Mehr Vertrauen: Wie die Bürger wieder zu Europa finden

Vier Maßnahmen, die das Vertrauen zurückgewinnen könnten.

, von  Jan Roessel

Mehr Vertrauen: Wie die Bürger wieder zu Europa finden
Die Europäer müssen sich gegenseitig und der EU wieder vertrauen können. Photo: Bestimmte Rechte vorbehalten von Nomadic Lass.

Europa beherrscht die Schlagzeilen, die Wahlen in anderen EU-Staaten werden aufmerksam verfolgt, Europapolitik ist zunehmend auch in der Wahrnehmung der Menschen Innenpolitik – eigentlich eine Situation, die mit Blick auf die Kritik einer fehlenden europäischen Öffentlichkeit (die freilich die Realität immer weniger trifft) optimistisch stimmen müsste.

Von der Schuldenkrise zur Vertrauenskrise

Die Ursachen der andauernden Krise sind jedoch noch nicht behoben. Blickt man auf die Ergebnisse der Wahlen in Griechenland, scheint die Unsicherheit größer als zuvor. Dabei hat die EU einige Maßnahmen getroffen, und wo dies bisher nicht gelang – Stichwort Finanztransaktionssteuer – sind die Verantwortlichen nicht in den supranationalen Institutionen zu finden. Vergessen wird zudem oft, dass es sich ihrer Entstehung nach nicht um eine Krise der EU handelt. Die Institutionen funktionieren. Jedoch hat sich die Schuldenkrise zu einer Vertrauenskrise der Bürger in die EU entwickelt. Wir im Europäischen Informationszentrum Jean Monnet Berlin beobachten in unserer politischen Bildungsarbeit ein diffuses Unbehagen: Die Bürger fragen sich zunehmend, wie es um die Lösung der drängenden Probleme zwischen Schuldenkrise, Wettbewerbsfähigkeit, globaler Konkurrenz, sozialer Gerechtigkeit und Demographie steht. Wie kann das Vertrauen in Europa wiederhergestellt werden, dass diese Probleme gelöst werden?

Wie das Vertrauen gewonnen werden kann

Zunächst müssen die beschlossenen wirtschaftspolitischen Instrumente umgesetzt werden. Der Fiskalpakt stellt einen wichtigen Schritt dar, wenn er auch die intergouvernementale Säule stärkt und die Stärkung der Gemeinschaftsmethode angezeigt wäre. Er ist jedoch nicht vollständig, sondern sollte durch eine Wachstumskomponente ergänzt werden. So können etwa die bestehenden Strukturfonds konsequenter genutzt werden. In Griechenland, aber auch anderswo, werden diese Mittel auch deshalb nur unzureichend abgerufen, weil der hohe Anteil der Kofinanzierung eine Hürde darstellt. Durch eine übergangsweise Änderung der Förderregeln werden wichtige Investitionen erleichtert. Ansätze gibt es bereits mit dem Vorschlag von Risikoteilungsinstrumenten. Auch eine Stärkung der Rolle der Europäischen Investitionsbank kann Impulse setzen.

Dazu benötigen wir eine stärkere europapolitische Öffentlichkeitsarbeit. Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer, aber auch für Journalisten müssen weiter verstärkt werden. Institutionelle Förderung von Einrichtungen der europapolitischen Bildungsarbeit findet jedoch kaum noch statt. An deren Stelle ist die kurzfristigere projektbasierte Förderung getreten. Europa sollte uns aber auch dann etwas wert sein, wenn es um politische Bildung geht. Oder sollte Andrew Moravcsik Recht haben, der eine mangelnde öffentliche Mobilisierung daran festmacht, dass die EU nur über einen relativ geringen Haushalt verfügt, der zudem trotz wachsender Aufgaben weitgehend eingefroren ist? Vielleicht sollte die unpopuläre Debatte über eine eigene Einnahmequelle der EU wieder belebt werden.

Notwendige Schritte zur Behebung der Vertrauenskrise reichen über Maßnahmen einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung hinaus. Die Legitimation steigernde Instrumente müssen hinzutreten. Die politische Debatte muss weiter europäisiert werden, wobei der Duff-Bericht – ein Schritt in Richtung europäischer Listen bei den Europawahlen – den Weg weist. Freilich ist es nur ein erster Schritt. Gleiches gilt für die Europäische Bürgerinitiative (EBI) – ein wichtiger Schritt, immerhin das erste Instrument transnationaler direkter Demokratie – aber auch ein erster Schritt.

Zwar ist der Start der EBI ein großer Erfolg, bedenkt man, dass diese Konstruktion im Konvent seinerzeit sehr umstritten war. Wenn die Hürden umschifft sind und eine Initiative eingereicht werden kann, folgt jedoch der Schwachpunkt dieses Instruments – die schwache Verbindlichkeit. Eine EBI sollte automatisch in ein reguläres Verfahren mit Votum des Parlaments führen – sofern das Parlament zusätzlich das Initiativrecht erhält. Geht man davon aus, dass überwiegend größere Organisationen über die nötigen Ressourcen verfügen, eine EBI erfolgreich zu platzieren, wäre nicht mit einer großen Flut zu rechnen.

Neben der wirtschaftspolitischen und – in der Perspektive – sozialpolitischen Koordinierung sowie der Stärkung des demokratischen Prinzips muss die EU auch auf einem weiteren Feld beweisen, dass sie Reformen umsetzen kann. Dies ist der Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Europa kann es sich schlicht nicht leisten, stehen zu bleiben, wenn es Gehör finden will. Von einer Stimme auf der Weltbühne kann noch immer keine Rede sein, wie speziell der Fall Libyen zeigte.

Monnet oder Fischer?

Welche Methode führt nun zu einer Lösung der Vertrauenskrise? Reform der interinstitutionellen Zusammenarbeit oder konzertierte Aktion? Monnet oder Fischer? Schon Hegel wusste, was aus These und Antithese folgt – die Synthese. Wir brauchen schlichtweg beides, das eine geht nicht ohne das andere. Eine Diskussion über einen Konvent oder eine institutionelle Neuordnung erscheint derzeit unangebracht. Was wir jedoch am wenigsten brauchen ist das Aufkochen von Ressentiments oder Renationalisierung in Zeiten ökonomischer Verteilungskonflikte.

Es erscheint als Binsenweisheit, dass die europäische Integration ihrer Gründungsidee nach zuerst ein Friedensprojekt war. Dies ist darum aber nicht minder wahr, genau wie die Renaissance von Ressentiments nicht dazu führt, dass diese richtiger werden. Die EU ist mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. Wer die zugrunde liegenden Werte der Grundrechts-Charta, etwa die Freizügigkeit, infragestellt, wer so Populismen fördert, legt die Axt an das Grundgerüst der Union.

Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten Treffpunkt Europa, Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich der europäischen Integration als Antwort auf die Krise und ist auf der JEF-Webseite kostenlos erhältlich. Treffpunkt Europa online veröffentlicht drei Artikel aus dem gedruckten Heft.

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