Nach einem Vierteljahrhundert Unabhängigkeit hat Belarus nie die engen Verbindungen zu Russland abgebrochen. Das Verhältnis der beiden Länder wird von Präsident Lukaschenkos Vision und Wille geprägt, Russland ein Partner im Westen zu sein. Im Gegenzug liefert Russland zuverlässig preiswertes Öl und Gas, sowie einen Absatzmarkt für belorussische Produkte. Über lange Zeit schien dieser Deal zu funktionieren. Zwischen 2000 und 2012 ergatterte Russland erneut einen wichtigen Platz im Weltmarkt, und auch Belarus konnte sein Bruttoinlandsprodukt versechsfachen. Als die russische Wirtschaft 2014 durch Sanktionen und einen niedrigen Ölpreis einen Schlag erhielt, begannen die Probleme. Binnen einen Jahres sank auch das BIP in Belarus um 30%.
Die Situation verändert sich nicht nur finanziell, sondern auch politisch. Als Russland auf der Krim und in Syrien in den Krieg zog, beschloss Belarus neutral zu bleiben und richtete diverse Gipfel zwischen der Ukraine, Russland und der OSZE aus. Gleichzeitig wurde Belarus’ Verhältnis zur EU besser. Im Februar 2016 hob die EU Sanktionen gegen 170 Einzelpersonen auf und versicherte erneut, den Übergang zur Demokratie unterstützen zu wollen. Denn momentan ist das belorussische Herrschaftsverhältnis alles andere als demokratisch. Belarus ist das einzige europäische Land, in dem die Todesstrafe gilt. Im weltweiten Pressefreiheitsindex belegt Belarus den 157 von 180 Plätzen, sowie den 166 von 192 in kompetenter Gesetzgebung. In Wohlfahrt und Sozialwesen belegt Belarus in Europa den letzten Platz. Und dass der selbe Präsident seit 23 Jahren regiert, verrät auch einiges über das politische System.
Dennoch weht ein Hauch von Veränderung durch das Land. Die anhaltende Rezession hat die Regierung in eine schlechte Position gebracht. Im Februar 2017 wurde ein „Gesetz gegen soziale Parasiten“ verabschiedet, wonach Arbeitslose die durch ihre Arbeitslosigkeit entgangenen Steuereinnahmen finanziell ersetzen sollen. Finanzielle Unterstützung scheint notwendig, dennoch bleibt die Frage, wie weit sich Belarus in Richtung Westen bewegen kann, ohne eine Reaktion Russlands herauszufordern. Einige sind skeptisch gegenüber den freundlichen EU-Politik. Der belorussische Menschenrechtler und Aktivist Ales Bjaljazki hält die Aufhebung der Sanktionen für gefährlich. Er ist überzeugt, Präsident Lukaschenko nutze die anhaltende Konfrontation zwischen Ost und West zu seinen Gunsten, ohne das System verändern zu wollen.
Die Situation in Belarus bleibt unklar, und die EU sollte ein Auge in Richtung Osten werfen. Das Finnische Institut für internationale Angelegenheiten schreibt: „Die Zeit ist reif, über vorher undenkbares nachzudenken. Sei es der wirtschaftliche Zusammenbruch in Belarus, eine radikale interne Transformation oder eine extern ausgelöste Krise. Jedes dieser Szenarien würde eine bessere Vorbereitung, Bereitschaft und Ressourcen von der EU benötigen.“ Das belorussisch-russische Verhältnis wird sich im Herbst öffentlich offenbaren, wenn beide Staaten zu einer massiven Militärübung in Zapad, Russlands westlicher Militärbezirk, sowie eventuell auch in Belarus antreten.
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