Mit der Scottish National Party ist kein Europa zu machen!

, von  Stefan Kunath

Mit der Scottish National Party ist kein Europa zu machen!
Schotte auf Rad Quelle: Flickr, Autor: Joe Mabel

Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Regionalismus. Europaweit lange Zeit relativ unbeachtet, sind plötzlich die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen, Flamen und Schotten in aller Munde. 2014 wird das Referendum über die schottische Unabhängigkeit stattfinden. Das hat auch die Diskussion darüber befeuert, ob man einem unabhängigen Schottland etwas Positives für die europäische Integration abgewinnen könnte. Ich möchte ganz klar sagen: Nein!

Europa ist Silber, Schottland ist Gold

Die Scottish National Party (SNP) ist die treibende Kraft hinter der Unabhängigkeitsbestrebung Schottlands. Ihr Verhältnis zur europäischen Integration ist hierbei höchst ambivalent: In den 60er und 70er Jahren verstand sie das Projekt Europa als eine neue Form zentralisierter Macht zu Ungunsten der Schotten. Die damalige EWG einerseits und Großbritannien andererseits wurden insoweit als identisch wahrgenommen, als dass beide Schottland souveräne Entscheidungskompetenzen vorenthielten.

Zum klaren Bekenntnis für die europäische Integration kam es dann Ende der 1980er Jahre. Das damalige Problem der SNP war, dass sie die schottische Wählerschaft nicht davon überzeugen konnte, sich klar für die Loslösung Schottlands von Großbritannien auszusprechen, obwohl durchaus ein Teil dem Gedanken der Unabhängigkeit zugeneigt war. Dieser hatte jedoch die Befürchtung, dass das Verlassen des Vereinigten Königreichs einen ökonomischen Abstieg zur Folge gehabt hätte. Die SNP reagierte darauf mit der Strategie eines unabhängigen Schottlands in einem geeinten Europa: Schottland – so die Argumentation der SNP – würde trotz eigener Souveränität Teil des gemeinsamen Marktes mit England, Wales, Nordirland und den restlichen EG/EU-Staaten bleiben. Demzufolge würden auch Wirtschaft und Handel keinen Schaden davontragen, Arbeitsplätze könnten gesichert und die Mobilität der schottischen Bürger innerhalb der EG/EU garantiert werden. Die Unabhängigkeit sei demzufolge im Rahmen einer EG/EU-Mitgliedschaft ein durchaus machbarer Weg. Die SNP verstand Europa also nur als ein Werkzeug zur Durchsetzung einer nationalen Agenda.

Die folgenden Wahlerfolge, die Rekonstituierung des schottischen Parlamentes 1999 und die Erlangung der absoluten Mehrheit in diesem Hause 2011 gaben dieser Strategie recht. Doch was bleibt noch von Europa übrig? Statt partikulare Interessen für die europäische Zusammenarbeit zurückzustecken, rückte ab Mitte der 2000er Jahre für die SNP das Ziel in den Mittelpunkt, mithilfe einer eigenen Souveränität bestimmte Politikbereiche direkt für Schottland in der EU zu verhandeln.

Dies betraf insbesondere die Fischerei-, Währungs- und Ressourcenpolitik. Eigene Wirtschaftsvorteile und Machtquellen sollten gegenüber der EU gesichert sein, wenn Schottland eines Tages die Unabhängigkeit erreicht. Ein föderales Europa kam der SNP überhaupt nicht in den Sinn. Der SNP-Abgeordnete im schottischen Parlament David Thompson fasste dies 2009 simpel zusammen: „What we have to watch in Europe is that Europe does not turn into some sort of super-state, so the individual states have to keep a lot of their own powers and not allow Europe to become a sort of United States of Europe.“ Europa war also nur solange interessant, wie es für die SNP nützlich war – und soll schon gar nicht stärker als die eigene Nation werden.

Grenzen überwinden statt neue schaffen!

Gerade in der aktuellen ökonomischen Krise zeigt das schottische Beispiel so eindrucksvoll die Dialektik der europäischen Regionalpolitik: Das von der EU verfolgte Ziel einer Schwächung der Nationalstaaten durch die Förderung der Regionen mündete nicht in die Überwindung eben jener, sondern droht nun stattdessen zur Entstehung weiterer neuer Nationalstaaten wie etwa Schottlands beizutragen. Dieser zwar noch zu schaffende Staat hat dann keinen anderen Zweck, als lediglich als Bollwerk gegen London und Brüssel zu fungieren. Im Nationalismus der SNP sind also antibritisches und antieuropäisches Ressentiment zugleich vereint, denn sowohl Großbritannien als auch die EU werden mit den negativen Konsequenzen der Integration, insbesondere mit den sozialen Verwerfungen der ökonomischen Krise, verbunden.

Und das ist der entscheidende Kritikpunkt: Die SNP verkennt die Tatsache, dass kapitalistische Vergesellschaftung nicht vor nationalen Grenzen halt macht und auch nicht an bestimmten Nationen festgeschrieben werden kann. Anstatt die Vereinigten Staaten von Europa zu bilden, damit ein Souverän im Sinne Karl Marx‘ als ideeller Gesamtkapitalist auftritt, der Steuern erhebt, interveniert und reglementiert, besinnt sich die SNP zurück auf Scholle, Kilt und Dudelsack, obwohl doch ein souveränes Schottland in einem schwachen, konföderalen Europa in einer globalisierten Welt keine substantielle politische Gestaltungskraft hinzugewinnen würde. Darauf zu verweisen wäre das Mindeste, wenn man es ernst meint mit einem vereinten Europa. Aus föderalistischer Sicht ist ein unabhängiges Schottland überflüssig, denn ein vereintes Europa wird nicht dadurch erreicht werden, neue Grenzen zu ziehen, sondern alte zu überwinden.

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