Brief an Europa: Für eine menschenwürdigere Flüchtlingspolitik

, von  Hannah Illing

Brief an Europa: Für eine menschenwürdigere Flüchtlingspolitik

Gerade hat die EU ein Trainigsprogramm für die libyische Küstenwache gestartet und setzt damit ihre Politik zur Schließung der Mittelmeerroute fort. Wir plädieren bei EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos für eine menschenwürdigere Flüchtlingspolitik.

Sehr geehrter Herr Avramopoulos,

vor ein paar Wochen beschrieb der deutsche Journalist Michael Obert in seiner Reportage „Die Menschenfänger“ für das SZ-Magazin die fragwürdigen Praktiken der libyschen Küstenwache, die Flüchtlingen den Weg nach Europa abschneiden und die Schlepper bekämpfen soll. Ihr Anführer wird als ein zwielichtiger Warlord charakterisiert, der skrupellos handelt und dabei auch Menschenleben - von Schleppern wie Flüchtlingen - in den Kauf nimmt. Wie die Online-Redaktion von evangelisch.de unter Berufung auf das UNHCR berichtet, sind in der ersten Jahreshälfte 2017 bereits 2000 Menschen bei der Überfahrt im Mittelmeer ertrunken.

Auf dem EU-Gipfel von Malta diesen Februar wurde beschlossen, die so genannte Mittelmeerroute, über die viele Flüchtlinge von Afrika nach Italien gelangen, zu schließen. 200 Millionen Euro wurden dafür laut der NGO „Pro Asyl“ zur Verfügung gestellt, die wohl hauptsächlich an die libysche Küstenwache gehen. Vor kurzem hat die EU-Kommission zudem weitreichende Schulungsmaßnahmen der libyschen Küstenwache gestartet. Auf den ersten Blick könnte man all dies als positiv bewerten: Immerhin sinkt mit der Schleuserabwehr die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr Flüchtlinge auf ihrer gefährlichen Reise umkommen. Doch was passiert mit denen, die abgefangen wurden? In seiner Reportage für das SZ-Magazin beschreibt Michael Obert auch den Besuch in einem der Camps, in das die libysche Küstenwache die Flüchtlinge bringt. Eine junge Frau spricht erst mit ihm, als der Wächter für eine Weile vor der Tür geht. Die Episode ist eindrucksvoll: „Sie hebt ihr Tuch. Ihr Trainingsanzug ist zwischen den Beinen bis zu den Knien mit Blut verschmiert. Wer hat das getan? ‚Alle von denen. Nacheinander.‘ Der Wächter kommt zurück. Sie verstummt und sieht uns flehend an.“

Es darf nicht sein, dass es im 21. Jahrhundert Orte mit solchen Menschenrechtsverletzungen gibt, von der EU-Kommission und den europäischen Regierungen gebilligt. Es kann nicht sein, dass Flüchtlinge, die vor Hunger und Verfolgung fliehen, von EU-finanzierten Banden abgefangen werden und an solch menschenunwürdige Orte gebracht werden können. In der Grundrechtecharta der EU heißt es in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“ Bitte richten Sie auch Ihre Politik danach aus.

Mit freundlichen Grüßen

Hannah Illing

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