AIRBUS gegen BOEING – Ein Waffenstillstand auf Zeit?

, von  Samuel Touron, Übersetzt von Katharina Walch

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AIRBUS gegen BOEING – Ein Waffenstillstand auf Zeit?

Seit Beginn der Pandemie hat der Luftfahrtsektor stark gelitten, ein Schlag für den Airbus-Konzern, der 2020 sein 50-jähriges Bestehen feiert. Zu diesem Anlass gratulierte sogar der langjährige Kontrahent Boeing seinem europäischen Pendant. Ein Jahr später haben sich Airbus und Boeing mit der Aufhebung gegenseitiger Zusatzgebühren, die die beiden Luftfahrtgiganten seit 15 Jahren gegeneinander ausspielen, ein schönes Geschenk gemacht. Auch die Wein- und Spirituosenhersteller ließen anlässlich der vorübergehenden Aufhebung der Sanktionen die Korken knallen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Burgfrieden von temporärer oder langfristiger Dauer sein wird.

Zu Beginn der Bruderschaft gab es einen alleinigen Luftfahrtgiganten, die amerikanische Boeing Corporation, und einen Außenseiter, die europäische Airbus SE. Beide hatten ein gemeinsames Ziel: den sehr lukrativen Luftfahrtmarkt zu dominieren. Es entbrannte ein erbitterter Kampf zwischen den beiden Konzernen, wobei Boeing sein Monopol aufrechterhalten wollte und Airbus hoffte, einen möglichst großen Anteil vom Kuchen abzubekommen. Die beiden Konzerne teilen sich nun das Duopol auf dem Luftfahrtmarkt und beschuldigen sich gegenseitig von zurückgehaltenen öffentlichen Subventionen zu profitieren.

Die Weltwirtschaft reformiert sich: neue Herausforderungen führen zu wirtschaftlichem Protektionismus

Vor dem Hintergrund des Handelskriegs zwischen den USA und der EU, hat dieser Konflikt zwischen Airbus und Boeing mit der Aufhebung der Zölle auf europäische Produkte, die über den Atlantik exportiert werden, gerade einen ersten Waffenstillstand von mindestens vier Monaten erlebt. Dieses historische Ereignis unterstreicht zwei Phänomene: Einerseits haben sich die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union mit der Niederlage von Donald Trump beruhigt und die beiden Länder, die von der Covid-19-Krise schwer getroffen wurden, wollen sich gegenseitig bei der Erholung ihrer Wirtschaft helfen. Andererseits zeugt es vom Aufstieg eines neuen Akteurs, der schon bald die neue führende Weltmacht werden könnte: China.

Europa und die USA wollen daher ihre Handelssanktionen auf die immense Exportmacht China konzentrieren. Die Verschärfung des Buy American Act durch Präsident Joe Biden zeugt von der Stärkung des amerikanischen Protektionismus, der die Verlagerung strategischer Industriesektoren auf das Staatsgebiet und den Kauf von in den USA hergestellten Waren durch die Verbraucher*innen fördern soll. Zwar gibt es in Europa noch kein „Buy European Act“, aber das Trauma der Abhängigkeit von lebenswichtigen Gütern während der Pandemie (Masken, Beatmungsgeräte usw.), die Ziele des Green New Deal und die zunehmende Bekräftigung des Wunsches, eine „europäische Präferenz“ in den für die Union entscheidenden Industriesektoren umzusetzen, haben die Situation verändert. Innerhalb von zehn Jahren ist Europa von einer bestürzenden Naivität zu einem endlich realistischen und durchsetzungsfähigen Wirtschaftsdiskurs übergegangen.

Airbus-Boeing - ein langjähriger Konflikt

Airbus ist zweifellos das Flaggschiff der europäischen Industrie, eine der größten Errungenschaften Europas. Der Airbus A300, das erste Großraumflugzeug, ist das Ergebnis eines Geniestreichs und einer großen technologischen Innovation. Sie führte Airbus, ein kleines Konsortium europäischer Unternehmen, in die Lüfte. Bis Anfang der 2000er Jahre hatte Airbus den Konzern Boeing bei den Flugzeugbestellungen endgültig überholt. Eine europäische Erfolgsgeschichte, die die Amerikaner*innen dieses Mal nicht zum Träumen brachte, obwohl sie normalerweise große Fans solcher Erfolgsgeschichten sind. Ab 2004 führte die anhaltende Dominanz von Airbus auf dem Luft- und Raumfahrtmarkt zu einem permanenten Handelskrieg zwischen Brüssel und Washington. Sanktionen auf beiden Seiten des Atlantiks verschlechterten die Handelsbeziehungen und waren Teil einer deutlichen Rückkehr zum Protektionismus. Es gab auch zahlreiche Klagen vor der WTO, wobei sich beide Unternehmen gegenseitig beschuldigten, illegale öffentliche Beihilfen erhalten zu haben. Aus dieser technischen Debatte heraus, behielt die WTO sowohl für die EU als auch für die USA die Möglichkeit, Steuern zu erlassen, die mehr oder weniger bis März 2021 und dem berühmten historischen Abkommen in Kraft blieben.

Seit Oktober 2019 hatte die US-Regierung, damals noch unter der Trump-Administration, Steuern in einer selten dagewesenen Härte eingeführt, vor allem auf Lebensmittel, darunter auch Weine und Spirituosen. Der Gesamtwert der Waren, auf die diese Zuschläge erhoben wurden, wurde auf etwa 7,5 Milliarden Dollar geschätzt. Auf europäischer Seite wurden Abgaben in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar auf amerikanische Produkte erhoben. Auch die Luftfahrtindustrie war davon betroffen: Airbus-Flugzeuge wurden bei der Einreise in die Vereinigten Staaten mit Steuern von bis zu 15 % belegt. Kombiniert mit dem amerikanischem Wirtschaftspatriotismus hatten diese Zölle einen deutlichen Einfluss auf die betroffenen Sektoren und machten Boeing wieder zum „großen Herrn“ des amerikanischen Marktes. Dennoch handelt es sich bei diesen Steuern, die zwar eine Reihe spezifischer Sektoren benachteiligen, um lächerliche Beträge im Vergleich zum Gesamtumfang des Handels zwischen der EU und den USA. Darüber hinaus macht der Handel zwischen den beiden Ländern 30 % des Welthandels aus, d.h. 616 Milliarden Euro im Jahr 2019 und 8 Millionen Arbeitsplätze. Die Zuschläge sind also ein Tropfen Protektionismus in einem Ozean des Freihandels. Die TAFTA-Vereinbarungen symbolisieren die Stärke des Handels zwischen den beiden Global Playern.

Auf dem Weg in ein „goldenes Zeitalter“ der US-europäischen Handelsbeziehungen?

Die Ankündigung der Abschaffung von Zuschlägen auf bestimmte Handelssektoren im Rahmen des Airbus-Boeing-Streits wirkte somit wie eine kleine Bombe in der wirtschaftlichen und politischen Welt. Sie markiert das Ende von fast 15 Jahren stürmischer Beziehungen in dieser Frage und entspannt den von Airbus und Boeing geführten „kalten Krieg“ in einem für die Luftfahrtindustrie heiklen Kontext. Dieser „kommerzielle Waffenstillstand“ wurde von der Wein- und Spirituosenbranche begrüßt, die einen großen Teil ihrer Produktion in die Vereinigten Staaten exportiert. Man kann sich z.B. die Erleichterung der Cognac-Hersteller vorstellen, deren Produktion zu 10 bis 20 % über den Atlantik exportiert wird.

Es gibt allerdings eine große Unbekannte: Wird diese vorübergehende Aufhebung der Zuschläge von Dauer sein? Die Frage bleibt unbeantwortet, denn die USA kehren zu einem Wirtschaftspatriotismus zurück, der sich seit Beginn der Trump-Administration zunehmend verschärft hat und der sich unter Präsident Biden fortsetzen dürfte. Das Gewicht von Boeing und seine guten Beziehungen zum Militär sind ebenfalls Gründe, eine Rückkehr der Zuschläge zu befürchten. Die EU, die den GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple) sehr kritisch gegenübersteht, könnte auch den Zorn der Amerikaner*innen auf sich ziehen und eine Wiederholung der im Airbus-Boeing-Streit verhängten Zölle provozieren. Aktuell scheinen jedoch Diplomatie und Einigung angesagt zu sein, denn Präsident Joe Biden bekräftigte nach seinem Treffen mit der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „seine Unterstützung für die Europäische Union und sein Engagement für die Reparatur und Wiederbelebung der Partnerschaft zwischen der EU und den USA“.

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