Prostitution – seit jeher spaltet das älteste Gewerbe der Welt die Gemüter. Oft sind die Lebenssituationen der Dienstleistenden beklagenswert und erfahren wenig bis keine rechtliche, soziale und finanzielle Unterstützung. Die Einstellungen, die Prostituierte dazu einnehmen, reichen von Selbsthass bis zu einer selbstbewussten Ausübung ihres Berufs. Die Meinungen von Außenstehende variieren von Ignoranz über Ablehnung bis hin zum Wunsch, helfen zu wollen, ohne wirklich zu wissen wie.
Auf Initiative der britischen Europa-Abgeordneten Mary Honeyball hat das EU-Parlament Ende Februar eine „nicht bindende Entschließung“ ausgesprochen. In Zukunft sollen die Mitgliedsstaaten die Prostitution in ihren Ländern verbieten. Für die Zuwiderhandlung, also dem Kauf sexueller Dienstleistungen, sollen die Freier bestraft werden – nicht die Prostituierten. Die Resolution orientiert sich am sogenannten „Nordischen Modell“, da bereits Schweden, Island und Norwegen ähnliches umsetzen.
Nach Angaben des EU-Parlaments stimmten über alle Fraktionen hinweg 343 Parlamentarier für die Resolution und 139 dagegen. 105 Abgeordnete enthielten sich. Das Ergebnis zeigt: Im Europäischen Parlament herrscht keine eindeutige Haltung zum Thema Prostitution. Selbst in den Reihen der Antragstellerin, der Fraktion der Sozialisten und Demokraten, gab es 35 Kontra-Stimmen und 18 Enthaltungen.
Nordisches Modell verlagert Probleme anstatt sie zu lösen
Im Schweden, dem „Mutterland des Nordischen Modells“, gilt das Prostitutionsverbot seit 1999. Völlig zufriedenstellend sind die Ergebnisse dort aber nicht. So musste Jonas Tolle, Kriminalkommissar der Stockholmer Polizei, einräumen, dass sich die Prostitution stärker ins Internet verlagert hat. Schon der schwedische TV-Sender SVT hatte im August 2013 für Aufruhr gesorgt, als er in einer Reportage über die Prostitution von schwedischen Jugendlichen im Internet berichtete. Genaue Zahlen sind jedoch schwer zu nennen, denn welche Online-Verabredungen tatsächlich zu sexuelle Handlungen führen, ist kaum nachvollziehbar. Laut SVT wird jedoch allein in Stockholm 250.000 Mal für Sex bezahlt. Die schwedische Justizkanzlerin Anna Skarhed ist trotzdem der Überzeugung, dass sich die Straßenprostitution seit in Krafttreten des Gesetzes halbiert hat. Auch hätte eine Studie ergeben, dass 2008 nur noch acht Prozent der schwedischen Männer sexuelle Dienstleistungen gekauft haben. Überzeugen kann das nicht, denn wer outet sich freiwillig als Freier, wenn er sich damit strafbar macht.
Auch ein aktueller Bericht der finnischen Regierung gibt an, dass das Prostitutions-Verbot in Finnland bisher keine positiven Auswirkungen auf die Bekämpfung des Menschenhandels gehabt habe.
Wenn das „Nordische Modell“ also schon in Skandinavien nicht unproblematisch ist – wie kann es dann tatsächlich zum Modell für die ganze EU werden? Ist es dann nicht eher ein „nordisches Korsett“, das drückt und zwickt?
Seit Ende letzten Jahres macht Frankreich seine Erfahrungen damit. Das französische Gesetz sieht ein Bußgeld von 1.500 Euro für Freier vor. Gegen die Entscheidung demonstrierten im Dezember tausende Menschen. Sie brachten ihre Angst um Arbeits- und Identitätsverlust zum Ausdruck. Außerdem erwarten die Kritiker, dass die Prostitution ins Verborgene abrutscht und sich ein reger „Grenzverkehr“ in die Deutschen Nachbargebiete entwickelt.
Deutsches Prostitutionsgesetz hilft den Wenigsten im Gewerbe
Im Saarland wird zumindest gerade ein Flatrate-Bordell gebaut. Allgemein gilt Deutschland als „Eldorado“ für Freier. Mit dem „Prostitutionsgesetz“ wollte die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2002 die Rechte der Dienstleistenden stärken und eine gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Durch dieses liberale Gesetz können die Prostituierten Arbeitsverträge erhalten, ihren Lohn im Streitfall einklagen, Sozialleistungen beziehen sowie sich sozial- und krankenversichern. Doch das Gesetz erreicht nur diejenigen, die bereits über das soziale und kulturelle Kapital verfügen, um diese theoretischen Möglichkeiten praktisch in Anspruch zu nehmen. Damit geht es an der Realität vorbei, die oftmals von Frauenhandel, Armut- und Abhängigkeitsprostitution geprägt ist. Tatsächlich waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2013 nur 44 Prostituierte (davon vier Männer) in Deutschland sozialversicherungspflichtig gemeldet. Eine EU-Studie von 2011 ergab außerdem, dass das Gesetz Menschenhandel und Zwangsprostitution begünstigt und der Anteil der ausländischen, teilweise minderjährigen Prostituierten in Deutschland steigt. Forscher der Uni Göttingen und Heidelberg hatten damals anhand von Daten aus 150 Ländern und einer Fallstudie in Schweden, Deutschland und Dänemark festgestellt, dass eine Legalisierung der Prostitution zu einer verstärkten Nachfrage und damit zu einem größeren Angebot eben auch an illegalen und aus dem Ausland eingeschleusten Prostituierten führt. Die jetzige Koalition will das Gesetz nun verschärfen. Angedacht sind Strafen für Freier von Zwangsprostituierten und Genehmigungspflichten für Bordelle.
Prostitution verbieten heißt neue Probleme schaffen
Damit scheint eine vollständige Legalisierung keine Lösung, ein Verbot bringt aber ebenso wenig. Für die Prostituierten müssen berufliche Alternativen gesucht und gefunden werden, damit sie nicht (noch) weiter in eine wirtschaftliche und soziale Schieflage geraten. Auch das EU-Parlament hat das erkannt und fordert in ihrem Modell psychologische und soziale Begleitprogramme für die Aussteiger. Außerdem sollen lokale Organisationen stärker unterstützt werden. Fraglich ist, ob jedes EU-Land finanziell und organisatorisch in der Lage ist, solche Mehrausgaben zu stemmen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der immer noch andauernden Wirtschaftskrise in Europa und der hohen Arbeitslosigkeit vieler Mitgliedsländer.
Zudem besteht durch das Verbot die Gefahr, dass das Gewerbe immer tiefer in die Illegalität abrutscht. Zwar mag die Aussicht auf Strafe den einen oder anderen Freier abschrecken. Aber sexuelle Bedürfnisse lassen sich nicht durch Verbote befriedigen. Und wer legal kein Bordell oder Laufhaus mehr aufsuchen darf oder sich auf dem Strich umsehen kann, wird nach Alternativen suchen - und sie finden.
Glücklicherweise ist die Resolution des EU-Parlaments nicht bindend. Sie basiert auf einem Schwarz-Weiß-Denken: Prostitution ist negativ, Freier sind Täter, Prostituierte sind Opfer. Auch differenziert der Vorschlag nicht klar zwischen Prostitution und Menschenhandel. Allenfalls ist er damit ein europäisches Ausrufezeichen hinter den zweifellos allzu oft untragbaren Zuständen, unter denen Prostituierte leiden.
1. Am 13. April 2014 um 19:19, von WP Als Antwort Alarm im Sperrbezirk – EU-Parlament zeigt Rotlichtmilieu die Rote Karte
Es ist gänzlich irrsinnig, die bestehnden -öffentlichen- Strukturen zerstören zu wollen und alles in die illegalität zu drängen. Das destabilisiert unseren Staat und schädigt uns alle. Es ist auch abwegig, die Prostitution durch irgendwelche Maßnahmen mit erfundenen Begründungen „einschränken“ zu wollen. Warum ? Der Umsatz im Gewerbe steigt überhaupt nicht an ! So „untragbar“ sind die „Zustände, unter denen Prostituierte leiden“, nicht. Man könnte hier die teilweise überhohe Arbeitsbelastung nennen, aber wenn man Kosten für die Dienstleisterinnen erhöht, erhöht sich nur der finanzielle Druck weiter, also ebenfalls kontraproduktiv. Die Dienstleisterinnen sind nicht allesamt in „wirtschaftlicher und sozialer Schieflage“. Das ist ganz einfach unzutreffend - alles so Märchen halt. Soll eine abhängige Tätigkeit im Niedriglohnsektor etwa besser sein ?? und das wird ja beabsichtigt, die frauen in den Niedriglohnsektor abzudrängen, damit man sie dort ausbeuten kann. Das ist wohl die wahre absicht, die hinter allem steckt. Menschen -frauen- in den Niedriglohn drängen. Pfui teufel kann ich da nur sagen, wo soll das enden in Zwangsarbeit und Mega-Polizeistaat ? Moral wie im tiefsten Mittelalter ? Neid und Mißgunst als Leutliie der Politik ? Die EU-„Empfehlung“ ist eine Schande für Europa. Warum kann der Staat diese Frauen nicht einfach in Ruhe lassen? Scheint wohl unmöglich zu sein !
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