Datenstrategie der EU

Die Datenstrategie der Kommission – Europa auf der Suche nach dem dritten Weg

, von  Fabian Waiblinger

Die Datenstrategie der Kommission – Europa auf der Suche nach dem dritten Weg
Die europäische Kommission legt mit ihrer Datenstrategie eine Vision vor, wie Europas digitale Zukunft aussehen könnte. Fotoquelle: Unsplash / Markus Spiske / Unsplash Lizenz

Der Umgang mit Daten definiert unsere Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Wie kann eine europäische Datenstrategie aussehen, die Innovation fördert und gleichzeitig mit den Werten der Union vereinbar ist?

Keine Diskussion zur Digitalisierung in den letzten Jahren kommt ohne die Behauptung aus, wonach Daten das neue Öl seien. Diese Metapher ist schief und doch richtig. Beide Rohstoffe sind sehr unterschiedlich in ihren Eigenschaften. Im Gegensatz zu Öl sind Daten nicht knapp. Ihre Verbreitung ist kostenfrei möglich.

Trotz dieses Unterschiedes werden Daten in der Gesellschaft nach der digitalen Revolution den Platz einnehmen, den Öl während der industriellen Epoche eingenommen hat: Das zentrale Element und Grundlage aller Wertschöpfung. Nahezu kein Geschäftsmodell ist davon unabhängig. Daher ist die Entscheidung der EU, wie der Umgang mit Daten gestaltet werden soll, zentral für unsere Zukunft. Und ihre Bedeutung wird weiter zunehmen. Laut Prognosen wird das weltweit generierte Datenvolumen von 33 Zettabyte im Jahr 2018 auf 175 Zettabyte im Jahr 2025 ansteigen.

Die zwei anderen Modelle

Im globalen Maßstab haben sich das chinesische und das US-amerikanische Modell für den Umgang mit Daten etabliert. Der chinesische Markt ist geprägt von einer Kombination aus staatlicher Überwachung und großen Technologieunternehmen. Die riesigen Datenmengen werden von Staat und Großunternehmen gemeinsam kontrolliert, ohne Schutzvorkehrungen für das Individuum.

In den USA hingegen bleibt die Organisation des Datenraums dem Privatsektor überlassen, was zu starken Monopolisierungstendenzen führt. Netzwerkeffekte führen dazu, dass wenige Plattformen die digitalen Märkte beherrschen. Gleichzeitig ist der Datenschutz eher gering. Anders als in der EU ist der Datenschutz in den USA nicht allgemein und umfassend, sondern branchenspezifisch geregelt. Ein Großteil beruht auf Selbstverpflichtungen seitens der Unternehmen.

Beide Herangehensweisen sind weder mit den europäischen Werten, wie dem unbedingten Schutz der Privatsphäre, noch mit den Zielen der Union, wie fairem Wettbewerb, vereinbar.

Der europäische dritte Weg

Mit der europäischen Datenstrategie, die am 19.02.2021 vorgelegt wurde, versucht die Kommission einen dritten Weg zu entwerfen. Er stellt keinen Kompromiss zwischen dem chinesischen und US-amerikanischen Modell dar, sondern bildet eine eigene Vision. Die Grundidee ist, den Austausch und die breite Nutzung von Daten zu fördern und gleichzeitig hohe Sicherheits- und Ethik-Standards zu wahren.

Anders als beim US-amerikanischen und chinesischen Modell, soll Datenschutz also eine wichtige Rolle spielen. Darunter wird in erster Linie nicht Datensparsamkeit, sondern Datensouveränität verstanden. Es soll also nicht darum gehen, möglichst wenig Daten zu erzeugen. Stattdessen soll das Individuum selbstbestimmt über die Nutzung dieser Daten entscheiden können. Gleichzeitig sollen der Zugriff und die Verwendung von denjenigen Daten erleichtert werden, welche anonym sind oder zu deren Nutzung das Individuum zugestimmt hat.

Hierzu will die Kommission in den nächsten Jahren mindestens neun sogenannte „Common European Data Spaces“ etablieren, in denen thematische Datenpools aus unterschiedlichen Quellen aufgebaut werden. Technische und rechtliche Rahmenbedingungen definieren, welche Akteure unter welchen Bedingungen an welche Daten kommen. Außerdem soll eine europäische Cloud-Infrastruktur, das sogenannte GAIA-X geschaffen werden.

Das übergeordnete Ziel der Datenstrategie ist es, einen einheitlichen europäischen Markt für Daten zu schaffen. Es sollte ein Raum sein, in dem das EU-Recht wirksam durchgesetzt werden kann und in dem alle datengetriebenen Produkte und Dienstleistungen den Normen des EU-Binnenmarkts entsprechen.

Datenschutz, Wettbewerb und Innovation zusammen denken

Durch die einfachere Nutzung von Daten soll der technologische Fortschritt in Europa gestärkt werden. Bisher scheiterte die innovative Weiterverwendung von Daten, z.B. durch künstliche Intelligenz, häufig an einem Mangel an zur Verfügung stehenden Daten.

Unternehmen, öffentliche Stellen sowie Bürger*innen sollen die Möglichkeit bekommen, einfacher miteinander ihre Daten zu tauschen. Konkret kann dies z.B. ermöglichen, dass private Fahrdienstplattformen ihre Daten anonymisiert zur Verfügung stellen, die dann der Staat zur besseren Entwicklung von kommunalen Mobilitätskonzepten nutzen kann.

Um eine Marktkonzentration wie in den USA und in China zu vermeiden, erwägt die Kommission, neue Möglichkeiten des Wettbewerbsrechts einzuführen. In Ausnahmefällen könnten z.B. Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Daten anonymisiert zu teilen. Statt marktbeherrschende Plattformen, die alle Daten exklusiv besitzen, soll so der faire Wettbewerb sichergestellt werden. In den USA haben sich viele Monopole auf digitalen Märkten etabliert. Ihr Vorsprung durch die angehäuften Daten gibt kleineren Herausforderern keine Chance– und hemmt somit zukünftige Innovation und Entwicklung.

Europas dritter Weg – Chance auf Erfolg?

Die europäische Kommission legt mit ihrer Datenstrategie eine Vision vor, wie Europas digitale Zukunft aussehen könnte. Ob es funktioniert, Datensouveränität und Datenaustausch in Einklang zu bringen, um so Innovationen zu ermöglichen, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen. Die Datenstrategie der EU ist keine bloße technische Angelegenheit, sondern setzt vielmehr den Kurs für die Gestaltung unserer digitalen Gesellschaft und Wirtschaft in den nächsten Dekaden. Sie entscheidet darüber, ob das europäische Modell auch in der Zukunft bestehen kann.

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