Rote Karte an die CSU

, von  Stéphane du Boispéan

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Rote Karte an die CSU

Mit ihrer Haltung im Bundestag hat die CSU den Ratifizierungsprozess gefährdet, die Grundlage der europäischen Integration in Frage gestellt und sich als anti-föderaliste Partei profiliert.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni zum Vertrag von Lissabon sollte ein neues Begleitgesetz verabschiedet werden, in dem die Rechte des Bundestages gestärkt werden müssen. Diese Möglichkeit hat die CSU genutzt, um sich als europaskeptike Partei zu profilieren. Sie betonte in Ihrer Interpretation des Urteils, dass die deutschen Behörden ein Recht hätten, Elemente des EU-Vertrags zu prüfen und ggf. abzulehnen.

Eine Gefahr für die europäische Integration

Im Vorschlag der CSU [1] sollte das Bundesverfassungsgericht ermächtigt werden, die Kompetenz der EU zu prüfen und ggf. Rechtsakte abzulehnen. Dies heißt nicht weniger, als dass die deutschen nationalen Organe die Kompetenz erhalten sollten, das EU-Recht zu prüfen und eventuell ein Veto gegen Entscheidungen aus Brüssel einzulegen.

Natürlich muss die Identität der Mitgliedstaaten respektiert werden. Natürlich muss jeder Staat, in diesem Fall die Bundesrepublik, das EU-Recht (hier die Lissabon Verträge) nach den Maßgaben der in seiner Verfassung vorgesehenen Verfahren umsetzen. Natürlich spielt das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle, indem es sagen muss, wie das Verhältnis von deutschem Grundgesetz und EU Recht auszugestalten ist.

Doch es muss klar gesagt werden, dass das deutsche Recht, und auch das deutsche Grundgesetz, unter den europäischen Verträgen stehen. Falls es einen Konflikt gibt, muss das Grundgesetz und nicht den Vertrag geändert werden. Dies ist die Grundlage der europäischen Integration: die EU ist keine UNO, sondern eine eigene rechtliche Ordnung, die autonom existiert, direkt anwendbar ist, und Vorrang über die nationalen Rechtsordnungen hat. Dies wurde mehrmals vom Europäischen Gerichtshof gesagt ( das erste Mal schon 1964 im Urteil Costa) und mit Blick auf Deutschland im Jahre 2000, als im Urteil Tanja Kreil klar zum Ausdruck kam, dass das europäische Recht sogar das Grundgesetz brechen kann (in diesem Fall sollte das Grundgesetz geändert werden).

Wer meint, die nationale Verfassung stehe über dem europäischen Recht, stellt die Grundlage der europäischen Integration in Frage, und kann auf keinen Fall behaupten, er sei ein Unterstützer der Idee eines gemeinsamen Europas.

Die Stärkung der Rechte des deutschen Parlamentes ist keine EU-Sache

Zu den Prinzipien des Föderalismus, der seit dem Anfang der Europäischen Gemeinschaften die einzige Grundlage der europäischen Integration ist, gehört aber auch, dass die Mitgliedstaaten ihre eigene Identität haben, und sich selbst autonom organisieren dürfen. Dies betrifft insbesondere ihr politisches System. Wie die Positionen Deutschlands vorbereitet werden, wer von der Bundesregierung konsultiert werden muss, ob es mehr Transparenz oder mehr Effizienz geben muss, ist den anderen Europäern einfach egal. Ob der Bundesrat auch ein Vetorecht für die Brückenklausel erhalten muss, ist eine interne deutsche Angelegenheit und muss von den Deutschen selbst geklärt werden. Die Debatte hat aber die CSU bewusst benutzt, um den Ratifizierungsverfahren zu blockieren. Bis zu den letzten Tagen vor der Abstimmung haben die Abgeordneten aus Bayern damit gedroht, die Fortsetzung der europäischen Integration zu stoppen. Es ging aber nicht um inhaltliche Argumente, wie etwa bei DIE LINKE. Diese vertritt ihre eigene Auffassung der europäischen Integration und verteidigt diese vehement. Sie ist damit glaubwürdig gegenüber den Bürgern geblieben. Vor einem Jahr hatte die CSU zum Vertrag noch zugestimmt. Damals gab es aber kein Wahlkampf…

Diese Instrumentalisierung von den EU-Institutionen, um sich innerparteilich in einem nationalen Wahlkampf zu profilieren, ist ein Zeichen von Demagogie und Populismus.

Die CSU hält die deutschen Interessen für wichtiger als die Interessen Europas

Der Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag Peter Ramsauer hat es klar gesagt: der CSU geht es um die deutschen Interessen, nicht um die Interessen der EU und ihrer Fortsetzung. [2] Dies zeigt, dass die Partei vor allem die EU-Entscheidungen als eine reine Durchsetzung von nationalen Egoismus versteht, und die EU als eine bloße internationale Organisation, wie die UNO, die man ignorieren sollte, solange sie den eigenen Interessen (hier der CSU) nicht mehr folgt. Das ist einfach Europafeindlichkeit, genau wie damals die Verweigerung von Frankreich unter De Gaulle, an die Sitzungen des Rates teilzunehmen, bis die anderen Mitgliedstaaten den egoistischen Willen von seinem Land akzeptierten.

Die CSU spielt mit der europäischen Integration, und instrumentalisiert das Verfahren zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrages, um sich intern in einer Wahlkampagne zu profilieren. Sie stellt eine wichtige Grundlage der EU in Frage, und hält weiter am Mustern des Nationalstaates, wie im XIX. Jahrhundert. Dafür hat sie eine rote Karte verdient.

Der Autor bedankt sich bei Maurice Müller.

Bild: Rote Karte, Joenwil Quelle: flickr

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