Beziehungen zwischen der EU und der Republik Moldau

, von  Paul Brachet, übersetzt von Julian Dämpfle

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Beziehungen zwischen der EU und der Republik Moldau
Maia Sandu, Premierministerin der Republik Moldau, im Europäischen Parlament im Juli 2019 Foto: Europäische Union (EP), 2019 / Ph. Buissin / Copyright

An diesem denkwürdigen 5. Mai hat das Europäische Parlament zusammentreten müssen, um über die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Moldawien zu sprechen. Die Republik Moldau, ein Staat im Osten von Europa und mit direkter Grenze zur Ukraine, könnte durch den Krieg in der Ukraine destabilisiert werden und hat als Reaktion auf den Krieg offiziell darum gebeten, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Nun befinden sich die Beziehungen zwischen der EU und dem osteuropäischen Staat wahrlich an einem Wendepunkt ihrer gemeinsamen Geschichte.

Bestandsaufnahme von Moldawien im Jahr 2022: Prekäre Lage, aber bemerkenswerte Großzügigkeit

Die Debatte im EU-Parlament wurde mit einer Erklärung der Europäischen Kommission eröffnet, die darauf bedacht war, ihren guten Willen gegenüber der Moldawischen Republik zu betonen: Aufgezählt wurden diverse Geldsummen, mit denen der osteuropäische Staat in der Vergangenheit unterstützt worden ist, beziehungsweise zukünftig unterstützt wird. Bei dieser Gelegenheit wurde die Kommission von dem für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung zuständigen Kommissar Olivér Várhelyi vertreten. Zwar ist Moldau bereits Teil der Östlichen Partnerschaft, einer Nachbarschaftspartnerschaft, die die Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Nachbarn sicherstellt, die Bewerbung für eine Aufnahme in die EU reichte das Land 2,6 Millionen Einwohner*innen reichte jedoch erst am 3. März dieses Jahres ein.

Der Zeitpunkt für die Aufnahmeerklärung an die EU kommt nicht einfach aus heiterem Himmel, zumal gleich drei Beitrittsbewerbungen binnen kürzester Zeit bei der Europäischen Union eingegangen sind – nämlich von der Ukraine, Georgien und schließlich Moldawien. Alle Anträge sind vermutlich aus der wachsenden politischen und strategischen Bedrohung durch Russland heraus entstanden, die ihnen seit der Invasion der Ukraine am 24. Februar 2022 noch mal besonders vor Augen geführt wurde.

Russische Invasion in die Ukraine: Auch die Republik Moldau steht unter Druck

Die Invasion und die daraus entstehende Migrationswelle, die es in dieser Art seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gegeben hatte, setzte die „kleine“ Republik Moldau, die bereits durch frühere Krisen geschwächt war, weiter unter Druck. Bereits jetzt sind mehr als 385.000 Flüchtlinge in das Land mit ungefähr 2,6 Millionen Einwohnern geflohen. Damit ist Moldawien „das Land mit den meisten Flüchtlingen pro Kopf in Europa“, wie der sozialistische, litauische Abgeordnete Juozas Olekas festhält. Nun war die Lage in Moldawien schon vor dem Ausbruch des Krieges aus zwei Gründen sehr angespannt: einer sich verschlechterten Wirtschaftslage und einer in Frage gestellten territorialen Integrität.

Bereits vor dem Krieg war Moldawien die schwächste Wirtschaft Europas und gleichzeitig auch das ärmste Land auf dem Kontinent. Das betonte auch noch einmal Adrian-Dragoş Benea, ein sozialistischer Abgeordneter rumänischer Abstammung. Grund dafür sei die sehr ländlich geprägte und auf Landwirtschaft ausgerichtete Wirtschaft, so Susanna Ceccardi, Europaabgeordnete und Mitglied der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie. Wie letztere jedoch betont, war es vor allem die von russischen Truppen unterstützte faktische Unabhängigkeit des moldawischen Gebiets rund um das rechte Ufer des Flusses Dnjestr, eines industriellen und wirtschaftlich starken Gebiets, die dazu führte, dass sich die moldauische Wirtschaftslage nie von der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR erholte.

Die Republik Moldau und ihre Vergangenheit mit Russland

Denn seit dem Zerfall der Sowjetunion hat das russischsprachige und industriell geprägte Gebiet Transnistrien östlich des Flusses Dnjestr (oder Nistru auf Rumänisch) mit der aktiven Unterstützung Moskaus einseitig seine Unabhängigkeit erklärt. Seit dem mörderischen Krieg von 1992 wurde der Konflikt von Russland eingefroren: Damals entsandte der Kreml um die 1.000 Soldaten dorthin. Russland, das bis dahin die Kontrolle über den Konflikt behalten hatte, ermöglichte es durch dessen Instrumentalisierung, seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf die Republik Moldau auszuweiten. Vor kurzem wurden in Transnistrien Explosionen gezählt, die Abgeordnete aller politischen Spektren (ECR, EVP, S&D, Renew oder Grüne) glauben ließen, dass der Ukraine-Konflikt auf das pro-europäisch gewordene Moldawien ausgeweitet wurde.

Obwohl der politische Einfluss laut einer großen Mehrheit der Abgeordneten mittlerweile stark reduziert ist, ist der wirtschaftliche Einfluss noch immer groß, insbesondere was die Energieversorgung betrifft, wie die grüne Europaabgeordnete Heidi Hautala zum Ausdruck brachte. Eine Abhängigkeit, die Moldawien zum Verhängnis werden könnte, wenn es sich ein wenig zu sehr dem europäischen Block anzunähern scheint. So erinnert Kommissar Várhelyi an die von Moskau im letzten Herbst vorgenommenen Gaskürzungen, bevor er die daraus resultierende europäische Hilfe erwähnt.

Kandidatenstatus oder nicht: Handelt die Europäische Union nun?

Diese Bestandsaufnahme wurde sehr schnell von der Frage überschattet, ob Moldawien den Status eines Kandidatenstaates erhalten soll. Denn für viele Europaabgeordnete muss nun mehr als eine „Bestandsaufnahme“ stattfinden, es müssen nun endlich Taten folgen. Für Dacian Cioloş (Renew) müssen die europäischen Institutionen „der Situation gewachsen sein“. Sie müssen die Integration Moldawiens in die Europäische Union so schnell wie möglich mit „Flexibilität und Erfindungsreichtum“ ermöglichen. Eine Feststellung, die von fast allen Mitgliedern des Plenarsaals geteilt und von der europäischen Exekutive gebilligt wird. Davon zeugt die Reaktion des Kommissars, der versichert, dass das „normalerweise langwierige Verfahren der Prüfung des Beitrittsantrags derzeit so schnell und effizient wie möglich (von den Teams der Kommission) bearbeitet wird“.

Moldawien wird in die EU aufgenommen: Rechte Parteien positionieren sich dagegen

Für eine Minderheit, insbesondere am äußersten rechten Rand des Straßburger Plenarsaals, wäre die Aufnahme Moldawiens in die Europäische Union ein „feindseliger und unkluger Akt gegenüber Russland“, denn der Kreml betrachte Moldau als Teil seiner Einflusszone. Schlimmer noch, für den Abgeordneten Thierry Mariani wäre eine mögliche Anerkennung des Beitrittskandidaten Moldawien durch die EU ein weiterer Beweis für die „europäische Einmischung in das Land“ und könnte so folglich die gesamte Region destabilisieren. Für den Abgeordneten der französischen Partei „Frontiste“ müsse „Europa Moldawien humanitär unterstützen, [...] ohne jedoch das Gleichgewicht mit Russland zu stören“. Dies wäre jedoch unvermeidlich, wenn Moldawien den Status eines Kandidatenstaates zuerkannt wird. Die Rechten vertreten damit eine einzigartige Position, die sich vom Rest der parlamentarischen Positionen unterscheidet.

Für andere ist die Integration Moldawiens in die Europäische Union angesichts der geopolitischen Entwicklungen und der Errungenschaften der moldawischen Regierung unter Moldawiens Präsidentin Maia Sandu in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Korruption und Pressefreiheit eine sichere Perspektive. Die Aussicht auf eine EU-Integration und die Anerkennung des Kandidatenstatus dürfen jedoch nicht die Dringlichkeit oder gar die Mittel vergessen lassen, die für die Verwirklichung dieser Aussicht notwendig sind. Abgeordnete wie Maria Grapini (S&D) betonen, dass Moldawien „ab sofort“ ausreichend Geld und Unterstützung von der EU erhalten muss, um die für den EU-Beitritt notwendigen Reformen überhaupt umsetzen zu können.

Auch wenn die Entscheidung nun im Feld der Kommission und des Rates liegt, scheint es heute sicher, dass „das moldawische Volk seinen Platz in der Europäischen Union verdient hat“, betont Eugen Tomac von der EVP.

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