Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Über den europäischen Diskurs

, von  Conrad Schiffmann

Wer zuletzt lacht, lacht am besten
Zuletzt gelacht, ist das noch nicht. Helle Thorning-Schmidt, dänische Ministerpräsidentin, und José Manuel Barroso, EU-Kommissionspräsident. Credit © European Union, 2012

Ein großes Lachen

Es war doch ein Jauchzen und Frohlocken. Beide Seiten, die Befürworter und die Gegner jeder europäischen Idee, haben sich belächelt, haben ihre Scherze getrieben und sich spielerisch umworben und haben doch auch ach so laut gelacht.

Die einen, die Schlagbaumfäller. Was für ein Freudentaumel! Die europäische Idee sie wurde Wirklichkeit. Aus Frieden wurde Zusammenarbeit aus wirtschaftlichem Bündnis erwuchs ein politisches Schwergewicht Europa. Endlich ist er eingeschlagen der europäische Weg, so logisch erscheint das doch, ja evolutionär.

Auch die anderen, die Ewiggestrigen, haben gelacht über diese Idealisten und Friedensforscher. Für sie ist die EU der Beweis, dass die Wirtschaft es letztendlich geschafft hat auch über die Politik Herr zu werden und sich über alles zu stellen. Weltpolitisches Schwergewicht ist sie ja, gestehen sie lachend ein, aber am eigenen Gewicht bewegungslos, ein fettes Monster Nimmersatt.

Europafreunde haben sich in Reih und Glied gestellt. Wie Jünger verteilen sie sich in ihrem Europa und verbreiten die Kunde einer besseren Welt. Diese Welt ist nicht so übel, wie sie gerne von ihren Gegnern belächelt wird. Dieses Europa ist eine vorbildliche Lehre aus unserer Geschichte ganz dem christlichen Grundsätzen wie Toleranz und Nächstenliebe entsprechend. Aus Feinden, die jahrhundertelang darum kämpften, wer der Stärkere ist, ist eine solidarische Gemeinschaft entstanden, die schon jetzt viel geleistet hat: Wohlstand, Frieden, Reisefreiheit. Und das alles demokratisch, so alt-neu-europäisch. Aber warum erscheint es nötig, die Menschen von Europa zu überzeugen? Wie demokratisch ist eine EU, wenn man die Menschen jetzt noch davon überzeugen muss? Beinhaltet Demokratie also auch den Willensbildungsprozess? Ist der Wille der Menschen dann nicht die Meinung desjenigen, der sie besser von seinem Standpunkt überzeugen kann?

Es kommt darauf an. Es gibt Menschen, die vehement von einem anderem Weltbild sprechen.

Zwei Lager in der Deckung

Historisch gesehen ist dies alles keine Neuheit. Die Gegner sind gut aufgestellt – ihre Argumentation trifft eher den Takt der Zeit und es scheint schwierig, gegen ihre „Holzkopfreden“ anzukommen. Es wäre arrogant von den Anhänger eines vereinten Europas, lächelnd zu meinen, diese Menschen seien eben nicht in der Lage, ihre Meinung zu ändern und sich der neuen Zeit anzupassen, wenn es doch vielen Europafreunden genauso geht. Beide verstehen nicht, wie der andere nicht ihrer Meinung sein kann. Dabei erscheint beiden ihre Welt so logisch, dass jegliche Kritik nur lächerlich ist. Und das, obwohl die reine Staatenwelt in Europa offensichtlich versagt hat und andererseits die EU in ihrer derzeitigen Verfassung geradezu die Tontaube für ihre Kritiker spielt. Kritik gibt es wahrlich genug.

Beide Fronten liegen sich nun in ihren Gräben gegenüber und warten auf die Schlacht. Wo ist die Bewegung die jetzt die Schlagbäume zwischen diesen Fronten einreißt?

Die Krise nutzen

Die europäische Bevölkerung will eine Europäische Union, wenn es versteht, dass es sie braucht. Wenn sie sieht, dass es ein nützliches, funktionierendes und logisches Werkzeug ist, das seine Arbeit genauso gut erledigt, wie ihre vorbildlichen Bürger. Noch sieht der Großteil das nicht. Im Gegenteil, es scheint ihnen ja noch möglich, sich gegen Europa zu entscheiden, als wäre es noch ein Versuch, nur eine Idee.

Wann wäre da eine bessere Gelegenheit gekommen als in einer Krise, um den EU-Bürgern zu beweisen, dass die Idee für sie nützliche Wirklichkeit ist? Es waren immer die Krisen, das Versagen der alten Idee, die Platz schufen für das Neue, das in den Startlöchern hockt. Denn, ein zufriedenes Volk braucht keine Neuerungen.

Das Lachen ist beiden Seiten längst vergangen

Die Politiker reden doch von großer Krise, ist es dann nicht an ihnen, den Zeitgeist zu erkennen und in die Geschichte einzugehen als diejenigen, die diese neue Idee hatten? Denn welches andere Ziel kann ein tüchtiger Politiker denn anstreben als in die Geschichte einzugehen? Doch diese Chance ist vertan. Selbst die Mentoren der EU haben sich nicht für Europa entschieden. Das Lachen ist beiden Seiten längst vergangen.

Offensichtlich ist das größte Problem der Diskurs. Zwischen Politikern und den Bürgern und unter den Bürgern selbst. Es scheint befremdlich für diejenigen, die sich mit der EU beschäftigen, dass die Funktionsweise und der Nutzen der Union in anderen Lagern gänzlich unbekannt ist. Eine Frontalsprechstunde überzeugt aber niemanden von einer umfangreichen Idee. Jeder einzelne muss die Logik für sich erkennen, muss sich damit auseinandersetzen und muss für seinen Lebensbereich einen Nutzen aus der Sache ziehen können.

Keine Überzeugung ohne Diskurs

Stattdessen wird einem von klein auf beigebracht, dass die EU etwas ganz Tolles ist – ohne Diskurs. Man meint zwar zu ahnen, dass „das schon ganz gut ist“, verstehen will man es aber nicht. So erscheinen die europäischen Jünger in der Kneipe wie Zeugen Jehovas.

Was bringt es in der Bar von Solidarität oder in einem Unternehmen von Demokratie zu sprechen? Überzeugen Begriffe, wie Toleranz und Freundschaft, die Realisten oder Pragmatiker von einer Idee? Es ist auch schwer für etwas zu werben, ohne belächelt zu werden, solange niemand – nicht einmal die Politiker selbst - so recht weiß, was die EU ist und was sie wird oder sie genau das Gegenteil von dem tun, von dem sie behaupten, dass es richtig ist. Das öffnet Kritikern Haus und Hof. Aus diesem Diskurs entstehen Ideen und wachsen. Solange alle in Lauerstellung verharren, sei es der Politiker in der Krise oder der Befürworter oder Gegner der europäischen Idee, wird nichts geschehen! Das ständige Parolen klopfen bringt niemanden voran. Gibt es nicht auf jede Phrase eine Gegenphrase?

Ein klassischer Diskurs, als Gespräch über einen Gegenstand, kann nur gewonnen werden, wenn man seinen Gegner respektiert, seine Interessen kennt, ihn dadurch versteht und auf diese Weise seine Argumente schon vor ihm begreift und mit diesen arbeiten kann. Nur so kann es schließlich ein Resultat geben, dass beiden Seiten gerecht wird. Der Diskurs steht am Anfang eines jeden Ergebnisses und bevor man keinen konstruktiven Diskurs führen kann, sollte man keine Parolen rufen! Doch schon die politischen „Macher“ dieser europäischen Idee, lassen sich nicht herab einen Diskurs anzustimmen, sondern füttert das fletschende Volk mit ihren Parolen, wenn überhaupt.

So wird es nie möglich sein, eine Person vollends von der eigenen Idee zu überzeugen. Nur durch einen echten Diskurs kann man eine allgemeine Zustimmung erreichen. Und nur auf dieser Zustimmung kann man feste Institutionen bauen.

So halte ich die Krise eigentlich für eine europäische Großchance, den Menschen weiß zu machen, wie wichtig die europäische Idee ist, selbst wenn das bedeuten muss, gegen die EU Stellung zu beziehen. Es ist wichtig zwischen einer europäischen Idee und der EU zu unterscheiden, solange beides nicht Hand in Hand geht. Konstruktive Kritik, sei es vom politischen Gegner oder aus eigenen Reihen, ist letztendlich der Motor einer Idee, das, was sie realistisch macht.

Wir haben Krise. Wo sind sie also, die lachenden Europäer?

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