Strafzölle für China - Protektionismus made in EU?

, von  Martin Wachter

Strafzölle für China - Protektionismus made in EU?
EU-Handelskommissar Karel De Gucht verhängte Anfang des Monats Strafzölle gegen Solarpanel aus China. Protektionismus sieht er darin aber nicht. Foto: © European Union 2012

Mit der Verhängung von Strafzöllen auf chinesische Solarmodule hat sich die EU- Kommission über die Bedenken zahlreicher Mitgliedsstaaten hinweggesetzt. Während die europäischen Regierungen weiter über den richtigen Weg streiten, droht Peking bereits mit Gegenmaßnahmen. Ursprünglich als Demonstration europäischer Stärke gedacht, geht EU-Handelskommissar Karel De Gucht nun geschwächt in die Verhandlungen. War es das wirklich wert?

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird Karel De Gucht deutlich: „Die chinesischen Hersteller verkaufen ihre Module zu Dumpingpreisen in Europa, also müssen wir handeln.“ Die Vorwürfe des Protektionismus lässt er dabei nicht gelten, schließlich wolle er nur faire Rahmenbedingungen für die Branche herstellen.

Dem Gespräch ging die Entscheidung der EU-Kommission vom 4. Juni voraus, vorläufige Antidumpingzölle auf Solarpaneele aus der Volksrepublik zu verhängen. Diese werden bis August in Höhe von 11,8 Prozent auf die Solarmodule erhoben und steigen für maximal vier weitere Monate auf die Höhe von 47,6 Prozent an. Wenn der Handelskonflikt bis zu diesem Zeitpunkt nicht beigelegt ist, entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten über die Verhängung eines dauerhaften Strafzolls.

Die europäische Solarindustrie kämpft um ihre Zukunft

Den Argumenten der Kommission widerspricht bei dieser Entscheidung kaum einer. Die chinesische Solarbranche genießt durch zahlreiche Subventionen große Vorteile gegenüber der europäischen Konkurrenz. Dieser Wettbewerbsvorteil schlägt sich auch in Zahlen nieder: Im Jahr 2011 hat China für 21 Milliarden Euro Solarpaneele nach Europa exportiert, die mittlerweile 80 Prozent des hiesigen Marktes bedienen. Laut EU-Kommission verfügt alleine die Volksrepublik über Produktionskapazitäten, die 150 Prozent der Nachfrage weltweit abdecken könnten.

Angesichts dieser Zahlen kann es nicht verwundern, dass auf dem Markt ein Preiskampf ausgebrochen ist, der bereits zahlreiche Opfer forderte. So beantragte im April letzten Jahres der deutsche Solarproduzent und ehemalige Weltmarktführer Q-Cells Insolvenz. Auch der Technologieriese Bosch verkündete zuletzt, seine Solarsparte abstoßen zu wollen. Im Anti-Dumping-Verfahren stehen Schätzungen zufolge europaweit weitere 25.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Angesichts der prekären Lage der einstigen Zukunftsbranche scheint die Kommission allen Grund gehabt zu haben, die Strafzölle zu verhängen. Zudem haben die USA einen solchen Schritt bereits unternommen, was die Abhängigkeit der Volksrepublik vom europäischen Markt erhöht und deren Verhandlungsposition schwächt. Ein gutes Verhandlungsergebnis würde beweisen, dass das krisengebeutelte Europa der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt weiterhin die Stirn bieten kann. Dies wäre auch ein positives Signal für die anstehenden Anti-Dumping-Verhandlungen über andere Wirtschaftsbereiche.

Jedoch scheinen diese Argumente die deutsche Bundesregierung nicht zu überzeugen. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hält das Verhalten für „einen schweren Fehler“ und lehnt das Anti-Dumping-Verfahren klar ab. Diese deutliche Kritik aus dem Kernland der europäischen Solarindustrie mag angesichts der auf dem Spiel stehenden Arbeitsplätze überraschen – sie hat dennoch gute Gründe.

Solarpaneele sind keine Hochtechnologie

Zentral für das Verständnis der deutschen Position ist der schlichte Fakt: Solarpaneele sind keine Hochtechnologie. Gerne verweisen die Befürworter der Strafzölle darauf, dass Europa bei der Erforschung der Umwelttechnik nicht ins Hintertreffen geraten dürfe. In Sachen Effizienz besteht bereits heute kein Unterschied mehr zwischen den Produkten aus Fernost und Deutschland. Da bahnbrechende Innovationen bislang nicht absehbar sind, wird zumindest in naher Zukunft der Kampf um Marktanteile über den Preis entschieden werden. Diesen würde Europa angesichts der niedrigen chinesischen Lohnkosten auch ohne eine Subventionierung verlieren.

Die Annahme, dass 25.000 Jobs durch die Strafzölle erhalten blieben, ist in der Form nicht haltbar. Vielmehr trifft ein Rückgang der chinesischen Importe auch europäische Hersteller, die Vorprodukte und Produktionsanlagen ins Reich der Mitte exportieren. Sollte sich der Handelskonflikt zudem auf weitere Branchen ausweiten, stehen weitaus mehr Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das von China angekündigte Anti-Dumping-Verfahren gegen EU-Wein mag als Nadelstich gegen Frankreich und Italien zu werten sein. Sollten jedoch europäische Produktionsanlagen oder Fahrzeuge mit Strafzöllen belegt werden, wäre die Wirkung verheerend. So verkauft Volkswagen jedes dritte Auto in China. Ein massiver Nachfragerückgang wäre für den Konzern angesichts der europäischen Wirtschaftskrise nur schwer zu verkraften.

Auch die Kritik an der Subventionierung der Solarindustrie durch Peking ist oftmals wohlfeil. Die Solarbranche in Deutschland ist nicht nur wegen der oft gepriesenen deutschen Ingenieurskunst so groß und die hohe Produktnachfrage lässt sich nicht allein durch das sonnige Wetter erklären. Vielmehr schuf die Politik mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz und der EEG-Umlage ein Instrument, das auch am schattigsten Ort die Installation von Solarmodulen wirtschaftlich rentabel macht. Die festgeschriebene Einspeisevergütung sichert dabei über Jahre den Gewinn der Investition, ohne dass der Käufer ein Risiko tragen müsste – nicht gerade ein Paradebeispiel marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik. Die bittere Ironie am aktuellen Verfahren ist, dass es unter anderem die EEG-Umlage und somit der deutsche Verbraucher war, der die chinesische Produktion ankurbelte und die Überkapazitäten entstehen ließ. Die Folgen dieser Entwicklung versucht die Europäische Kommission nun mit den Strafzöllen abzumildern.

Bei aller berechtigten Kritik an der Subventionierung der chinesischen Solarindustrie wird deutlich, dass auch Europa und insbesondere Deutschland für die aktuelle Situation Verantwortung tragen. Es gibt gute Gründe, weshalb die europäische Kommission die vorläufigen Strafzölle nicht hätte erheben sollen. Ebenso gibt es genügend Argumente, die für eine Unterstützung des Verfahrens durch die deutsche Bundesregierung sprechen. Für ein Anti-Dumping-Verfahren, in dem der EU-Handelskommissar nicht auf die Unterstützung des derzeit stärksten europäischen Staates bauen kann, spricht dagegen nichts. Es bleibt die Frage: War es das wirklich wert?

Ihr Kommentar
  • Am 18. Juni 2013 um 13:05, von  Patrick Als Antwort Strafzölle für China - Protektionismus made in EU?

    Und der Bundesregierung fällt jetzt erst diese Kritik ein?...das ist anscheinend nur die halbe Wahrheit. Vielleicht könnte man das ganze ja auch mal wieder als geschicktes Tacktieren mit dem unlieben europäischen Insititutionen werten, denn ursprünglich wurde eine Beschäftigung mit dem Thema Solarpanele aus China ja von der Bundesregierung selbst angestoßen.

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