Die – nicht so überraschende – Rückkehr der Rechten in Athen

, von  Alexis Vannier, übersetzt von Johanna Varanasi

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Die – nicht so überraschende – Rückkehr der Rechten in Athen

Die griechischen Wähler*innen haben die Quasi-Nominierung von Christine Lagarde (eine der führenden Köpfe der „Troika“) als neue Vorsitzende der Europäischen Zentralbank sicherlich sehr begrüßt - eine Woche vor den Parlamentswahlen im Land der Wiege der Demokratie.

Wechsel in Sichtweite!

Aléxis Tsípras hatte es besonders eilig bei der letzten außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 31. Juni bis 2. Juli. Die Staats- und Regierungschefs drückten ganz schön auf die sprichwörtliche Tube, um - in einer für Brüssel einzigartigen demokratischen Transparenz - die Kandidat*innen der zukünftigen Leitungsebene der EU-Institutionen (Kommission, Rat, Parlament, EZB) zu benennen. Grund war zwar auch der politische, institutionelle und mediale Zeitdruck aber eben auch der griechische Premierminister, der so schnell wie möglich nach Athen zurückkehren wollte, um den letzten Abschnitt des Wahlkampfes für die Parlamentswahlen am 7. Juli zu beginnen.

Alexis Tsípras selbst hatte diese Parlamentswahlen eigentlich um drei Monate vorziehen wollen. Ausgerufen hatte er sie am Abend der Europawahl, als seine Syriza-Partei mit 23,7 % der Stimmen um zehn Punkte vor der konservativen Partei Nea Dimokratia lag. Die traditionellen linken, sozialistischen und kommunistischen Parteien ihrerseits stagnieren bei etwa 7% bzw. 5,3%, während extrem Rechte in der Bedeutungslosigkeit verschwanden. Die neofaschistische Partei Goldene Morgenröte verlor die Hälfte der Wähler*innen an die neue nationalistische und pro-russische Partei Elliniki Lysi, der „Griechischen Lösung“.

Diese Wahl war für die linkspopulistische Regierung daher kompliziert, insbesondere nach einer wiederholten Niederlage bei den Kommunalwahlen Anfang Juni. Die Wähler*innen schienen ihre Enttäuschung und Frustration über die Austeritätspolitik zu zeigen, ihre Enttäuschung gegenüber demjenigen, der versprochen hat, die Kreditgeber von seinem Plan zu überzeugen und die Hilfe für die Ärmsten zu einer Priorität zu machen - während Griechenland mit den Auswirkungen der Pattsituation in einer katastrophalen Finanz- und Haushaltslage, die durch das Schweigen der einen und die Lügen der anderen noch problematischer wurde, zu kämpfen hat.

Während sich die Troika in einer von wirtschaftlichen Fragen dominierten Kampagne verändert – wenn auch nur minimal - scheinen die griechischen Vertreter*innen der Austeritätspolitik Herz und Verstand des griechischen Volkes wiedererlangt zu haben. Die Umfragen haben tatsächlich einen sehr starken Vorsprung prognostiziert. Bei den letzten Parlamentswahlen im September 2015, die insbesondere die Haushaltsentscheidungen von Tsípras bestätigen sollten, erhielt seine Partei fast 35% der Stimmen und 145 von 300 Sitzen im griechischen Parlament Voulí, gefolgt von der Nea Dimokratia mit 28% und 75 Sitzen. Die neofaschistische Goldene Morgenröte erreichte mit fast 7% der Stimmen den dritten Platz.

Nationale Wahlen, regionale Auswirkungen

Wie so oft bei nationalen Wahlen (siehe Schweden, Dänemark, Finnland...) werden die Auswirkungen auf Europa schnell deutlich: Alexis Tsípras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev besiegelten mit dem am 17. Juni 2018 unterzeichneten Prespa-Abkommen einen Kompromiss, der den historischen Konflikt zwischen den beiden Staaten beenden sollte. Mazedonien änderte den Namen mit Zustimmung der Staatsangehörigen in Nordmazedonien und die Griechen hoben das Veto gegen den Beitritt seines Nachbarn zur Europäischen Union und zur NATO auf.

Während die Gegner*innen dieses Vertrags scheiterten, versprach die politische Rechte als Reaktion auf eine während der Verhandlungen geäußerte Unzufriedenheit der Bevölkerung, dieses Abkommen im Falle eines Wahlsieges zurückzuziehen. Ob es sich nun um eine national-konservative Position oder eine einfache politische Strategie handelt, die Infragestellung dieses Abkommens könnte dem Integrationsprozess Nordmazedoniens einen neuen Schlag versetzen, auch wenn die Bemühungen der Mazedonier*innen von grundlegender Bedeutung sind.

Darüber hinaus stand Zypern in den letzten Monaten im Fokus der Nachrichten als die regionalen Spannungen bei der Ausbeutung von Gasressourcen in den Hoheitsgewässern der Insel Aphrodite wieder auflebten. Der traditionelle Verbündete Nikosias wird sich daher den unterschiedlichen Interessen von Türk*innen und Ägypter*innen stellen müssen.

Absolute Mehrheit für die neuen Konservativen

Mit fast 40 % der Stimmen und einem System der Zählung von Sitzen, das dem Gewinner zugutekommt, wird den Konservativen nun eine absolute Mehrheit im Voulí garantiert. Die scheidende Regierung erhielt mehr als 30% der Stimmen. Bemerkenswert ist auch das Verschwinden der Goldenen Morgenröte, die unterhalb der 3%-Hürde bleibt und damit alle ihre achtzehn Sitze verliert, während die Griechische Lösung zehn Sitze erhielt und die vom ehemaligen Finanzminister Yánis Varoufákis angeführte Formation neun Abgeordnete stellen. Der Vorsitzende der Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotákis, wurde als Premierminister vereidigt. Dies markiert die Rückkehr einer Dynastie von Politiker*innen, die den Clintons und anderen amerikanischen Kennedys würdig ist. Er ist der Sohn von Konstantínos Mitsotákis, Ministerpräsident von 1990 bis 1993, Bruder des ehemaligen Ministers und Bürgermeisters von Athen, Dóra Bakoyánni, sowie Onkel des derzeitigen Bürgermeisters von Athen, Kostas Bakoyannis, und Nachkomme von Eleftherios Venizelos, der als „Gründer des modernen Griechenlands“ gilt.

Der ehemalige Minister für öffentliche Reformen initiierte einen Plan zum Abbau von fast 15.000 Beamtenstellen im Jahr 2014. Er versprach, auf der Grundlage seiner Erfahrungen und seines Studiums die griechische Wirtschaft, die noch im Rückstand ist, wiederzubeleben. Er ist bekannt für seinen „festen Griff“, der sich in der Vergangenheit in seinem gnadenlosen Kampf gegen Kriminalität und illegale Einwanderung bereits zeigte.

Die Griechen haben ihrem Land trotz einer eher dürftigen Wahlbeteiligung von 57% eine ganz neue Richtung gegeben – nämlich deutlich nach rechts - und hoffen, wieder einmal die Schattenseite des „Grexit“ umzublättern, indem sie der Partei erneut eine Chance geben, die kürzlich von denselben griechischen Bürger*innen beschuldigt wurde, für den wirtschaftlichen Abschwung verantwortlich zu sein.

Dieses Hin und Her, welches nun wirklich nicht als Begeisterung für eine bessere Zukunft interpretiert werden kann, macht deutlich, dass die letzte Hoffnung, die Austeritätspolitik zu beenden um endlich aus dem Blickfeld der internationalen Gläubiger zu verschwinden, nun auf dem politisch rechten Lager liegt.

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