Braucht die EU eine gemeinsame Armee?

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Braucht die EU eine gemeinsame Armee?

Kommissionspräsident Juncker hat mit seinem Vorstoß die Debatte um eine gemeinsame europäische Armee wiederbelebt. Welche Argumente sprechen für, welche gegen die EU-Armee? Theresa Leberle und Christian Gonder präsentieren zwei verschiedene Standpunkte.

Ja: Die EU-Armee ist ein wichtiges Zeichen für europäische Einigkeit

Von Theresa Leberle

Friede, Freiheit und Sicherheit – Es waren diese Werte und Ziele, die im Jahr 1950 Ausgangspunkt für die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl waren. Nach zwei blutigen Kriegen sollten die Staaten in Europa enger zusammenwachsen. Abhängigkeiten wurden geschaffen, um den innereuropäischen Frieden zu gewährleisten. Viele Schritte hin zu mehr Kooperation sind seitdem gegangen worden. Nun gilt es den Nächsten zu tun.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Armee. Hintergrund für diesen Vorschlag ist das aggressive Vergehen Russlands in der Ukraine Krise. Er wolle Russland den Eindruck vermitteln, dass Europa es ernst meine, die europäischen Werte zu verteidigen. So begründete Juncker seine Forderung und setzt damit ein wichtiges politisches Signal. Deutsche Politiker wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Außenminister Frank Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel befürworten das Vorhaben Junckers.

28 Mitgliedstaaten gehören der EU an, 28 Armeen sind tätig. Doppelungen in Personal und Material häufen sich. Im Jahr 2011 berechnete Prof. Dr. Jürgen Schnell von der Universität der Bundeswehr in München, dass etwa 1,7 Millionen Soldaten in Europa dienen. Die Effizienz der einzelnen Streitkräfte sei jedoch in Vergleich zu den USA gering. Schnell schätzt, dass die europäischen Streitkräfte nur zehn bis 15 Prozent der militärischen Fähigkeiten der USA besäßen. Und das obwohl die Mitgliedstaaten der EU die Hälfte des Militärbudgets der USA ausgeben würden. Europa ist auf die Vereinigten Staaten als militärischen Partner angewiesen, was Abhängigkeiten mit sich bringt. Diese könnten durch eine gemeinsame europäische Armee vermieden werden. Die EU würde ihre Position als politischer Spieler festigen.

Kostenersparnisse auf nationaler Ebene wären ein willkommener Nebeneffekt. Für eine engere Zusammenarbeit sprechen zudem die bereits verwobenen militärischen Strukturen innerhalb der EU. Die Eurokorps sind nur ein Beispiel. Beteiligt sind Deutsch-land, Frankreich, Spanien, Belgien und Luxemburg als sogenannte Rahmennationen. Etwa 65.000 Soldaten wurden für dieses Projekt ausbildet. Der Grundstein für eine gemeinsame EU-Armee ist damit schon gelegt. Nun gilt es dieses Projekt weiter auszubauen und Willens-stärke zu beweisen. Alle Staaten der EU müssen beteiligen werden. Nur so kann dieses Projekt auch langfristig Erfolg haben.

Eine gemeinsame europäische Armee würde aber nicht nur das Bild Europas nach außen hin stärken. Auch für die Bürger wäre dies ein notwendiges Zeichen für Einigkeit und Zusammengehörigkeit. Ein großes Problem der EU ist es nach wie vor, dass sie bei dem Bürger nicht ankommt. Der Satz: „Brüssel trifft alle Entscheidungen!“, ist ein Vorurteil, an dem viele Europäer festhalten. Abgesehen von allen militärischen Vorteilen, würde eine europäische Armee auch den Bürgern beweisen, dass Europa immer weiter zusammenwächst und so auch auf weltpolitischer Ebene stärker wird. Ein Prozess, der die Einigungsdynamik vorantreiben kann.

Das Ziel, das die europäischen Gründungsväter hatten, Frieden innerhalb von Europa zu schaffen, wurde erreicht. Unter den Mitgliedsstaaten gab es keinen Krieg mehr. Eine notwendige Verteidigung innerhalb der EU ist damit hinfällig, wenn nicht sogar überflüssig. Eine Armee, der alle Mitgliedsstaaten angehören, würde nicht nur die Kosten der einzelnen Nationen für Verteidigung verringern und die militärische Leistungsfähigkeit erhöhen. Europa würde damit ein Signal der Stärke setzen. Nach außen, aber auch nach innen. Stärke als ernstzunehmender politischer Akteur und die Willensstärke, weiter zusammenzuwachsen.

Theresa Leberle studiert den Bachelor Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt. Journalistische Erfahrungen sammelte sie unter anderem bei ihrer Heimatzeitung, der Fränkischen Landeszeitung, und der Süddeutschen Zeitung.

Nein: Erst die Henne, dann das Ei

Von Christian Gonder

Haben wir Föderalisten nichts aus der Vergangenheit gelernt? Kein Jahr ist ins Land gegangen, da postulierten wir im Europawahlkampf: eine Währung braucht eine Regierung. Jetzt fordern wir die Einrichtung einer Europäischen Armee – und begeben uns damit auf Glatteis.

Die Ukrainekrise ist zum Dauerkonflikt geworden. Im Nahen Osten kämpfen köpfende Terroristen für ein Kalifat. Und auch sonst droht die Welt in Kriegen und Katastrophen zu versinken. Grund genug einer alten Idee neues Leben einzuhauchen. Die Einrichtung einer Europäischen Armee – das fordern Europas Föderalisten in diesen Tagen. Doch Ideologie ist ein schlechter Ratgeber. Drei Gründe gegen die Europäische Armee.

1. Ohne Regierung keine Rechenschaft

Wen ruft man an, wenn man die Europäische Union anruft? Präsident Juncker? Präsident Tusk? Oder doch die Kanzlerin? Bis heute haben wir Henry Kissinger keine Antwort auf diese Frage gegeben. Eine gemeinsame politische Exekutive fehlt. Wer übernimmt Verantwortung für diese Europäische Armee? Solange wir Europäer diese Frage nicht beantwortet haben, verwässert sich die politische Rechenschaftsverpflichtung in den Büros Brüsseler Beamten. Erst die Henne, dann das Ei – Europa braucht jetzt keine Zauberei, sondern dringender denn je: staatliche Strukturen – und erst dann eine Europäische Armee.

2. Don’t die for Europe!

Blicken wir der Realität ins Auge: die Achillesferse der GASP ist die fehlende europäische Identität. Laut Eurobarometer fühlen sich nur 26 Prozent der Europäer als Bürger der EU. Einen jungen Soldaten zu fragen, im Zweifelsfall für die EU zu sterben – aktuell wäre das zu Recht vermessen und politisch nicht vermittelbar. Solange diese Identität nicht Realität ist, bleibt die Europäische Armee eine Vision.

3. Außenpolitik ist kein Selbstzweck!

Wer die Einrichtung einer Europäischen Armee fordert, verkennt, dass Voraussetzung hierfür eine gemeinsame europäische Außenpolitik ist. Trotzdem gilt: eine gemeinsame Außenpolitik ist kein Selbstzweck, sondern das Produkt interessengeleiteter Politik. Und aktuell könnten die Faktoren dieses Terms nicht ungleicher sein. Hierzu drei Beispiele:
  Nur zwei Mitgliedstaaten, namentlich Groß-Britannien und Frankreich, betreiben eine geostrategische Außenpolitik.
  Widersinnig haben einige Staaten spezielles Interesse an unterschiedlichen Regionen, so Spanien und Portugal an Südamerika.
  Dessen ungeachtet hegt die Mehrheit der Mitgliedstaaten kein geostrategisches Interesse.

Im Zuge der Zeiten werden diese Interessen jedoch miteinander verschmelzen. Deshalb sollten wir Föderalisten Geduld üben und mit der Forderung einer Europäischen Armee nichts überstürzen. Für die GASP gilt wie für Europa generell: Vernunft statt Ideologie, kleine statt große Schritte und jede Menge Ausdauer im Kampf für ein vereintes Europa.

Christian Gonder (18) ist im hessischen Alsfeld und in den Vereinigten Staaten aufgewachsen. Sein Themenschwerpunkt ist insbesondere die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Seit 2014 ist Christian Gonder stellvertretender Landesvorsitzender der JEF Hessen.

Ihr Kommentar
  • Am 12. Juni 2015 um 16:41, von  duodecim stellae Als Antwort Braucht die EU eine gemeinsame Armee?

    Ich gebe Theresa recht.

    Außerdem halte ich die Argumentation von Christian nicht für so solide. Der Euro hätte vielleicht erst nach der politischen Union kommen dürfen, seine Existenz zwingt aber die nationalen Politiker die Probleme gemeinsam europäisch zu lösen. Wir werden dadurch alle gezwungen uns mit Europa auseinanderzusetzen. Deshalb können wir alle glücklich sein dass der Euro existiert.

    Eine Europäische Außenministerin gibt es bereits heute (ihr Amt würde durch eine EU-Armee als Nebeneffekt aufgewertet werden) und mit Europaparlament und demokratisch gewähltem Kommissionschef hätte man rechenschaftspflichtige Menschen bereits bei der Hand. Man könnte ein Legitimationsmodell ähnlich wie in der BRD anstreben. Außerdem sollte die Europawehr parallel zu den nationalen Armeen aufgebaut werden, nach und nach wachsen und deren Aufgaben übernehmen. Am Anfang sollte sie aber nur Verteidigung und Katastrophenschutz übernehmen (unpopuläre Auslandseinsätze sollte man den nationalen Armeen überlassen)...

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