Schwedens Idylle streikt

, von  Laura Zwerger

Schwedens Idylle streikt
In den Vororten Stockholms steckten Jugendliche in den vergangenen Wochen Autos und Schulen in Brand. Die Krawalle haben sich zwar gelegt, doch die Probleme bleiben. Foto: © Gustav Nyberg: „Nyårsbrand“, http://www.jugendfotos.de/media/96133-ny-rsbrand. Creative Common-Lizenz CC-BY-NC: http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de

Brennende Schulen, zerstörte Autos, Straßenkämpfe zwischen Polizei und Jugendlichen: Das Image des einstigen Musterlands Schweden bröckelt in den vergangenen Wochen immer mehr. Die Gründe für die Krawalle in den Vororten liegen bei einer verfehlten Migrationspolitik und einer Jugendarbeitslosigkeit, die neue Rekordwerte erreicht hat.

Schweden galt in der westlichen Welt als der Wohlfahrtsstaat schlechthin, welcher seinen Bürgern ein gutes Gesundheitssystem, umfassende Rentenvorsorge und ausreichend Arbeitsplätze bieten kann. Bilder von wutverzerrten Grimassen, fliegenden Steinen und lodernden Flammen in den vergangenen Wochen zeigen eine Seite des Landes, wie wir sie noch nicht kannten. Jugendarbeitslosigkeit, Migrationspolitik und soziale Spannungen bilden eine explosive Mischung:Mehr Menschen einen Arbeitsplatz beschaffen, dass ist nach Aussagen des schwedischen Finanzministers Anders Borg eine der Hauptaufgaben der Politik.

Die momentane Situation unterstreicht die Dringlichkeit: Zwar liegt die Arbeitslosenrate der gesamten Bevölkerung bei 8,4 Prozent und damit unter dem europaweiten Durchschnitt von 10,9 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit erreichte jedoch neue Rekordwerte. Laut einer Statistik der EU-Behörde Eurostat ist die Arbeitslosenquote bei jungen Erwachsenen unter 25 Jahren im Vergleich zum Vorjahr um knapp drei Prozent auf 25,1 Prozent im März 2013 gestiegen. Damit sind 295.426 Personen in dieser Altersgruppe arbeitslos, um die 65 Prozent davon suchen eine Vollzeitbeschäftigung. Dass die Jugendarbeitslosigkeit über dem europaweiten Durchschnitt von 23,5 Prozent liegt - in Deutschland sind es 7,6 Prozent - hängt unter anderem mit der hohen Immigrationsrate zusammen. Laut einer Studie der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter sind rund 35 Prozent der jungen Migranten arbeitslos.

Ansturm von Flüchtlingen

Vor allem in den Vororten der schwedischen Städte führte die hohe Arbeitslosigkeit unter ausländischen Bürgern zu sozialen Konflikten. Im vergangenen Monat wurden Autos und Schulen in Brand gesetzt, Polizisten und Rettungskräfte angegriffen. Besonders der Stockholmer Stadtteil Husby ist davon betroffen. Als Auslöser wird der Tod eines 69-Jährigen Mannes durch einen Polizisten vermutet. Angeblich erschoss dieser den Migranten aus Portugal in Notwehr, die Anwohner sehen darin jedoch rassistische Motive. Verschärft wird die Lage durch die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Um den Anstieg der Erwerbslosigkeit bei unter 25-Jährigen nachvollziehen zu können, muss man auf die Immigrationspolitik des Landes schauen: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges benötigte Schweden Arbeiter von außerhalb, um die Wirtschaft wieder aufzubauen und anzukurbeln. In den späten 1950er Jahren wurde Schweden zusätzlich Anlaufstelle für politische Flüchtlinge – zwanzig Jahre später stieg die Zahl der Migranten nochmals an.

Mittlerweile haben Regierungsangaben zu Folge 15 Prozent der schwedischen Bevölkerung ihre Wurzeln im Ausland, auch weil die Geburtenrate von Migrantinnen höher ist als die der Einheimischen. Zwar wirkt diese Entwicklung einer alternden Gesellschaft entgegen, doch ist das soziale System Schwedens noch nicht auf die steigende Zahl Jugendlicher eingestellt. Neben Mängeln im Bildungswesen ist vor allem der Arbeitsmarkt auf Grund der Wirtschaftskrise davon betroffen.

Im vergangenen Jahr verdoppelte sich zusätzlich die Zahl der Asylbewerber auf 43.900 Diese kommen vor allem aus Syrien, Somalia und Afghanistan. Die Problematik der wachsenden Flüchtlingsströme steht schon länger im Diskurs: Vor allem die lockeren Einreisebestimmungen für Bürger aus Balkanstaaten, welche hauptsächlich in den Jahren der Balkankriege in den 1990er Jahren nach Schweden flohen, werden von den Einheimischen kritisiert.

Verfehlte Immigrationspolitik

Die Regierungsmaßnahmen zur Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt sind nach Untersuchungen des Arbeitsamtes gescheitert. Sprachunterricht, Fortbildungen und Coaching sollten die Chancen der Arbeitssuchenden erhöhen, letztendlich haben aber nur zwei Prozent der 1.700 Teilnehmer einen Job gefunden, zwölf Prozent sind in staatlichen Einrichtungen untergekommen.

Weitere Kritik in Bezug auf die Arbeitsmarktchancen für junge Schweden kommt auch von Seiten des schwedischen Rechnungshofes: Jugendliche würden von den Arbeitsämtern bei der Jobsuche nicht ausreichend unterstützt. Eine Ressourcenumverteilung sei notwendig, um sich vorrangig diesem Problem widmen zu können. Die Betreuer hätten viel zu wenig Kontakt zu Arbeitgebern, welcher aber für eine Verbesserung der Berufseinstiegschancen für junge Menschen nötig wäre. Auch dauert die Vermittlung an potentielle Arbeitgeber zu lange. Angeles Bermudez-Svankvist, Generaldirektorin der Arbeitsbehörde, wies diese Vorwürfe zurück.

Aufwind für rechte Partei

Mittlerweile haben sich die Krawalle in den Vororten gelegt, wie viel Zeit in die Lösung der Arbeitsmarktproblematik und in die der sozialen Konflikte investiert werden muss, ist unklar. Auswirkungen auf die Gesellschaft sind jedoch jetzt schon zu erkennen: Immer mehr Schweden stehen einer multiethnischen Gesellschaft kritisch gegenüber. Vermehrt liebäugeln sie mit den rechten Schweden-Demokraten. Bisher hatte die Partei kaum Rückhalt in der Bevölkerung, bei den vergangenen Parlamentswahlen 2010 erreichten sie knapp sechs Prozent. Doch mit ihrem Anti-Immigrations-Programm gewinnen sie an Unterstützung. Die Partei vertritt die Auffassung, dass zu viele Immigranten aufgenommen werden, was die Einheit und den Wohlstand der Nation gefährde.

Dieser Entwicklung gilt es nun entgegenzuwirken, vor allem aber muss eine Entspannung der Arbeitsmarktproblematik erreicht werden, um wieder neutraleren Boden für weitere Veränderungen zu schaffen. Die Regierung kündigte an, Plätze in Bildungsprojekten und Bewerbungstrainings zu schaffen. Auch soll die Infrastruktur ausgebaut werden, um die regionale Wirtschaft anzukurbeln. Diese Maßnahmen sollen die Arbeitssituation in Schweden verbessern.

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