einige führen nun das Argument an, dass das Hauptziel der OAE nicht der Integration eines kompletten Kontinents liegt, sondern vielmehr darin liegt, den frisch neu entstandenen Staaten ein gewisses Gefühl des Zusammenhalts gegen den Kolonialismus zu geben. So betrachtet hat der Integrationsprozess in Afrika erst 2002 mit der Gründung der Afrikanischen Union angefangen.

Andere fügen hinzu, dass es für die afrikanischen Staaten durchaus schwierig gewesen sei, in nur innerhalb 50 Jahren gleichzeitig neue Staaten aus dem Boden zu stampfen und eine ehrgeizige supranationale Institution zu erschaffen, wo doch die Europäer selbst mehr als 80 Jahre gebraucht haben, um dies - teilweise - so zu erreichen.

Heutzutage ist jedoch die kontinentale Integration eine Ambition, die viele afrikanische Völker und Herrscher haben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie noch die meisten wenn nicht alle oben genannten Hindernisse überwinden.

Bild: Karte der holländischen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent.

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