Die italienische EU-Ratspräsidentschaft: Roms neues Selbstbewusstein

, von  Federico Permutti

Die italienische EU-Ratspräsidentschaft: Roms neues Selbstbewusstein
In seiner Regierungserklärung vor der italienischen Abgeordnetenkammer am 24. Juni skizzierte Renzi die Prioritäten der italienischen EU-Ratspräsidentschaft. Foto © Tiberio Barchielli e Filippo Attili / Presidenza del Consiglio, 24.06.2014

Bereits zum zwölften Mal übernimmt ab Juli Italien den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Damit beginnt auch die nächste „Trio-Ratspräsidentschaft“ zusammen mit Lettland und Luxemburg. Den Schwerpunkt des Programms für das kommende Semester bilden umfassende Reformvorhaben auf nationaler Ebene, die zugleich einen „Neuanfang“ für Europa ermöglichen sollen. Davon verspricht sich Italien eine prominentere Rolle in der EU.

Anlässlich seines Amtsantritts im Februar 2014 hatte der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi (Demokratische Partei – PD) tiefgreifende Reformen angekündigt. Wichtigste Baustellen sind seiner Meinung nach der Arbeitsmarkt, die öffentliche Verwaltung und das Wahlgesetz. Auch das Parlament möchte Renzi neu strukturieren , um die Befugnisse des Senats zu stutzen und somit das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen. Das übergeordnete Ziel der Regierung ist es, dem Land neuen Schwung zu verleihen. In seiner Regierungserklärung vor der italienischen Abgeordnetenkammer am 24. Juni kündigte Renzi an, das Reformprogramm bis Mai 2017 umzusetzen. Eine konkrete Aufstellung der einzelnen Punkte will die Regierung bis zum 1. September 2014 vorlegen.

Neben den nationalen Reformen stellte Renzi in seiner Erklärung den Abgeordneten auch die Prioritäten der italienischen Ratspräsidentschaft vor. Diese knüpfen direkt an die wichtigsten Themen der nationalen Agenda an: So wird sich die italienische Regierung ähnlich wie die gerade zu Ende gegangene griechische Ratspräsidentschaft für mehr Wachstum und gegen die Arbeitslosigkeit in der Union einsetzen. Außerdem will man sich verstärkt mit der Flüchtlingspolitik befassen. Zwar hatte bereits Renzis Vorgänger, Enrico Letta, wachstumsorientierte Maßnahmen als Grundlage des „italienischen Semesters“ im zweiten Halbjahr 2014 identifiziert. Doch der gegenwärtige Ministerpräsident macht deutlich, dass der neue Kurs Italiens eng mit der EU verbunden sein wird. So sollen die in Italien geplanten Arbeitsmarktreformen stärker an die Reformen auf EU-Ebene gekoppelt sein.

Die Prioritäten Italiens für Europa

Um die Wirtschaft in Europa wieder in Schwung zu bringen , soll innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspakts mehr Raum für wachstumsorientierte Maßnahmen geschaffen werden. Insbesondere will Renzi mehr Zeit aushandeln, um das Haushaltdefizit unter die Drei-Prozent-Grenze zu senken. Zweitens sollen der Klimaschutz und die Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen: Bereits im Oktober 2014 könnte der Europäische Rat Grundsätze für die künftige Energiepolitik Europas formulieren. Kernthemen werden dabei die Verringerung der CO2-Emissionen, eine höhere Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien sein. Rom pocht zudem auf einen verstärkten Einsatz der EU mit Blick auf den zunehmenden Andrang von Flüchtlingen, von dem das Land mehr als andere Mitgliedstaaten betroffen ist. Unter anderem soll die Operation „Mare Nostrum“ der italienischen Marine und Küstenwache zur Rettung von Flüchtlingen in die Tätigkeiten der Frontex-Agentur eingebettet werden. Darüber hinaus fordert Rom eine Neuregelung der Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Nach der Dublin-III-Verordnung, die die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich von Asylverfahren bestimmt, ist in den meisten Fällen der erste Mitgliedstaat, den ein Asylbewerber betritt, für die Prüfung des Asylantrags in der Pflicht. Dies will Renzi ändern, um Italiens Behörden zu entlasten.

Die Einzelheiten des Programms wird Renzi anlässlich der ersten Plenarsitzung des neuen Europäischen Parlaments am 2. Juli 2014 vorstellen. Der Ministerpräsident ließ allerdings schon verlauten, dass er einen „Neuanfang“ für Europa einleiten wolle. Dies soll durch parallel durchgeführte Reformen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Die „neue EU“ soll daher durch einen breiten Konsens auf nationaler Ebene untermauert werden.

Italien zeigt neues Selbstbewusstsein

Italien werde sich dabei nicht länger auf Listen von Empfehlungen oder – wie Renzi sie bezeichnet – „Einkaufszettel“ aus Brüssel einlassen. Stattdessen sollen Reformen primär aufgrund ihrer Notwendigkeit umgesetzt werden. Im Wesentlichen soll das Land mehr finanziellen und zeitlichen Spielraum bekommen, um die Maastricht-Kriterien einzuhalten. So sollen wachstumsorientierte Investitionen bei der Berechnung des Defizits nicht berücksichtigt werden. Auch die Neubesetzung der EU-Ämter bietet eine Profilierungschance: Außenministerin Federica Mogherini gilt mittlerweile als Kandidatin für den Posten des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Der italienische Staatssekretär für Europafragen, Sandro Gozi, kommentierte zudem, dass Rom ein „starker Kommissar-Posten“ in Aussicht gestellt worden sei. Über die neuen Kommissionsposten soll bis Oktober 2014 entschieden werden.

Italien zeigt sich zunehmend selbstbewusst und scheint sich von der EU-Ratspräsidentschaft eine führende Rolle in der EU zu versprechen. Ob es Matteo Renzi gelingen wird, sich durchzusetzen, hängt jedoch auch von den restlichen EU-Mitgliedstaaten ab. Vor allem in Deutschland stoßen die italienischen Forderungen bereits auf Widerstand: So machte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem EU-Gipfel vom 26.-27. Juni deutlich, dass sie eine Änderung des Stabilitätspakts ablehne. Auch für eine neue Verteilung von Flüchtlingen gibt es in der Bundesregierung wenig Unterstützung.

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