Die erste Prognose im neuen Jahr, gut vier Monate vor den eigentlichen Europa-Wahlen am 9. Juni 2024, gibt ein ähnliches Gesamtbild wie in den Vormonaten. Allerdings zeichnet sich auch ein neuer Trend ab.
Die Mitte-Rechts-Partei, die Europäische Volkspartei (EVP), bleibt mit 180 Sitzen die insgesamt größte Fraktion und gewinnt einen Sitz hinzu. Das ist ihr sechster Zugewinn in Folge. Die Mitte-Links-Partei, Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D), folgt mit 140 Sitzen. Das entspricht einem Rückgang von zwei Sitzen. Die zentristisch-liberale, Fraktion Renew Europe (RE), verlor erneut zwei Sitze und kommt nun auf 82. Im Oktober waren für die Partei noch zehn Sitze mehr prognostiziert worden. Mit 402 von 705 Sitzen haben die drei Parteien, die eine informelle Koalition im Europäischen Parlament bilden, eine absolute Mehrheit.
Die drittgrößte Fraktion, Identität und Demokratie (ID), hat in diesem Monat zwei Sitze verloren und steht nun bei insgesamt 91 Sitzen. Dies ist ihr erster Verlust nachdem sie zehn Monate infolge nur Gewinnen verzeichnet hat. Die andere Partei im rechten politischen Spektrum, die Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR), mussten ebenfalls einen Verlust hinnehmen und kommen nun auf 80 Sitze - ein Sitz weniger als im Monat zuvor.
Im linken politischen Spektrum werden die Grünen/ Freie Europäische Allianz (G/EFA) voraussichtlich 51 Sitze erhalten, zwei mehr als noch im Dezember. Die GUE/NGL (LINKE) kommt mit einem Zuwachs von sechs Sitzen auf 42 und ist damit der größte Gewinner im Januar.
Die fraktionslosen Abgeordneten (NI) würden laut der Prognose einen Sitz weniger erhalten und liegen nun bei 49 Sitzen. Die (noch) nicht einer europäischen Fraktion angeschlossenen Parteien werden voraussichtlich fünf Sitze erhalten, ebenfalls ein Sitz weniger.
Aus diesen Ergebnissen ist abzulesen, dass die EVP mit einem Konfidenzintervall von 95 Prozent an erster und die S&D an zweiter Stelle stehen würde, wenn in diesem Monat Europawahlen stattfinden würden. Um den dritten Platz streiten sich drei Fraktionen: ID, RE und ECR sind alle dicht beieinander. Den sechsten Platz teilen sich ebenfalls drei Fraktionen: G/EFA, NI und LINKE haben prognostizierte Ergebnisse auf ähnlichem Niveau. Die kleinste Gruppe in der Wahlprognose sind die noch keiner Fraktion angeschlossenen Parteien, die derzeit aber nicht im Europäischen Parlament vertreten sind.
Die Veränderungen sind auf die Entwicklung der nationalen Parteien zurückzuführen
Die größten Zugewinne für die LINKE kommen von zwei Parteien: zum einen von dem neu gegründeten deutschen „Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit“, das mit drei Sitzen zum ersten Mal in der Prognose auftaucht. Darüber hinaus wird die italienische Sinistra Italiana aller Voraussicht nach wieder mit zwei Sitzen vertreten sein. Ihr Partner in der AVS-Fraktion, Europa Verde aus der G/EFA-Fraktion, wird voraussichtlich ebenfalls mit drei Sitzen in das Europäische Parlament zurückkehren.
Eine weitere große Veränderung in Italien findet in der ECR-Fraktion statt, wo die regierenden Fratelli d’Italia voraussichtlich drei Sitze verlieren wird. Zur gleichen Fraktion gehört auch die polnische Prawo i Sprawiedliwość, die ebenfalls zwei Sitze verlieren dürfte.
Die andere große polnische Partei, das EVP-Mitglied Platforma Obywatelska, wird voraussichtlich zwei Sitze mehr als noch im Dezember 2023 gewinnen. In der S&D-Fraktion wird das ungarische Mitglied Demokratikus Koalíció voraussichtlich auch zwei Sitze verlieren.
Alle anderen nationalen Parteien werden aller Voraussicht nach nicht mehr als einen Sitz gewinnen oder verlieren.
Die Hochrechnung der Wahlstimmenverteilung für Januar bringt ebenfalls einige interessante Veränderungen. Die Europäische Volkspartei (EVP) bleibt mit 22,6 Prozent die größte Fraktion, was einem Rückgang von 0,2 Punkten gegenüber dem Vormonat entspricht. Bei der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D) ist eine gegesätzliche Entwicklung zu beobachten. Die S&D liegt nun bei 18,4 Prozent, was einem Anstieg von einem halben Prozentpunkt entspricht. Renew Europe musste in diesem Monat den größten Rückgang hinnehmen und liegt nun bei 9,5 Prozent (-0,9), dem niedrigsten Wert in dieser Wahlperiode. Zusammen haben die drei Fraktionen der informellen Koalition ihren Anteil verringert, verfügen aber mit 50,5 Prozent der Wähler*innenstimmen immer noch über eine absolute Mehrheit.
Auf der rechten Seite des politischen Spektrums gewinnen beide Fraktionen 0,2 Prozentpunkte hinzu: Die Fraktion Identität und Demokratie erreicht mit 12,3 Prozent den höchsten Wert seit Februar 2020. Die Europäischen Konservativen und Reformisten liegen bei 11,3 Prozent.
Auf der linken Seite sinken die Grünen/Freie Europäische Allianz (G/EFA) auf 6,9 Prozent (-0,1), während der größte Gewinner in diesem Monat, auch in der Hochrechnung der Wählerstimmen, die GUE/NGL (Linke) ist. Mit einem Zuwachs von 1,3 Prozentpunkten erreichen sie damit insgesamt 6,8 Prozent der Stimmen.
Bei den fraktionslosen Abgeordneten ist in diesem Monat ein leichter Rückgang auf 5,9 Prozent (-0,3) zu verzeichnen. Und bei denjenigen, die sich (noch) keiner politischen Gruppierung angeschlossen haben, ein noch größerer verlust auf 6,2 Prozent (-0,7) zu erkennen.
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