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Swift-Abkommen: Sicherheit contra Datenschutz

Die Verhandlungen sollen wieder aufgenommen werden. Die Bedingung dafür: mehr Datenschutz

, von  Miriam Schriefers

Swift-Abkommen: Sicherheit contra Datenschutz

No-Non-Nie-Nee-Nein! – dies war das Fazit des EU-Parlaments am 11. Februar 2010 in Bezug auf die Frage, ob die Bankdaten europäischer Bürger zwecks Terrorbekämpfung an die USA überliefert werden sollen. Die EU-Innenminister wiederum haben sich bei einer gestern stattfindenden gemeinsamen Konferenz in Brüssel dafür ausgesprochen, die Verhandlungen dazu „so schnell wie möglich“ wieder aufzunehmen, so der spanische Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba im Namen der spanischen Ratspräsidentschaft.

Der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verkündete auf einer anschließenden Pressekonferenz: "Es muss Veränderungen geben, damit das Mandat erfolgversprechend ist“. Änderungen sind wohl schon allein deshalb notwendig, weil in Folge des Lissabon-Vertrages das EU-Parlament seit dem 1. Dezember 2009 ein Mitentscheidungsrecht in der Justiz- und Innenpolitik hat und somit nicht mehr einfach umgangen werden kann. Und unter den Parlamentariern gibt es, gerade auch parteiübergreifend bei den Deutschen, große Bedenken in Bezug auf den Datenschutz.

Stärkere Datenschutzbemühungen für neues Abkommen vorgesehen

Um diesen entgegenzuwirken, soll das neue Bankdatenabkommen, das bis zum Sommer erzielt werden soll, einige Konzessionen an das EU-Parlament enthalten: so sollten dem Konzept zufolge nicht mehr automatisch alle europäischen Überweisungsdaten an die USA übermittelt werden. Jene Daten, die übermittelt wurden, dürfen nicht mehr unbegrenzt gespeichert werden. Außerdem sollen die US-Terrorfahnder nur noch Daten von europäischen Bürgern erhalten, wenn diese Überweisungen in Länder außerhalb der EU tätigen. Zu Unrecht ausgespähte EU-Bürger sollen zudem ein Klagerecht erhalten und die Weitergabe von Informationen an Drittstaaten wie Russland oder China verhindert werden.

Zu „Zwergenverein“ degradiert

Die EU-Parlamentarier hatten ihre Abstimmung vor zwei Wochen ein wenig auch als Selbstbehauptung gegenüber den Mitgliedstaaten und dem amerikanischen Kongress gefeiert; der tschechische Sozialdemokrat Libor Roucek rief sogar aus, man solle diesen „wirklich historischen Moment einen Augenblick genießen“. Zu einem „Zwergenverein“ degradiert, so hatte man sich nämlich dem deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz zufolge im Vorfeld gefühlt. Die Kränkungen beruhten darauf, dass das EU-Parlament lediglich angehört, aber nicht berücksichtig wurde, als die damalige schwedische Ratspräsidentschaft das zeitlich begrenzte Übergangsabkommen mit den USA ausgehandelt hatte.

Wie alles begann mit 9-11

Der Ursprung des ganzen Abkommens beruhte auf den Ereignissen des 11. September 2001: über die Finanzgenossenschaft Swift kontrollierten die USA im Anschluss an die Terroranschläge den internationalen Zahlungsverkehr. Bis 2006 wurden dabei auch Auslandsüberweisungen europäischer Bürger kontrolliert, ohne dass dies offiziell mitgeteilt oder genehmigt worden war. Nachdem die Sache bekannt wurde, führte Swift bis Ende 2009 eine Umstrukturierung der Datenspeicherung durch, so dass die europäischen Bankdaten nunmehr nur noch in Europa gespeichert werden können.

Daraufhin stellte sich jedoch die Eingangsfrage: sollen diese Daten an die USA überliefert werden, um geplante Terroranschläge mittels verdächtiger Finanzströme schon im Vorfeld vereiteln zu können?

Die EU-Kommission war vom Erfolg des Systems überzeugt und verwies darauf, dass US-Fahnder nach der Auswertung der Bankdaten bislang 835 Tipps nach Europa gegeben hatten, darunter auch Hinweise auf Terroristen in Deutschland.

Transatlantische Verstimmungen?

Die Datenschutzbedenken überwogen jedoch. Einer der vielen Kritikpunkte hatte außerdem gelautet, dass die Europäer keinen vergleichbaren Zugriff auf die Daten amerikanischer Bankkunden hätten. „Wir wissen, was der Kongress sagen würde, wenn ihm so ein Abkommen vorgelegt würde“, hatte sich beispielsweise die niederländische Liberale Jeannine Hennis-Plaschaert geäußert. Dennoch hatte sogar US-Außenministerin Hillary Clinton massives Lobbying unter den EU-Parlamentariern betrieben, um eine Fortsetzung des Swift-Abkommens zu erreichen. Im Anschluss an das Veto des EU-Parlaments wurden bereits transatlantische Verstimmungen befürchtet. In einem Kommentar der FAZ hieß es gar, Obama werde sich im Nachhinein noch in seiner Entscheidung bestätigt fühlen, seine Teilnahme am EU-Amerika Gipfel abzusagen – außerdem fehle es der EU möglicherweise am nötigen Ernst.

Und tatsächlich hatten die USA damit gedroht, nicht mehr länger auf EU-Ebene zu verhandeln, sondern bilaterale Verträge mit einzelnen Ländern – in Belgien hat das Unternehmen seinen Firmensitz, in den Niederlanden steht der Datenspeicher - abzuschließen. Rubalcaba, dem spanischen Inneminister zufolge ist dazu aber kein EU-Land bereit, schließlich würde dies die Bemühungen um eine gesamteuropäische Lösung untergraben, der es wohl eher nicht am nötigen Ernst fehlen wird, sondern die - so ist zu hoffen - vielmehr durch die Sorge um das richtige Maß an Sicherheit und Freiheit geprägt ist.

Datensammelwut führt nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit

Rebecca Harms, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, äußerte dann auch einem Interview beschwichtigend, dass „die Fachleute aus den USA nicht gegen die Europäer verhandeln wollen, sondern eine Verständigung zu erreichen suchen“ - die grundlegende Haltung zu Datenschutz und Bürgerrechten sei aber grundverschieden. Zudem seien die Europäer durchaus für effiziente Kontrollen, aber gegen „überbordende Datensammelwut, wie sie in den USA ausgebrochen ist. Die trägt auch zur Sicherheit nichts bei“.

Das dem so ist, bewies ja nicht zuletzt auch der glücklicherweise gescheiterte Flugzeuganschlag in Detroit: dieses - Vermutungen zufolge von Al Qaida im Jemen geplante - Attentat wurde nun definitiv nicht durch Swift verhindert.

Bildquelle: www.flickr.com, Autor: MIgraciónTOtal

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