Was ist passiert?
Journalisten der britischen Zeitung Sunday Times haben drei Mitglieder des Europäischen Parlaments getroffen und sich als Politikberater dargestellt. Sie hätten Kunden, die Interesse an Gesetzesänderungen haben, zeigten aufgezeichnete Gespräche auf Youtube (Die Videos wurden dort inzwischen entfernt, sind auf dem Blog von Mihai Polițeanu allerdings noch einsehbar).
Dies ist an sich nicht außerordentlich oder schockierend. Es ist das Prinzip der Politikberatung, dass Verbände, Unternehmen oder Vereine eine Firma bezahlen, die die Institutionen gut genug kennt um Informationen über den Zustand politischer Debatte zu liefern und ggf. außerparlamentarische Vorschläge zur Änderung der Gesetzesentwürfe zu machen. Nicht jede Vereinigung oder Firma kann es sich leisten, ein Büro in Brüssel zu haben, das über die aktuelle Politik der EU-Institutionen informiert.
Die drei Abgeordnete akzeptierten, die Änderungsanträge zu unterstützen – jedoch nicht aus Überzeugung, sondern gegen Geld. Alles lief ganz offiziell: Die drei MEP wollten als Politikberater bezahlt werden, für 12.000 bis 100.000 Euro. Diese Arbeit und Durchsetzung der Anträge wurde als Politikberatung verbucht und bezahlt.
Was ist daran schlimm?
Dass Abgeordnete bezahlt werden bzw. sich bezahlen lassen, um Gesetze zu ändern, ist an sich nichts Neues. Solche Fälle gibt es seit Jahrzehnten in jeder Demokratie [1]. Es widerspricht allen Geboten der Transparenz und Chancengleichheit, wenn Abgeordnete auch als Politikberater arbeiten, sei es kostenlos oder noch schlimmer, gegen eine Vergütung. Denn dann haben nicht alle Bürger oder Gruppen der Zivilgesellschaft die Chance, ihre Meinung äußern und die Gesetzgebung beeinflussen zu können.
Besonders ist das Gespräch mit dem Europaparlamentarier und ehemaligen österreichischen Bundesinnenminister Ernst Strasser aufschlussreich, weil er sich ganz deutlich als Politikberater versteht. Dies wäre an sich völlig in Ordnung wenn er kein Mandat mehr hätte, schließlich ist er als ehemaliger Amtsträger dafür auch sehr qualifiziert. Heikel ist jedoch, dass er sein Amt als Mitglied des Europäischen Parlaments nur als Sprungbett für seine Karriere versteht. Dies zeigt, wie das Europäische Parlament bei manchen Politikern der nationalen Regierungen verstanden wird: Als eine bloße Etappe in einer Karriere.
Strasser betont auch ganz deutlich, dass er die Identität der Kunden nicht veröffentlichen will. Dies ist auch schlimm und gegen das Gebot der Transparenz. Denn jeder soll in der Lage sein, zu wissen, wer hinter welche Änderungsanträge steht.
Was können wir daraus lernen?
Die Reaktion der betroffenen Fraktionen – EVP [2] und S&D [3] – haben sofort reagiert und die drei MEP gezwungen, ihr Amt niederzulegen. Dass eine solche Handlung nicht toleriert wird und das nicht einmal auf die Erklärung der drei Betroffenen gewartet wurde, ist ein positives Signal. Damit wird der Schaden in Sache Glaubwürdigkeit begrenzt. Es lässt sich fragen, ob ein solches Verfahren irgend woanders zu sehen wäre. Nirgendwo als im Europäischen Parlament ist die Registrierung und Identifizierung so streng, was Strasser selbst als Problem vor den Journalisten betrachtet. Aus diesem Skandal können wir lernen, dass es klare Regeln gibt, die gut funktionieren und deren Einhaltung streng von der Fraktionsspitzen überwacht werden.
Martin Schulz (SPD und S&D) fordert Fraktionsmitglied Severin zum Rücktritt auf.
Selbstverständlich wird der Fall auch benutzt, um eine populistische anti-Brüssel Kampagne mit reißerischen Titeln wie „Korruptes Brüssel – Politiker ändern Gesetze für Geld“ [4] zu machen. Das jedoch, war auch nicht anders zu erwarten.
1. Am 23. März 2011 um 21:35, von Lars Becker Als Antwort Korruptionsskandal im Europäischen Parlament
Lieber Stéphane, ganz so positiv würde ich das nicht sehen. Denn das was dort lief sind klare Fälle von Bestechlichkeit. Deshalb reicht es m.E. auch nicht aus, wenn zwei Betroffene einfach ihr Mandat niederlegen und der dritte lediglich aus der Fraktion gedrängt wird. Derartiges Verhalten sollte strafbewährt sein und zu schmerzhaften Sanktionen führen. Insofern hoffe ich, dass Buzek Ankündigungen nicht nur solche bleiben, sondern tatsächlich die Einführung neuer Sanktionsinstrumente die Folge ist.
2. Am 25. März 2011 um 16:25, von Stéphane Als Antwort Korruptionsskandal im Europäischen Parlament
Lieber Lars,
Eine Frage zu deinem letzten Satz: Welche neue Instrumente? Ich bin völlig dafür, dass Strafverfahren eingeleitet werden. Jedoch ist es die Aufgabe der Justiz und nicht des EPs. Deswegen kann ich schwer sehen, was für neue Instrumente ganz konkret zu schaffen sind.
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