Wahlkampf in Frankreich II: welche Reform der GAP wollen die Kandidaten?

Zweites Spezial zur französischen Präsidentschaftswahl.

, von  Laurence Pellegrini, übersetzt von Christine Jung

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Wahlkampf in Frankreich II: welche Reform der GAP wollen die Kandidaten?
Die französischen Kandidaten haben unterschiedliche Ideen, wie es mit der Gemeinsamen Agrarpolitik weitergehen soll. Bestimmte Rechte vorbehalten von ((o: pattoune :o))

Im Februar diesen Jahres hat sich die Mehrheit der französischen Präsidentschaftskandidaten auf dem „Salon de l’Agriculture“ (Landwirtschaftsmesse in Paris) die Klinke in die Hand gegeben, um ihre Unterstützung für diesen Sektor auszudrücken. Und das zu einer Zeit, in dem die Zahl der aktiven Landwirte ständig sinkt und in der laufend Kritik an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) laut wird. Als wichtigster Agrarproduzent der Europäischen Union ist Frankreich gleichzeitig größter Nutznießer der GAP. 20 Jahre nach der Reform von 1992 dreht sich die Diskussion nun wieder um das Ungleichgewicht zwischen der Beteiligung am Budget der GAP und der Umverteilung auf die Mitgliedsstaaten der Union. Eine neue Reform ist für 2013 vorgesehen, und auch wenn die Landwirtschaft die Medienlandschaft nicht beherrscht, scheint sie dennoch ein zentrales Wahlkampfthema aller Kandidaten zu sein.

Nicolas Sarkozy und François Hollande: für eine wettbewerbsfähige Agrarpolitik Von den 19 Milliarden Euro, die Frankreich ins EU-Budget einzahlt, bekommt es mehr als 13 Milliarden zurück, davon 72% für die Agrarpolitik. Zukünftig sieht die reformierte GAP einen größeren Teil der Mittel für die neuen Mitgliedstaaten vor, von denen einige einen einheitlichen Verteilungssatz fordern. Im Juni, gleich nach den Präsidentschaftswahlen, wird der Verabschiedungsprozess für das EU-Budget beginnen, das von der Europäischen Kommission vorgeschlagen und danach vom Rat der EU und dem Europäischen Parlament angenommen wird.

Nicolas Sarkozy und François Hollande haben ihre europäischen Partner gewarnt: Frankreich wird nicht auf die Finanzmittel verzichten, die seinen Landwirten bisher zustehen. Man darf sich fragen, wie ein Präsident seine Vorstellungen durchsetzen könnte, wo doch die letzte Entscheidung beim Europäischen Parlament liegt, die auch gegen den Rat durch eine Mehrheit der Abgeordneten und drei Fünftel der abgegebenen Stimmen durchgesetzt werden kann. Muss man also eine neue Politik des „Leeren Stuhls“ oder ein französisches „I want my money back“ erwarten?

Für den Kandidaten der UMP ebenso wie für den der Sozialistischen Partei ist die Beibehaltung des Budgets umso wichtiger, als die Landwirtschaft ein Pfeiler für den einen des „Starken Frankreichs“ und für den anderen des „Wiederaufstiegs Frankreichs“ ist. In diesem Zusammenhang betrachten beide diese Frage unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit. Sie verfolgen beide auch die Schlüsselmaßnahme, die in einer neuen Verteilungsmethode der Wertschöpfung zwischen den Landwirten, Zwischenhändlern und Einzelhandelsriesen besteht. Ein im Juni 2011 vom „Observatoire des prix et des marges des produits alimentaires“ veröffentlichter Bericht hat in der Tat festgestellt, dass die Brutto-Preisspanne der Einzelhandelsriesen für Landwirtschaftsprodukte bei 30-50 % liegt und zum Nachteil der Produzenten wächst.

Während diese Maßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Erhalt von Betrieben beiträgt, scheint sie ungeeignet, den innereuropäischen Preisdruck zu mildern, vor allem durch spanische Produkte. In diesem Punkt hat jeder Kandidat seine eigene Methode: François Bayrou bevorzugt die qualitative Wettbewerbsfähigkeit mit der Aufwertung des „Made in France“, François Hollande richtet sein Programm auf die Modernisierung der Agrartechniken und die Unterstützung durch den Staat aus. Nicolas Sarkozy hat dabei sicherlich den europäischsten und marktorientiertesten Ansatz mit seiner Vorstellung von einer Harmonisierung der Steuer- und Sozialpolitiken mit dem Hauptziel, die Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerlasten in Frankreich zu reduzieren.

Das Konzept der Agrarsouveränität bei den Extremen

Während die UMP, die PS oder das Modem eine Agrarpolitik vorschlagen, die mit der der EU korreliert, nehmen die Kandidaten des Front national oder des Front de Gauche eine absolut souveränistische Haltung ein. Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon wollen mit den bisherigen Mechanismen brechen – dem Markt für die eine und der Supranationalität für den anderen – was ihre Ablehnung der Globalisierung manifestiert. Ein Sieg eines der beiden wäre zugleich ein Wendepunkt für Frankreich in der GAP.

In ihrem Programm kündigt Marine Le Pen eine Renationalisierung der Agrarpolitik an und die völlige Abkehr von der GAP zugunsten einer FAP, kompensiert durch die Reduzierung der französischen Beteiligung am EU-Budget.

Im Gegensatz dazu setzt Jean-Luc Mélenchon nicht auf den Rückzug Frankreichs aus der GAP, sondern schlägt die Einführung protektionistischer Maßnahmen vor, die weiter als das ursprüngliche Konzept der „Gemeinschaftspräferenz“ gehen mit der „Annahme einer neuen Politik, die auf das Ziel der Lebensmittelsouveränität ausgelegt ist und die Produktion auf die internen Bedürfnisse konzentriert“. Anders gesagt stellt der Kandidat des Front de Gauche die internationalen Abkommen von Marrakech (1994) in Frage, die die Handelsbeziehungen und die Zollbedingungen auf internationaler Ebene regeln und das Ende der europäischen "Agrar-Ausnahme" bedeutet haben.

Der Front national prangert ebenso die WTO als eine Organisation an, die die völlige Liberalisierung des Handels forciert, die nicht die besonderen Herausforderungen der Landwirtschaft berücksichtigt und diese zu oft benachteiligt zugunsten rein finanzieller Interessen.

Der Lebensmittel-Protektionismus ist ebenfalls ein Leitthema des Programms von Europe-Ecologie – Les Verts, die „die Souveränität durch einen effizienten Schutz vor dem Import“ unterstützen, um lokale Produkte zu begünstigen. Nicolas Dupont-Aignan (Débout la République) befürwortet die „Beschränkung der Importe zum Schutz unserer Produktion“ sowie die Relokalsierung von Arbeitsplätzen. Nathalie Arthaud (Lutte Ouvrière) prangert die „Anarchie der kapitalistischen Wirtschaft und den Wettlauf nach Profit“ an und schlägt vor, sich wieder auf die realen Lebensmittelbedürfnisse zu beschränken. Diesen Anti-Kapitalismus findet man auch bei Philippe Poutou, der sich gegen die „wachsende Spekulation auf Kosten der Berufe und der Verbraucher“ wendet. Jacques Chéminade schlägt ebenfalls vor,“die Märkte gegen die räuberische Globalisierung zu organisieren".

Insgesamt stehen sich zwei Modelle der Agrarpolitik in der französischen Debatte entgegen: die Regulierung und der Protektionismus einerseits und eine marktorientierte Landwirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite. In diesem Zusammenhang scheinen die französischen und deutschen Abgeordneten einen Mittelweg zwischen diesen beiden Strömungen gefunden zu haben: eine marktorientierte Politik mit Regulierungsmechanismen, ein „Ergrünen“ der Landwirtschaft, aber mit einer Abmilderung der Normen oder auch der Beibehaltung des Budgets, von dem Frankreich und Deutschland am meisten profitieren.

Trotz ihrer unterschiedlichen Ideen birgt die GAP viele Herausforderungen für die Kandidaten: die Fähigkeit der Europäer, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren, die Lebensmittelqualität und –Sicherheit zu gewährleisten, Arbeitsplätze im Agrarsektor zu erhalten oder auch die Verbraucherpreise niedrig zu halten.

Der Originalartikel erschien am 12. April. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch alle Kandidaten im Rennen.

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