CO2-Steuer: Klimaschutz für die Zukunft oder Belastung für Bürger*innen?

, von  Florian Bauer

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CO2-Steuer: Klimaschutz für die Zukunft oder Belastung für Bürger*innen?
Die CO2-Steuer soll finanzielle Anreize für mehr Klimaschutz bieten. Foto: Unsplash / Robin Sommer / Unsplash License

Die CO2-Steuer spaltet deutsche Parteien. Die Sorge, die dabei im Raum steht: Eine weitere Steuer könnte Bürger*innen und insbesondere einkommensschwache Haushalte zusätzlich belasten. treffpunkteuropa.de-Autor Florian Bauer erklärt, warum das nicht sein muss und was Effort Sharing auf europäischer Ebene ist.

Mit erstaunlicher Geschwindigkeit hat das Thema CO2-Besteuerung jüngst mediale Aufmerksamkeit in Deutschland erhalten. Dies ist sicher auch dem Engagement von Greta Thunberg und weiteren jungen Aktivist*innen zu verdanken, die sich für eine konsequentere Klimapolitik einsetzen. Während sich nahezu alle großen deutschen Parteien über die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen gegen den Klimawandel einig sind, ist die konkrete Umsetzung umstritten.

Gerade eine zusätzliche Steuer weckt Bedenken: CDU-Parteichefin Kramp-Karrenbauer befürchtet, dass dies zu einer weiteren Belastung insbesondere einkommensschwacher Bürger*innen führen könnte. Andere Kritiker*innen zeigen sich darüber besorgt, dass die Einnahmen falsch verwendet und zu einer Aufblähung des Bundeshaushalts genutzt werden könnten. Ein Blick auf den europäischen Hintergrund der deutschen Klimaziele sowie auf Maßnahmen wie den Ökobonus verdeutlicht jedoch die Notwendigkeit effektiven nationalen Klimaschutzes durch einen CO2-Preis und zeigt, wie dieser sozialverträglich gestaltet werden kann.

Die internationale Dimension

Auf globaler Ebene fehlen universale Mechanismen im Kampf gegen den Klimawandel. Stattdessen gibt es Verträge und Verpflichtungen, die einzelnen Ländern und Regionen Emissionsreduktionsziele vorgeben. Bei der letzten großen Klimakonferenz in Paris 2015 hat die Europäische Union stellvertretend für alle Mitgliedsstaaten verhandelt und sich zu einer Emissionsreduktion von 40% bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990 verpflichtet.

Das gemeinsame Reduktionsziel soll zum einen mit dem EU-Emissionshandel erreicht werden: Bei ihm wird eine begrenzte Menge an CO2-Emissionszertifikaten in der Stromerzeugung und einigen Industriesektoren an die Unternehmen zugeteilt und teils versteigert, wodurch sich ein Preis für die Emissionen ergibt. Die Maßnahme deckt dabei ca. 45 Prozent der europäischen CO2-Emissionen ab. Mit ihr entsteht für Unternehmen ein finanzieller Anreiz, CO2-Emissionen zu vermeiden. Außerdem wird die Anzahl der verfügbaren Zertifikate, die Unternehmen untereinander verkaufen können, jährlich reduziert: bisher um 1,74 und ab 2021 um 2,2 Prozent. Die betroffenen Industrien werden so zu stetigen Reduktionsbemühungen gezwungen.

Weitere sollen die Klimaziele im Rahmen des europäischen Effort-Sharing („Lastenteilung“) in den nicht vom Emissionshandel abgedeckten Sektoren mit nationalen Zielvorgaben erreicht werden. Diese Ziele variieren zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten: Deutschland hat beispielsweise mit einer Reduktion von 38% bis 2030 gegenüber den CO2-Emissionen von 2005 ein relativ ambitioniertes Ziel, während einige osteuropäische Länder nur einstellige Reduktionen anvisieren. Bulgarien beispielsweise hat sich sogar lediglich ein Festhalten am derzeitigen Emissionsniveau zum Ziel gemacht. In den verschiedenen Zielsetzungen spiegelt sich auch das hohe Ausgangsniveau der deutschen Emissionen wider, welches in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern Osteuropas deutlich niedriger ist.

Die Erreichung der jährlich gestaffelten Reduktionsziele wird von der EU streng beobachtet, wobei es Mechanismen zur Bestrafung von Mitgliedsstaaten, die ihre Ziele verfehlen, gibt. Um Sanktionen zu entgehen, können Mitgliedsländer allerdings auch Gebrauch von einer Reihe von Flexibilitätsmechanismen machen und sich etwa von anderen Staaten Emissionsrechte einkaufen. Insgesamt wird mit dem Effort-Sharing ein Teil des Problems wieder auf die nationale Ebene verlagert und die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen eigene Maßnahmen und Regulierungen zur Emissionsreduktion einführen.

Nationale Lösungen für ein globales Problem?

Aus wirtschaftlicher Perspektive wäre allerdings auch in den derzeit nicht vom Emissionshandel abgedeckten Bereichen ein gemeinsames europäisches Vorgehen, das einen einheitlichen CO2-Preis etabliert und Ausweichbewegungen von Industrie und Konsumenten in Länder mit geringerer Regulierung verhindert, wünschenswert. Bereiche, die der Emissionshandel aktuell ausklammert, sind insbesondere der Verkehr, die Gebäudewirtschaft und die Landwirtschaft. Politisch bestehen aber gerade hier große Widerstände gegen verstärkte europäische Regulierung und eine Ausweitung des Emissionshandels oder eine EU-weite CO2-Steuer für diese Sektoren erscheint in nächster Zeit daher nicht umsetzbar.

Deshalb ist nationales Handeln notwendig und die diskutierte CO2-Steuer ein vielversprechender Ansatz zum Erreichen der nationalen Klimaziele Deutschlands. Als marktwirtschaftliches Instrument ermöglicht sie dezentrale Entscheidungen der einzelnen Unternehmen und Konsumenten darüber, in welchen Bereichen am effektivsten CO2 eingespart werden kann, und führt insgesamt zu einer Verteuerung klimaschädlichen Konsums. Allerdings gibt es die begründete Befürchtung, eine solche Steuer könnte arme Haushalte besonders hart treffen und soziale Ungerechtigkeiten verschärfen.

CO2-Steuer und soziale Gerechtigkeit

Inwieweit eine Steuer arme Haushalte stärker als reiche trifft, hängt davon ab, ob das besteuerte Gut stärker von Vermögenden oder weniger Vermögenden konsumiert wird und wie leicht der Verbrauch reduziert werden kann. Generell konsumieren einkommensstarke Haushalte mehr und verursachen auch mehr CO2-Emissionen, aber in einigen Bereichen wären auch einkommensschwache Haushalte stark von einer CO2-Steuer betroffen. Dies ist beispielsweise bei den Heizkosten der Fall, da diese sich kaum vermeiden lassen und einkommensschwache Haushalte einen viel größeren Anteil ihres Gesamteinkommens dafür ausgeben müssen. Deshalb könnte die Steuer hier eine starke Belastung für sie darstellen und zu einer Vertiefung sozialer Ungerechtigkeit führen.

Der entscheidende Punkt liegt letztlich aber weniger auf der Einnahmenseite der Steuer, als vielmehr darin, wie das Steueraufkommen verwendet wird: Dabei gibt es ein großes Potenzial, soziale Ungerechtigkeit auszugleichen und sogar zur Umverteilung von Einnahmen und Vermögen innerhalb der Gesellschaft beizutragen.

Der Ökobonus

Der Ökobonus will genau dieses Potenzial ausschöpfen: Die durch eine CO2-Steuer erzielten Einnahmen sollen nach dem Konzept des Ökobonus an alle Einwohner*innen Deutschlands zu gleichem Teil zurückgezahlt werden. Dieser „Bonus“ würde einmal im Jahr ausgezahlt und hätte eine moderate Umverteilung zur Folge. Insgesamt verursachen vermögendere Personen deutlich mehr Emissionen und müssten mehr Steuern zahlen als finanzschwache Haushalte. Sie bekämen aber genau den gleichen Betrag ausgezahlt wie weniger vermögende Haushalte. Zudem würde die zweckgebundene Verwendung etwaiges Misstrauen der Bürger*innen zur Verwendung der Steuereinnahmen abbauen und verdeutlichen, dass es um die richtige Anreizsetzung zum Klimaschutz geht und nicht um eine Vergrößerung des Staatshaushalts.

Aufgrund der direkten Wiederauszahlung an die Bürger*innen ist dabei mit einer größeren gesellschaftlichen Akzeptanz zu rechnen. Diese ist zentral für funktionierenden Klimaschutz, wie das Beispiel der Gelbwesten in Frankreich zeigt: Diese begannen ihre Proteste als Reaktion auf eine geplante Erhöhung der Diesel- und Benzinsteuern, welche nicht entsprechend sozial abgefedert waren und nach Macrons Steuersenkungen für Reiche ein vollkommen falsches Signal an die Bevölkerung sendeten. Obwohl die Steuererhöhung aus wirtschaftlicher und ökologischer Perspektive richtig war, hat die Vernachlässigung der sozialen Auswirkungen zu starkem, berechtigtem Widerstand geführt.

Erfolgreiche Klimaschutzmaßnahmen dürfen deshalb keinen Zielkonflikt zwischen sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit erzeugen, sondern sollten im Hinblick auf eine Vereinbarkeit der Ziele ausgerichtet sein. Deutschland sollte die Lehren aus den französischen Gelbwesten-Protesten ziehen und zur Erreichung der nationalen Klimaziele auf innovative, sozialverträgliche Instrumente wie den Ökobonus zurückgreifen.

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