Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik erklärt

Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ)

, von  Marc Nikolov, Miriam Peters, Olav Mydland, The European Security and Defense Network, übersetzt von Noëlle Cremer

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Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ)

In diesem zweiten Artikel konzentriert sich das Netzwerk der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die kürzlich geschaffene Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ). Diese Kooperation stellt im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einen historischen Schritt dar und ist damit der Grundstein für die Errichtung einer gemeinsamen Verteidigungsunion im Jahr 2025, wie sie Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2017 angekündigt hat.

[RANGEZOOMT: die SSZ}

Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) in der Verteidigung war lange das „Dornröschen“ der Lissabonner Verträge: die Vertragsbestimmungen zur SSZ (Artikel 42.6 und 46 TEU, wie das Protokoll 10) wurde bis zu diesem Jahr nie genutzt. Im Kontext der Globalen Europäischen Sichterheitsstrategie (EUGS) eingeführt, erlaubt die SSZ Mitgliedsstaaten, die dazu in der Lage und gewillt sind, „ihre Effektivität in Sicherheitsfragen zu erhöhen und innerhalb des EU Rahmens die Verteidigungskooperation stärker zu integrieren und zu festigen“. Mit dem Ziel einer gemeinsamen Entwicklung von militärischen Fähigkeiten basiert die SSZ auf einer freiwilligen Teilnahme. Und obwohl die Entscheidungsfähigkeit bei den Mitgliedsstaaten verbleibt, sind ihre Vereinbarungen bindend. Die SSZ ist mit anderen Europäischen Initiativen im Verteidigungssektor verbunden, wie zum Beispiel mit dem Europäischen Verteidigungsfond oder CARD.

Bisher haben die Mitgliedsstaaten drei Schritte unternommen: im September 2017 haben sie ihre Vereinbarungen zu verschiedenen Themen, wie Verteidigungsinvestitionen, Fähigkeitsentwicklung und Betriebsbereitschaft, zusammengetragen. Im November desselben Jahres haben sie den ersten offiziellen Schritt eingeleitet: sie haben den hohen Vertreter und den Rat über die Prinzipien und Vereinbarungen, die getroffen wurden, informiert. Schließlich im Dezember haben sie die SSZ offiziell mittels einer Ratsentscheidung ins Leben gerufen.

Fünfundzwanzig EU-Mitgliedsstaaten, alle außer Dänemark, Malta und Großbritannien, nehmen an einem ersten Entwurf von siebzehn Projekten zum Thema Betrieb und Fähigkeitenentwicklung teil. Diese Projekte bedienen ein breites Spektrum, von der Schaffung des European Medical Command, eines EU Training Mission Kompetenzzentrums, zu gegenseitiger Unterstützung im Bereich der Cybersecurity und der Etablierung von Cyber Rapid Response Teams, zu militärischer Katastrophenhilfe sowie einer Aufstockung der maritimen Überwachung.

Eine komplette List kann hier abgerufen werden

Mehr dazu im European External Action Service’s PESCO factsheet

Anfangs vor allem von Frankreich und Deutschland verfolgt, scheint die SSZ inzwischen stärker zu Deutschlands Vorstellungen zu passen: eine SSZ, die zwar weniger ehrgeizig, aber breiter aufgestellt ist. Paris hatte eine tiefergehende, ehrgeizigere SSZ mit weniger Mitgliedsstaaten bevorzugt.

Mehr dazu in der Financial Times

Europäische militärische Kooperation: Wie Europa verteidigen?

Die SSZ wird von einem französischen Militäroffiziellen als das „strategische Erwachen in Europa“ bezeichnet. Europa muss sich neuen Bedingungen wie dem Terrorismus, Cyberattacken oder der Angst vor russischer Aggression gegenüber europäischen Ländern stellen. Nichtsdestotrotz soll die SSZ nicht als Konkurrenz zur NATO verstanden werden, sondern vielmehr gemeinsame Missionen anregen und die nationalen Rüstungsindustrien miteinander verbinden. Die heutige EU hat mehr als 178 verschiedene Waffensysteme. Verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann dazu beitragen, dass die EU im globalen Technologierennen nicht den Anschluss verliert. Es wird jedoch eine richtige Probe für die SSZ, mit diesen gemeinsamen Industrieprojekten umzugehen. Die EU muss gemeinsame Lösungen finden, um militärische Ausrüstung anzugleichen und nationale Unterschiede zu überwinden – dies ist ein Langzeitprojekt und kann als Härtetest angesehen werden. Zum Beispiel wird es mehr als ein Jahrzehnt der Planung benötigen, den deutschen Eurofighter und den französischen Rafale zu ersetzen.

Dazu mehr in EurActiv

Irland tritt der NATO bei: ist das der Beginn einer europäischen Armee?

Irland hat sich traditionell gegen Militärbündnisse ausgesprochen und hat eine lange Geschichte als neutraler Staat in internationalen Konflikten. Nichtsdestotrotz muss gesagt werden, dass als Irland beschlossen hat, der SSZ beizutreten, diese Entscheidung keine Massenproteste oder konstitutionellen Änderungen hervorgerufen hat. Der irische Taoiseach Leo Varadakar erklärte Irlands Gründe, der SSZ beizutreten, so einfach: „Meiner Ansicht nach ist ein Europa, welches es Wert ist aufgebaut zu werden, auch wert, verteidigt zu werden“. Darüber hinaus haben irische Analytiker*innen herausgestellt, dass die SSZ nicht bindend ist und dass Länder die Möglichkeit haben, über die Teilnahme an einzelnen Projekten individuell zu entscheiden. Dementsprechend konnte ein Staat wie Irland einem Projekt beitreten, das anscheinend als die zukünftige Schaffung einer „europäischen Armee“ bezeichnet wurde. Professor Ben Tonra unterstreicht dabei Irlands Möglichkeit, auf diese Weise an einer großen Auswahl neuer Forschungsprojekte teilzunehmen und sich für weltweite Friedensmissionen besser auszustatten.

Mehr dazu in The Independent

Wahlen bei der Visegrád-Gruppe: eine Bedrohung für die gemeinsame Sicherheit?

Die Visegrád-Gruppe, oder auch V4, ist ein Staatenbündnis bestehend aus Tschechien, Polen, der Slowakei und Ungarn. Seit dem Fall der Berliner Mauer arbeiten diese Staaten eng zusammen. Ihr erstes Ziel war es, Mitgliedsstaaten der NATO und der EU zu werden, aber ihr gemeinsames kulturelles Erbe verbindet sie darüber hinaus. Daher haben sie sogar im Jahr 2016 ihre eigene militärische Einheit, die Visegrád Battlegroup, gegründet, eine Initiative, die im Jahr 2019 wieder aufgenommen werden soll.

Jedoch könnten die letzten Wahlen in Österreich und Tschechien die Prioritäten der V4 verändern und damit auch einen Einfluss auf ihren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung und der europäischen Integration im Allgemeinen nehmen.

Sebastian Kurz, der Vorsitzende der Österreichischen Volkspartei, am 15. Oktober 2017 die höchste Anzahl an Stimmen erhalten. Seine politischen Ansichten, besonders in Bezug auf Migration, machen Österreich zu einem guten Beitrittskandidaten für die Visegrád-Gruppe. Die Allianz hat auch die Ablehnung von Immigration als Beitrittsbedingung festgelegt. Die Koalitionsregierung mit der rechtsextremen FPÖ befürwortete diesen Zusammenschluss, tatsächlich war es Teil ihres Wahlprogramms. Diese Erweiterung würde ein stärkeres Gegengewicht zu Brüssel und Macron darstellen, zumindest laut Orban, der der Meinung ist, dass die Kommission, der Rat und das Parlament es nicht geschafft haben, das Schengener Abkommen zu schützen.

Auch die tschechischen Wahlen, die von Andrej Babiš, dem Vorsitzenden der ANO, gewonnen wurden und der behauptet, Geschäfte und keine Politik zu machen, werden das Gleichgewicht verändern. In seiner ersten Rede nach der Wahl hat Babiš zwar betont, dass sein Programm pro-europäisch und pro-NATO sein wird, aber die Angst vor einem autokratischen und Putin-freundlichen Regime bleibt bestehen. Dies bedeutet, dass selbst wenn die Regierung sich nicht offen gegen die EU positionieren wird, sie sich trotzdem nicht als Gegengewicht zu Ungarn und Polen, die nun die Visegrad-Gruppe leiten, erweisen wird. Der Effekt, den das Aufkommen eines solchen integrationsablehnenden Zusammenschlusses innerhalb der EU auf die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungsstrategie haben könnte, ist schwer vorherzusagen. Bisher wird die V4 Battlegroup für 2019 beibehalten und keine der Mitgliedsstaaten positioniert sich gegen PESCO, nichtsdestotrotz scheinen, vor allem mit Blick auf die kritischen Positionen gegenüber NATO und EU, harte Verhandlungen bevorzustehen.

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