Das Referendum-Fieber, das zu einer Post-Referendum-Grippe wurde: Mazedoniens Namensänderung

, von  Eva Jovanova, übersetzt von Daniel Batel

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Das Referendum-Fieber, das zu einer Post-Referendum-Grippe wurde: Mazedoniens Namensänderung
Skopje im März 2018 Foto zur Verfügung gestellt von Juuso Järviniemi

Etwa 37 Prozent der Wähler*innen (rund 650.000 Menschen) beteiligten sich am Referendum über das „Prespa-Abkommen“ zwischen Griechenland und Mazedonien. Das Referendum sollte über einen Namenswechsel Mazedoniens entscheiden, verbunden mit der Aussicht, künftig Mitglied der EU und der NATO zu werden. Mehr als 90 Prozent der teilnehmenden Wähler*innen stimmten für die Vereinbarung. Die mazedonische Regierung sieht das nicht-bindende Ergebnis trotz zu niedriger Beteiligung (unter 50 Prozent) als Wegebnung, das Abkommen im Parlament zu ratifizieren und die Verfassungsänderungen, die damit einhergehen, mit einer Zweidrittelmehrheit zu beschließen. Dies könnte allerdings nur dann erreicht werden, wenn mindestens zehn Parlamentsabgeordnete der Oppositionspartei „Vmro-Dpmne“, die das Referendum boykottierten, ihre Meinung ändern und das Prespa-Abkommen nun doch unterstützen.

Wenn du die geringe Wahlbeteiligung des Referendums bedauern möchtest – Stop. Wenn du dich stattdessen über mehr als 600.000 Ja-Stimmen zum Referendum freuen möchtest – Stop. Hier sind ein paar Gründe warum.

Zunächst ist die bloße Idee des Boykotts anstelle einer einfachen Teilnahme am Referendum ziemlich kleinlich. Dazu kommt, dass die extrem ungenaue Wähler*innenregistrierung der Boykott-Kampagne geholfen hat, weil die Wahlbeteiligung beim Referendum mindestens bei 900.000 Stimmen hätte liegen müssen, um gültig zu sein. In einem Land, in dem seit über 16 Jahren keine aktuelle Volkszählung mehr durchgeführt worden ist, ist die Marke von 1,8 Millionen Wahlberechtigten mehr als optimistisch und widerspricht unabhängigen Schätzungen, die nur auf 1,5 Millionen Wahlberechtigte kommen. Auch die erwartete Unterstützung für das Referendum durch die Albanischstämmigen im Land korrespondierte nur teilweise mit der tatsächlichen ethnischen Verteilung in Mazedonien.

Die mazedonische Regierung hat eine erhebliche Menge an Zeit und Geld in das Referendum investiert. Leider wurde dabei nicht das Wähler*innenregister erneuert, wie es 2015 von der EU gefordert worden war. Dies führte zu einer Unvorhersehbarkeit der Wahlbeteiligung und stärkte das Boykott-Lager.

Andererseits ist die sichtbare Tendenz des Referendums erfreulich. Wenn die Opposition in Mazedonien das Referendum unterstützen würde, statt es zu boykottieren, und wenn die Wahlbeteiligung wie bei den vergangenen Parlamentswahlen bei 66 Prozent (deutlich über dem Durchschnitt) liegen würde, dann wäre das Referendum gewiss für die Angliederung an die EU und die NATO ausgegangen. Darüber hinaus zeigt die hohe Aufmerksamkeit, die dem Namensänderungs-Referendum zugekommen ist, dass alle Mazedonier*innen zumindest in irgendeiner Form mit der Frage erreicht werden konnten. Obgleich die geschätzten 75 Prozent der Menschen, die sich angeblich eine EU-Mitgliedschaft wünschten, angesichts des starken Boykott-Lagers bezweifelt werden dürften. Die Unterstützung in der Bevölkerung für einen EU-Beitritt sollte ursprünglich durch die Besuche hochrangiger EU- und NATO-Vertreter gesteigert werden.

Einer der Haupterzählungen, die den Boykott nährten, war die Gleichsetzung der Unterstützung für das Referendum mit jener für die sozialdemokratische Regierungspartei SDSM. Die Menschen, die für das Abkommen mit Griechenland (und damit für die SDSM) stimmten, wurden als Verräter dargestellt. Gleichwohl scheint die SDSM zur Zeit den gleichen Fehler zu begehen, indem sie ebenfalls die Unterstützung für das Referendum mit einer Unterstützung ihrer Partei im Einklang sehen. Dies gibt ihnen möglicherweise zwar den Mut, frühere Parlamentswahlen als turnusmäßig anzusetzen, jedoch fehlen ihnen glaubwürdige Quellen für das propagierte Umfragehoch der SDSM. Es könnte passieren, dass eine erneute Pattsituation entsteht, wie es bereits nach den Wahlen 2016 der Fall war. Einige Quellen behaupten, dass die Sozialdemokraten weiterhin vor der Oppositionspartei Vmro-Dpmne stehen. Allerdings gäbe es nur einen Vorsprung von fünf Prozent.

Alles in allem ist festzustellen, dass die mazedonischen Steuerzahler*innen für das gescheiterte Referendum die Zeche zahlen müssen, ebenso wie für die wahrscheinlich früher stattfindenden Parlamentswahlen. Gleichzeitig wird Mazedoniens Aufnahme in die EU durch den ungelösten Namensstreit weiter blockiert. Sollten die Gespräche über die Namensänderung weiterhin stocken, wird Mazedonien ohne Zweifel in eine schlechtere Verhandlungsposition mit Griechenland geraten. Die jüngsten Umfragen in Griechenland zeigen, dass Alexis Tsipras‘ Partei Syriza in der Wählergunst abrutscht. Dagegen ist es derzeit wahrscheinlich, dass die rechtskonservative „Nea Democratia“ die Wahlen gewinnen wird. Die Partei hatte den Deal mit Mazedonien immer wieder als zu vorteilhaft für Mazedonien kritisiert. Die Zeit läuft also, und Mazedonien wäre gut beraten, den Schlummermodus auszuschalten und in der Angelegenheit voran zu kommen.

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