Der Neustart einer globalen Klimapolitik

, von  Kai Pittelkow

Der Neustart einer globalen Klimapolitik
Bis Anfang Oktober 2015 hatten 146 Staaten ihre Klimaziele schriftlich festgelegt und bei der UNFCCC eingereicht. Diese Staaten sind für derzeit 87 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. © POC21 - Proof of Concept / Flickr / Attribution-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

Vom 30. November bis zum 11. Dezember findet in Paris die Weltklimakonferenz – „Conference of the Parties“ (COP21) – statt. Trotz der Anschlagsserie in der französischen Hauptstadt und der verstärkten Terrorbedrohung sollen 145 Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme an den Verhandlungen angekündigt haben – ein starkes Zeichen. Die Ergebnisse der Konferenz aber werden ernüchternder sein, als das derzeitige Gefühl so manchen Beobachter vorzugeben mag. Zwar wird die Konferenz ein sehr wichtiges Signal für eine zukünftige globale Klimapolitik senden, letztendlich wird es aber nicht um das ökologisch Wünschenswerte, sondern um das politisch Machbare gehen. Die Europäische Union erhält die Gelegenheit das Ergebnis der zweiwöchigen Verhandlungen mitzugestalten und auf globaler Ebene wieder Fuß zu fassen; dazu braucht es aber diplomatisches Fingerspitzengefühl.

COP21 – ambitionierte Ziele …

In Paris soll das funktionieren, was vor sechs Jahren in Kopenhagen nicht gelang: ein Klimaregime jenseits des Kyoto-Protokolls zu errichten, das von allen Teilnehmerstaaten getragen wird. Seit 2009 legten die Mitglieder in einer Vielzahl von Verhandlungen die Teilstücke eines neuen Abkommens fest. Nun, so hoffen die Vereinten Nationen, werden die Bemühungen in einem Beschluss mit konkreten Zielvereinbarungen und Maßnahmen münden, die Emissionsquellen, die Konzentration von Treibhausgasen und die Folgen des Klimawandels betreffen. Zuerst müssen aber die 195 Vertragsstaaten des United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCC) ausloten, welchen Beitrag sie leisten können, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Wesentlich für die Verhandlungen sind die sogenannten Intended Nationally Determined Contributions (INDC), die die nationalen Klimaziele in der Einsparung oder Reduzierung von Abgasemissionen beinhaltet und als Messgröße für die Leistungsbereitschaft der Akteure gelten kann. Neu ist der Ansatz, bei den Maßnahmen zur Emissionsreduzierung nicht mehr zwischen Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländer zu differenzieren, wie es im Kyoto-Abkommen der Fall ist, sondern alle Akteure in einen Aktionsplan einzubinden.

… und die Realpolitik

Bislang haben 147 von 170 registrierten Akteuren ihren INDC Plan an das UNFCC-Sekretariat in Bonn übermittelt. Immer deutlicher wird, dass das ganz große Ziel, den Anstieg der Erderwärmung zu begrenzen, wohl nicht durch die derzeitige INDCs erreicht werden kann. Jetzt die Klimaziele durch eine Erwartungseuphorie unbedingt festmeißeln zu wollen, könnte in einer Enttäuschung enden. Bereits aus politischen und wirtschaftlichen Gründen wird es für viele Staaten kaum möglich sein, die gewünschten Vereinbarungen verbindlich einzuhalten. Will die UN so viele Akteure wie möglich in einen Aktionsplan einbinden, wird die anstehende Kompromissfindung bei der Vielzahl unterschiedlicher Eigeninteressen der Teilnehmerstaaten eine akteurszentrierte Mammutaufgabe und braucht die volle Aufmerksamkeit der Verhandlungspartner. So hat sich zwar mit den USA ein Global Player seit 2013 ernsthaft bemüht, die Partner China und Indien zu mehr klimapolitischer Zusammenarbeit zu bewegen, was die Wahrscheinlichkeit für eine Kooperation in der Klimapolitik wesentlich erhöhte. Gleichzeitig schwören aber viele Schwellenländer weiterhin auf die Energieerzeugung durch Kohlekraftwerke und mit der US-Präsidentschaftswahl 2016 könnte das US-amerikanische Engagement nächstes Jahr vorbei sein. Letztlich wird es das Ziel der kommenden Klimaverhandlung sein, den Rahmen der künftigen Klimapolitik zusammenzusetzen, um die post COP21 Verhandlungen zu vereinfachen und mögliche Maßnahmen schließlich verbindlich zu gestalten. Hierbei kann sich die EU durch ihren Erfahrungsschatz konstruktiv einbringen, wenn sie umdenkt.

Über die Rolle der Europäischen Union in den kommenden Verhandlungen

Die EU hat sich selbst zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemission im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 40 Prozent zu senken. Damit nimmt der Staatenverbund eine Vorbildungsfunktion ein. Auch mit der Energie-Union und dem ersten „State of the Energy Union“ Bericht der EU-Kommission kommt vor Paris nochmal Dynamik in die europäische Energie- und Klimapolitik. Als Pionier gilt Europa in diesem Politikfeld aber nicht mehr – China und die USA sind dem alten Kontinent in der Umsetzung weit voraus. Will der spanische EU-Kommissar Miguel Arias Cañete also sein Versprechen à la „Europe will be a deal maker, not a deal taker” umsetzen, hat die EU-Kommission endlich die politische Realität zu erkennen und sich auf die eigenen Stärken zu besinnen.

Um in der Klimakonferenz zum Konsens beizutragen, sollte die EU in Paris drei Punkte berücksichtigen:

1. Die Kommission muss davon abrücken, ihre Initiativen ausschließlich an der Klima- und Umweltforschung zu orientieren. Längst wird das Klimapolitikfeld durch Wirtschafts-, Verbraucher-, Transport- und Verkehrspolitik beeinflusst. Diese Faktoren darf die EU in der Klimadebatte nicht unberücksichtigt lassen, sondern muss bei der kommenden Problemlösungsfindung flexibel, aber entschlossen agieren.

2. Die Kommission muss sich davon verabschieden, mit dem Ziel eines völkerrechtlich verbindlichen Beschlusses in die Verhandlungen von Paris zu gehen, wie die Institution in einem im Februar 2015 eingebrachten Vorschlagverdeutlicht hat. Ein rechtlich verbindliches Abkommen wird es mit den Ländern wie China, Indien und den USA nicht geben.

3. Um Handlungsblockaden zu überwinden, könnte die EU in den Bereichen der Klimafinanzierung und des Technologietransfers unterschiedliche Interessen ausgleichen und Anreize schaffen. Vor allem die langjährige Erfahrung zäher klimapolitische Verhandlungen im Europäischen Rat müssen genutzt werden. Im speziellen durch die Energie-Union kann die Kommission fruchtbare Vorschläge über die Verbindung von vielfältigen subnationalen und transnationalen Aktionen mit dem globalen Regime herstellen. Zwar hatte das Kyoto-Protokoll Projekte auf lokaler und regionaler Ebene angeregt, systematisch umgesetzt haben die Partner sie aber nicht. Gleichzeitig muss die EU vor zu weitreichenden Vereinbarungen acht geben, die sie dann an die eigenen Mitgliedstaaten kommunizieren muss. Auch innerhalb der EU gibt es starke Interessengegensätze in der Energie- und Klimapolitik. Mit der beschränkten Handlungsfreiheit der EU und den unterschiedlichen Interessen einer Vielzahl von Akteuren braucht der EU-Vertreter in den COP21-Verhandlungen eine große Portion diplomatisches Geschick – viel Erfolg!

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