Die Republik Moldau ist ein kleines Land zwischen der Ukraine und Rumänien, in welches 2021 circa 69.000 Tourist*innen reisten. Bei dieser niedrigen Zahl, fragt man sich, ob Moldau (zu) wenig für Tourist*innen zu bieten hat, oder ob es zu unentdeckt ist und genau das bietet, was viele Reisende suchen: ein authentisches Land ohne große Tourismusströmungen. Die Republik Moldau ist durch ihre Vergangenheit in der Sowjetunion geprägt, versucht sich jedoch von dieser Stück für Stück zu lösen, um ihren Plan bis 2030, Mitgliedstaat der EU zu werden, in die Tat umzusetzen.
Seit kurzem bieten auch ein paar deutsche Flughäfen Direktverbindungen nach Chişinău an. Wer im Voraus bucht oder etwas Glück hat, kann günstige Flugtickets ergattern. Am Flughafen angekommen lohnt es sich, Geld zu wechseln oder Geld abzuheben. Da die Republik Moldau nicht zur Eurozone gehört, verwendet sie ihre eigene Währung, den moldauischen Leu (Stand 25.09.2023: 1€ = 19,32 MDL). In die Innenstadt gelangt man ganz einfach mit dem Bus Nr. 30 für 6 MDL (circa 0,31€), der vor dem Flughafengebäude abfährt und etwa 45min in die Stadt benötigt. Wer länger in der Stadt bleibt oder nicht auf Internet verzichten möchte, kann sich am Flughafen bei Orange eine SIM-Karte mit 20GB für 49 Lei (circa 2,54€) kaufen.
Um einen tollen Städtetrip zu erleben, braucht man eine gute Unterkunft. Eine günstige Übernachtungsmöglichkeit bietet das „Hostel Amazing Ionika“, das sehr zentral nur wenige Gehminuten von der Altstadt entfernt und hat neben zahlreichen hilfreichen Tipps für Chișinău alles bietet, was das Tourist*innen-Herz begehrt.
Wer denkt, es könnte einem in Chişinău langweilig werden, irrt.
Eines meiner Highlights war definitiv das Muzeul Național de Artă a Moldovei. Das nationale Kunstmuseum hat eine vielfältige Sammlung an moldauischer Kunst sowohl aus diversen Epochen und Kunstformen. Aber auch das renovierte Gebäude selbst ist einen Besuch wert, es lässt jedes Altbauherz höherschlagen. Ein kleiner Tipp für das nationale Kunstmuseum: Neben dem Eintritt kann man auch gegen eine geringe Gebühr von 15 Leu (circa 0,78€) das Recht zum Fotografieren innerhalb des Museums erwerben. Direkt neben dem Kunstmuseum befindet sich das Muzeul Național de Istorie a Moldovei (deutsch: moldauisches Geschichtsmuseum) mit angrenzendem Buch- und Souvenirladen. In dem Geschichtsmuseum findet man eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte Moldaus, die besonders bei schlechtem Wetter oder großem geschichtlichem Interesse einen Besuch wert ist.
Etwa zwei Blocks von den Museen entfernt befindet sich der Parcul Catedralei din Chișinău (deutsch: Kathedralenpark), der einiges zu bieten hat. Neben dem Triumphbogen, befindet sich dort die Catedrala Mitropolitană „Nașterea Domnului” (übersetzt: Kathedrale der Geburt des Herrn) mit ihrem Clopotnița Catedralei (deutsch: Glockenturm). Die Kathedrale ist eine neoklassizistische moldauisch-orthodoxe Kirche, die zwischen 1830 und 1836 erbaut und nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg renoviert wurde. Sowohl die Kathedrale als auch der Glockenturm sind für Tourist*innen zugänglich, weiblich gelesene Personen sollten aus Respekt gegenüber der Religion ihren Kopf und ihre Haare bei einem Besuch bedecken.
Ein bisschen die Straße runter liegt der Grădina Publică Ştefan cel Mare și Sfânt (übersetzt: Stefan-Park) mit der Statue von Ștefan cel Mare și Sfînt. Stefan cel Mare stellt die zentrale Figur in der Erinnerungskultur der moldauischen Bevölkerung dar, er wurde in der gesamten Geschichte Moldaus als Symbolfigur für die Identitätspolitik genutzt. Aufgrund der Wichtigkeit seiner Person für Moldau und der Omnipräsenz in Chişinău, kommen jetzt die wichtigsten Fakten in Kurzform: Ștefan cel Mare, auch bekannt als Ștefan der Große, (1433 – 1504) regierte Moldau von 1457 bis zu seinem Tod. Seine bedeutendste Leistung war sein entschlossener Widerstand gegen die Osmanische Expansion, wobei sein Sieg in der Schlacht von Vaslui (1475) besonders hervorsticht, was ihn zum Symbol für den Widerstand gegen osmanische Einflüsse in der Region werden ließ. Darüber hinaus förderte er Kultur, Bildung und die Orthodoxe Kirche in Moldau.
Zwischen dem Stefan-Park und dem Kathedralenpark befindet sich das Teatrul Național de Operă şi Balet „Maria Bieșu” (deutsch: Nationaltheater für Oper und Ballett Maria Bieșu). Das Gebäude wurde 1956 erbaut und trägt den sowjetischen Baustil. Wer gerne eine Oper oder Ballett besucht, kann dort Tickets ab 100 Lei (circa 5,18€) bekommen und wird bestimmt einen unterhaltsamen Abend erleben.
Etwas außerhalb der Innenstadt liegt das Mănăstirea Ciuflea (deutsch: Kloster Ciuflea). Das Gebäude wurde 1858 eingeweiht, nachdem es von Anastasie Ciufli finanziert wurde, um den letzten Willen seines Bruders Teodor Ciufli zu erfüllen. Als 1962 viele Kirchen der moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik (kurz: moldauische SSR) ihre Zweckbestimmung änderten oder geschlossen wurden, wurde das Oberhaupt der moldauischen Kirche in das damalige Kloster Ciuflea verlegt, das den Status einer Kathedrale erhielt und nach seinen Wohltätern umbenannt wurde. Im Jahre 2002 wurde es wieder ein Kloster.
In der Stadt einen schönen Spaziergang in einem Park machen oder an einem heißen Sommertag in den Badesee springen? Gar kein Problem im Parcul „Valea Morilor“. Der im nordwestlichen Teil der Stadt liegende Park wurde 1950 gegründet und hieß ursprünglich „Zentraler Kultur- und Erholungspark des leninistischen Komsomol“. Seinen heutigen Namen hat der Park vom Valea Morilor-See bekommen, an dessen Ufer er liegt. Der Park kann durch zwei große Treppen erreicht werden, einmal der Eingang über die staatliche Universität Moldaus und die Scara Cascedelor (deutsch: Kaskadentreppe), die als Wahrzeichen des Parkes gelten. In der Mitte der Kaskadentreppe verläuft ein Springbrunnen, und von oben hat man einen tollen Blick auf den See. Ein weiteres Highlight im Park, vor allem für Literaturliebhaber*innen ist die Statue des Kleinen Prinzen aus dem Roman des französischen Autors Antoine de Saint-Exupéry. Die Statue stellt den kleinen Prinzen auf seinem Heimatplaneten dem Asteroiden „B-612“ dar, der eine Dekokugel auf dem Zaun ersetzt. Mit gerade einmal 11cm ist sie die kleinste öffentliche Statue in der Republik Moldau.
Der Zentrale Markt, Piata Centrala, liegt in der Nähe des Bahnhofs. Dort werden von Dienstag bis Sonntag sowohl frisches Obst und Gemüse als auch Fisch, Fahrradreifen und Kleidung verkauft. Wen der Hunger dort erwischt und wer bei den ganzen Eindrücken eine kleine Stärkung benötigt, sollte sich hinter die Stände mit dem eingelegten Gemüse begeben. Dort verkauft ein kleiner (etwas versteckter) Imbiss eine Bratwurst mit Krautsalat und Brot. Das einfache Essen wird von den meisten Marktverkäufern an Stehtischen genossen.
Chişinăus Gastronomieszene hat jedoch noch viel mehr zu bieten als ein einfaches Mittagessen auf dem lokalen Markt
Von den Restaurants „La Placinte“ gibt es mehrere in der Stadt. Dort kann man für wenig Geld leckere lokale Küche genießen, z. B. „Bile de mămăligă cu brânză“ – das sind aus Polenta geformte Bällchen mit Frischkäsefüllung, die mit Schmand genossen werden. Oder „Colțunași cu cartofi“, moldauische Teigtaschen mit einer Kartoffelfüllung. Beides ist unheimlich lecker. Was man sich im „La Placinte“ auf keinen Fall entgehen lassen sollte, sind die selbstgemachten Limonaden; die Grapefruit-Litschi-Limonade war definitiv mein Favorit.
Ein weiteres gutes Restaurant für lokale Küche ist das Eli Pili, neben lokalen Spezialitäten werden auch Bier und moldauischem Wein serviert. Definitiv ein Besuch wert! Wer ein ruhiges kleines Café für eine Verschnaufpause sucht wird im „Catédra Café“ fündig. Es liegt im Regierungsviertel neben dem Kunstzentrum „Artcor“ und bietet neben einem angenehm ruhigen Innenhof vor allem asiatische Gerichte. Wer jedoch im Gegenteil Lust auf die Neuinterpretation der lokalen Küche sollte ein Abendessen im Fuior genießen. Neben der traditionelle Plăcinte, einem rumänisch/moldauisches Gebäck, das aus einem dünnen Teig besteht und mit verschiedener Füllung serviert werden kann, lassen sich auf der Karte auch noch Kaviar und moldauische Weine finden.
Zwar lassen sich in Chişinău viele italienische Restaurants finden, aber eines, das man auf keinen Fall verpassen sollte, ist „Little Napoli“. Die Einrichtung des Restaurants wirkt als hätte man die Möbel auf Flohmärkten und Haushaltsauflösungen zusammen gesucht um Gäst*innen ein gemütliches Ambiente im italienischen Stil zu bieten. Der wahre Höhepunkt dieses Restaurants ist jedoch die Pizza, die nach traditionellem neapolitanischem Rezept zubereitet und gebacken wird und wahrhaftig köstlich schmeckt. Dazu ein Glas Wein und man erlebt „Little Napoli“ mitten in Chişinău.
Nachtleben in Chişinău
Wer nach dem leckeren Essen noch einen Cocktail in einem blauen Salon oder urigen Innenhof genießen möchte, sollte unbedingt „Marlene“ besuchen. Die Bar Marlene bietet verschiedene Cocktails ab 110 Leu (circa 5,69€) an. Auch alkoholfreie Cocktails und individuelle Bestellungen sind möglich. Aber Achtung: Das Risiko sich in diese Bar zu verlieben ist hoch. Bei gutem Wetter lohnt sich auch ein Cocktail auf einer Dachterrasse der „Escobar Rooftopbar“ (der Eingang ist etwas schwierig zu finden, da man das Treppenhaus des Einkaufszentrums nutzen muss). Statt einem prickelnden Cocktail doch lieber einen guten moldauischen Wein? Dann ab in die Wine Republic Bar. Der kleine Laden bietet neben diversen Weinen auch kleine Snacks und eine sehr gute Beratung beim Weinverkauf an. In der Nähe der Universität findet man den Retro Cinema Club, der Vadim gehört und mit Leidenschaft geführt wird. Man bekommt von ihm Getränke zu studentenfreundlichen Preisen und eine authentisch moldauische Atmosphäre.
Ein beliebter Treffpunkt, nicht nur für Tourist*innen, sondern auch für Einheimische, den man nicht verpassen sollte, ist Piana Vyshnia (übersetzt: betrunkene Kirsche). Hier wird nur ein einziges Getränk serviert: Kirschlikör. Egal ob an einem Samstagabend oder an einem sonnigen Sonntagnachmittag, hier ist immer etwas los. Ein paar Meter weiter ist eine Location, die es mir persönlich besonders angetan hat: Cacielli (Insta: @cacielli.wav). Durch einen Zufall stieß ich auf diese Party, die zwischen zwei Gebäuden stattfand, und hatte einen der besten Abende während meiner Reise. Ein allgemeiner Tipp ist es vor allem in den vielen Parks der Stadt, die Augen offen zu halten, denn man weiß nie, wo man auf das nächste Fest stößt.
Abschließend lässt sich sagen, dass Chişinău trotz seiner geringen Bekanntheit und Touristenzahlen eine faszinierende Destination ist. Die Stadt beeindruckt mit ihrer reichen Geschichte, kulturellen Sehenswürdigkeiten und einer einladenden Atmosphäre. Von historischen Museen bis hin zu gemütlichen Cafés und Restaurants bietet Chișinău eine vielfältige Palette an Erlebnissen für Reisende, die nach einem authentischen und unentdeckten Städtetrip in Osteuropa suchen.
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