Die Europäisch-Afrikanischen Beziehungen neu denken: Eine gemeinsame Vision für 2030

, von  Massimo Spinelli, übersetzt von Léa Glasmeyer

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Die Europäisch-Afrikanischen Beziehungen neu denken: Eine gemeinsame Vision für 2030
Cyril Ramaphosa, der Präsident von Südafrika, während eines Interviews beim sechsten EU-AU Summit in Brüssel, 17. Februar 2022 Foto: Flickr / GovernmentZA / CC BY-ND 2.0

Unmittelbar vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar trafen sich am 17. und 18. Februar die Regierungschefs der Europäischen Union mit den 40 Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union. Obwohl die Situation an der östlichen EU-Grenze ganz oben auf der Tagesordnung stand, war das Treffen in Brüssel von herausragender Bedeutung für die Beziehungen zwischen beiden Kontinenten.

Alte und neue Beziehungen

Als sich die Europäische und die Afrikanische Union (AU) zu ihrem sechsten Gipfeltreffen im Februar 2022 treffen ist die letzte Begegnung bereits über vier Jahre her, seitdem haben sich die Beziehungen zwischen beiden Kontinenten kontinuierlich verschlechtert. Einige afrikanische Länder sehen in China nach wie vor ihren wichtigsten Partner, insbesondere jene Staaten, die schon lange neue Investitionen für die Entwicklung des Kontinents fordern. Die Finanzinvestitionen der letzten Jahre im Rahmen der Neuen Seidenstraße haben das Engagement Pekings für die Verbesserung der Infrastruktur und für die nationale Entwicklung einiger afrikanischer Staaten tatsächlich unter Beweis gestellt. Die EU-Gelder hingegen zielten primär auf Sicherheitsbelange und die Demokratisierung nationaler Institutionen auf dem gesamten Kontinent ab. Dabei gibt es bei den europäischen Maßnahmen vor Ort noch erheblichen Verbesserungsspielraum, wie die jüngsten Staatsstreiche in Mali, Tschad und Mosambik zeigen.

Mit einer klaren Agenda gingen Ursula von der Leyen und Charles Michel in das Treffen und stellten ihre gemeinsame Vision für eine erneuerte Partnerschaft vor, in der die EU sich zum wichtigsten Partner des Kontinents nun entwickeln soll. Die neue europäische Sicherheitsstrategie „Global Gateway“ sehen viele dabei als einen Versuch, dem asiatischen Drachen Konkurrenz zu machen.

Trotz der im Voraus festgesetzten Ziele und Prioritäten wich die Diskussion schnell vom eigentlichen Thema ab. Aufgrund der geäußerten Sorgen vieler afrikanischer Staatsoberhäupter um eine gerechte Impfstoffvergabe im Kampf gegen die Covid-19 Pandemie konnten die anfänglichen Erwartungen der europäischen Führungsspitzen ebenfalls nicht erfüllt werden.

Covid-19-Pandemie und weitere Themen im Fokus

Dass sich afrikanische Staaten in erster Linie mit dem Thema der Covid-19-Pandemie befassten überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass die Impfquote der Europäer*innen derzeit bei etwa 80 Prozent liegt, während nur 12 Prozent der afrikanischen Bürger*innen einen vollständigen Impfschutz erhalten haben (Daten: Africa CDC).

Während China und die EU darum wetteiferten, afrikanischen Ländern die meisten Corona-Impfdosen zur Verfügung zu stellen, waren für afrikanische Staatsoberhäupter andere Themen hoch auf der Agenda. Etwa das Angebot der EU, Impfpatente und -technologien mit afrikanischen Pharmaunternehmen zu teilen. Dies würde zweifellos eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen den beiden Unionen darstellen, bei der die afrikanischen Staaten nicht mehr von europäischen Entscheidungen abhängig wären. Ein wichtiger Fortschritt für den afrikanischen Kontinent, insbesondere bei einem so sensiblen Thema wie der öffentlichen Gesundheit. Dass kein Kompromiss getroffen werden könnte wurde bald ersichtlich, als einige europäische Länder, darunter auch Deutschland, sich weigerten, hierfür einen Teil ihrer Gelder zur Verfügung zu stellen. Kommissionspräsidentin Von der Leyen schlug stattdessen vor, bis zum Frühjahr eine endgültige Entscheidung zu diesem Thema zu treffen.

Während sich EU-Institutionen primär um die Verpflichtungen afrikanischer Länder, sowohl Rückflüsse zu akzeptieren als auch möglicherweise zu subventionieren, sorgten, forderte die AU weitere Garantien für Investitionen im Rahmen der Gateway-Strategie und des kürzlich genehmigten Europäischen Green Deal. Der Klimawandel stellt den Kontinent in der Tat vor großen Herausforderungen, die afrikanische Regierungen zum raschen Handeln zwingen. Darüber hinaus gingen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs skeptisch an die Finanzierungsdebatte heran und versicherten nur vorsichtig, dass die vorgesehenen und bereits im EU-Haushalt 2021-2027 enthaltenen Finanzmittel nicht umbenannt werden würden. Insgesamt scheint auch das versprochene 150-Milliarden-Euro-Investitionspaket bei den von afrikanischen Staats- und Regierungschefs als kritisch erachteten Themen zu kurz zu greifen, wie etwa bei Investitionen in erneuerbare Energien bis hin zu Migrationsfragen.

Auf dem Weg zu engeren Beziehungen

In der Zwischenzeit hat sich die Lage in Osteuropa zunehmend verschlechtert, und die Gefahr einer Eskalation steht unmittelbar bevor. Obwohl die Staats- und Regierungschefs beider Kontinente entschlossen schienen, die Bedeutung des Gipfels, der sich bereits um 18 Monate verzögert hatte, zu würdigen, schaffte es die Resonanz des Treffens aufgrund der ukrainisch-russischen Krise nicht in die Schlagzeilen. Auch scheint der Kontext einen negativen Einfluss auf die Ergebnisse des Treffens gehabt zu haben, der angesichts der Breite und Relevanz der vorgelegten Berichte dennoch eher begrenzt blieb. Auch wenn die derzeitigen Umstände und die Instabilität an der osteuropäischen Grenze keine idealen Bedingungen für die Erzielung substanzieller Einigungen zu sensiblen Themen (etwa Covid-19-Impfungen, Patentrechte und Energiewendepolitik) boten, stellt der Gipfel dennoch einen wichtigen Meilenstein für die Beziehungen zwischen den beiden Unionen dar. In dieser Hinsicht konnte das Treffen trotz schwieriger kontextueller Bedingungen die Grundlage für zukünftige ehrgeizige Entscheidungen zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union legen.

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