Demokratische Konvente: Wie weit sind wir?

, von  Louise Guillot, übersetzt von Can Yildiz

Demokratische Konvente: Wie weit sind wir?
Im September letzten Jahres prahlte Emmanuel Macron stolz mit seinem pro-europäischen Engagement und rief das Konzept der demokratischen Konvente ins Leben. Das Ziel? Den Bürger wieder ins Herzen des europäischen Projekts zu rücken und all jene zusammenzubringen, die zur Reformierung der EU beitragen möchten. Foto: Hadi / Wikimedia / Attribution-ShareAlike 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0)

Im September letzten Jahres prahlte Emmanuel Macron stolz mit seinem pro-europäischen Engagement und rief das Konzept der demokratischen Konvente ins Leben. Das Ziel? Den Bürger wieder ins Herzen des europäischen Projekts zu rücken und all jene zusammenzubringen, die zur Reformierung der EU beitragen möchten.

Was ist seit September passiert und was wissen wir noch über diese Konvente? Le Taurillon hat den Bericht der französischen Nationalversammlung vom 7. Dezember 2017 mit eurer Hilfe entschlüsselt.

Das beworbene Ziel der demokratischen Konvente ist natürlich die Reform der EU. Bei einem Blick auf die formulierten Vorschläge wird allerdings deutlich, dass es schwierig sein wird, diese auch umzusetzen... Warum?

Konvente mit Beratungscharakter

Zunächst werden die Konvente eher Beratungen sein, weshalb wir erwarten können, dass die teilnehmenden Bürger*innen keine aktiven Akteure im Entstehungsprozess dieses Reformprozesses sein werden. Letztendlich sind es nämlich die Staaten, die dieses Projekt schreiben, auch wenn die Bürger*innen ihre Meinung in Form eines von den Staaten erstellten Fragebogens kundtun können. Wie neu dieses Projekt auch sein mag, das Projekt der Konvente wird beginnen mit einem langen Fragebogen, den alle europäischen Bürger*innen ausfüllen können. Jedoch werden nur vier Fragen einheitlich in der gesamten EU gestellt, über den Rest dürfen die Mitgliedsstaaten selbst entscheiden. Vier Fragen für eine gemeinsame Grundlage wirken etwas rar und gleichen eher einem ersten holprigen Versuch als einer soliden Grundlage. Die Situationen der einzelnen Mitgliedsstaaten sollten natürlich nicht missachtet werden, jedoch spricht nichts gegen ein größeres Fundament mit mehr gemeinsamen Fragen, wenn das Ziel doch ist, alle europäischen Bürger*innen mit einem gemeinsamen Reformprojekt zu vereinen, das ihre Erwartungen erfüllt. Vier Fragen scheinen nicht gerade ausreichend, um die grundlegenden Prinzipien dieses Projekts festzulegen.

Ein überlaufener Terminplan

Die Errungenschaft demokratischer Konvente beruht grundsätzlich auf der Teilhabe der Bürger*innen und der Mobilisierung der Zivilgesellschaft. Dennoch kommt die Frage auf, ob die Zeitspanne zur Umsetzung der Konvente nicht zu kurz angesetzt ist. Gemäß dem veröffentlichten Kalender haben die Staaten sechs Monate zwischen Mai und Oktober 2018, um die Konvente in die Tat umzusetzen, also Online-Fragebögen zu veröffentlichen und gleichzeitig Veranstaltungen im gesamten Land anzubieten. Nun wirken sechs Monate Reflexionszeit etwas zu ehrgeizig, um konkrete Vorschläge zur Neuausrichtung des europäischen Projekts zu entwickeln und damit ein erfolgreiches, inklusives und repräsentatives Langzeitprojekt aufzubauen, das die Wünsche der europäischen Gemeinschaft wiederspiegelt. Außerdem sieht der Bericht gerade mal zwei Monate für die Zusammenführung und Anpassung aller nationalen Vorschläge vor. Zwei Monate könnten jedoch auch hier zu zur sein, um ein konkretes und juristisch kohärentes Projekt zu erzielen, das die europäische Zukunft noch für einige Jahre prägen wird, wenn es denn tatsächlich ausgeführt wird.

Die Staaten werden wieder das letzte Wort haben: Im Bann des Intergouvernementalismus

In allen teilnehmenden Staaten werden nationale Steuerungskomitees gebildet, um die organisierten Veranstaltungen zu verfolgen, sicherzustellen, dass die Prinzipien einer zwischenstaatlichen Charta beachtet werden und alle Vorschläge zusammenzustellen, um sie dann zu einem „kohärenten juristischen Projekt“ zu formulieren (S.8 des Berichts). Zudem nehmen die Staaten auf freiwilliger Basis teil. Wie soll also ein gemeinsames Projekt erreicht werden, wenn nicht alle Staaten an einem Strang ziehen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle EU-Staaten ein solches Projekt akzeptieren, wenn es nur von wenigen geschaffen wurde. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Risiko, dass viele neue und innovative Ideen unbeachtet bleiben, um auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu kommen. Diese Perspektive scheint der ursprünglichen Idee des französischen Präsidenten also zu widersprechen.

Es ist höchst bedauernswert, dass die Mitgliedsstaaten, deren eigentliches Ziel es war, dem Demokratiedefizit in der EU und der Entfremdung der Bürger*innen von der EU entgegenzuwirken, mal wieder den Weg des Intergouvernementalismus wählen, der nicht gerade für seine Bürgernähe bekannt ist. Dies zeigt jedoch auch, dass die Staaten die Kontrolle über dieses Projekt behalten wollen, das sich sichtbar auf den Bürger*innen stützt.

Bündelung der Ergebnisse durch einen europäischen „Ältestenrat“

Der Bericht der französischen Nationalversammlung sieht vor, dass die Bündelung der Ergebnisse, die in jeden Staat gesammelt wurden, durch einen europäischen „Ältestenrat“ umgesetzt wird, der aus Repräsentanten der nationalen Steuerungsgarkomitees und aus den europäischen Institutionen. Dieser soll ein „technischer Expertise und Neutralität im Umgang mit den Ergebnissen der Konventionen gewährleisten“ (S.8 des Berichts). Abgesehen vom Namen dieser Gruppe stellt sich die ernst zu nehmende Frage der Zusammensetzung dieses Komitees, das letztendlich für das Ausarbeiten eines gefestigten und konkreten Projekts der Neugründung verantwortlich ist. Es ist etwas überraschend, das nicht das europäische Parlament mit dieser Aufgabe beauftragt wurde. Ist nicht gerade das Parlament der Ort par excellence, in dem die Interessen der Bürger*innen und der EU im Allgemeinen repräsentiert werden? Warum wird die Aufgabe, dieses Neugründungsprojekt zu konkretisieren nicht dem neuen europäischen Parlament nach den Wahlen 2019 zugeteilt?

Demokratische und vor allem nationale Konventionen

Zuletzt scheinen die Konventionen nach den Ankündigungen vor allem national zu werden. Der Bericht zumindest besteht nicht auf die Organisation transnationaler Konvente. Wie soll das Aufbauen eines gemeinsamen europäischen Projekts funktionieren, wenn jeder in seinem eigenen Land diskutiert und kein intereuropäischer Dialog stattfindet? Genau das ist doch der Kern der Konvente. Sie könnten die einmalige Gelegenheit sein, pan-europäische demokratische Mitbestimmung in die Tat umzusetzen und den europäischen Bürger*innen die Wiederannäherung an die EU zu ermöglichen, um auf diese Weise letztendlich ein richtiges Europa der Bürger*innen zu konstruieren. Zusammenfassend hebt der Bericht der Kommission für europäische Angelegenheiten der französischen Nationalversammlung viele Herausforderungen hervor: die zahlreichen europäischen Krisen, das Demokratiedefizit, die Entfremdung der EU von ihren Bürgern, der Aufstieg antieuropäischer Bewegungen; aber auch der Mangel an Informationen über die EU und das Handeln gegenüber den Bürgern sowie EU-Bürgerrechte. Der Bericht schafft es jedoch nicht, wirklichen europäischen Ehrgeiz im Hinblick auf die Konvente aufkommen zu lassen, indem er sie in einen nationalen Rahmen packt ebenso wenig wie Mittel zu kreieren, mit denen ein konkretes, zusammenhängendes, solides, inklusives Projekt gelingen könnte, das die Wünsche der europäischen Gemeinschaft aufgreift.

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