Sehr geehrte Cecilia Malmström,
als Handelskommissarin hatten Sie es seit Ihrem Amtsantritt 2014 nicht leicht: Auch die EU wurde von der weltweiten Anti-Globalisierung-Welle erfasst, die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) kamen mehrere Male fast zum Abbruch und die Zukunft des TTIP-Abkommens mit den USA ist spätestens seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump mehr als unsicher.
Freihandel ist in den letzten Jahren fast schon zu einem Tabuwort geworden – und das nicht ganz zu Unrecht. Geheime Verhandlungen über die Details der Verträge oder Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen ihre Forderungen gegenüber Staaten in nichtöffentlichen Prozessen durchsetzen können, sind undemokratisch und dürfen nicht hingenommen werden. Doch während die USA auf dem besten Weg sind, sich ins handelspolitische Aus zu manövrieren, bleibt der Abbau von Zöllen und Regulierungen ein wichtiger Garant für wirtschaftliches Wachstum. Insbesondere ein handelspolitischer pivottoasia würde der EU und Asien viele Vorteile bringen.
Das Potenzial für ein Handelsabkommen mit den ASEAN-Ländern ist groß
Das Potenzial ist groß: 2014 erreichte das Handelsvolumen der EU mit den ASEAN-Ländern 246 Milliarden Euro. Mit einem Anteil von 13 Prozent ist die EU somit nach China der wichtigste Handelspartner der ASEAN-Region. Unternehmen aus der EU investieren darüber hinaus jährlich 19 Milliarden Euro in die ASEAN-Länder.
Dennoch ist es ein holpriger Weg hin zu einem Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Ländern. Ihr Vorgänger brach die Verhandlungen 2009 nach zwei Jahren ab, weil es in Myanmar damals zu massiven Menschenrechtsverletzungen kam. Seitdem verhandelt die EU mit mehreren ASEAN-Ländern, unter anderem Thailand und Malaysia, auf bilateraler Basis, doch auch dieser Prozess verzögert sich. Abgeschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten sind erst die beiden Abkommen mit Vietnam und Singapur. Ein prominentes Hindernis für die zukünftigen Verhandlungenmit der ASEAN-Region ist beispielsweise der brutale Anti-Drogen-Krieg von Präsident Rodrigo Duterte, der schon mehrere tausend Menschen das Leben kostete. Sie kennen das Problem und haben bereits angekündigt, ein vorläufiges Handelsabkommen mit den Philippinen aufzukündigen, wenn sich die Situation nicht verbessert. Diesen Druck müssen Sie unbedingt aufrechterhalten.
Die EU sollte die Standards setzen
Wie Sie wissen, ist die EU für viele Länder, und so auch für ASEAN, ein unverzichtbarer Handelspartner, und diese Position sollte die EU nutzen. Die EU muss eine klare Haltung für demokratische Werte zeigen und Fehler aus früheren Verhandlungen vermeiden. Die EU setzt die Standards – und nicht andersherum. Bereits 2015 hatte ich zum Beispiel bereits über einen multilateralen Handelsgerichtshof für TTIP geschrieben, der dazu dienen würde, Konflikte zwischen Investoren und Staaten öffentlich und nach geltendem Recht zu klären. Zudem muss die EU in den Verhandlungen mit ASEAN klar auf die Einhaltung von Menschenrechten pochen, auch wenn das die Verhandlungen verlängert oder erschwert. Seit einigen Jahren setzt die EU auch zunehmend den Aspekt der Nachhaltigkeit durch – ein wichtiger Schritt hin zum Einhalten der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Denn in vielen Ländern in Asien gilt weiterhin der Mythos, dass die Verschmutzung der Umwelt nicht so wichtig sei, solange man nur wirtschaftliches Wachstum erreiche.
Liebe Frau Malmström, vor all diesen Herausforderungen stehen Sie nun. Im März verkündeten Sie, dass Sie die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der ASEAN-Region wiederaufnehmen werden. Wer weiß, ob Sie diesen jahrelangen Prozess bis zum Ende als Handelskommissarin mitgestalten. Bis dahin wünsche ich Ihnen aber alles Gute und viel Erfolg.
Beste Grüße aus Hongkong,
Nathalie Bockelt
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