Über 2800 Meter hoch ragt das Bergmassiv in den Himmel - der Triglav, höchster Berg Sloweniens in den julischen Alpen. Der Triglav ist für die Slowenen weit mehr als der höchste Berg des Landes. Er ist Symbol für die Unabhängigkeit in 1991 und für die Republik – er ist die Seele einer ganzen Nation. Man besteigt den Triglav nicht – auf den Triglav pilgert man. Und diese körperliche Höchstleistung ist Brauch in dem kleinen Land: Jeder Slowene sollte einmal im Leben den Berg erklimmen. Dieser Brauch bedeutet, laut einer alten Sage, die Konfrontation mit dem dreiköpfigen Gott zu wagen, der den Triglav bewacht. Dieser Mut und die Willenskraft, die der Brauch der Sage nach erfordert, stehen sinnbildlich für die Entschlossenheit der Slowenen, an die eigene Nation zu glauben - ungeachtet der politischen Bedingungen.
Wurzeln der slowenischen Identität
Slowenien, ein kleiner Staat im Herzen Europas. Jahrhunderte lang umkämpft, eroberten die Slowenen 1991 ihre Unabhängigkeit vom jugoslawischen Bundesstaat und wurden zu einer parlamentarische Demokratie. Eine Nation mit nur zwei Millionen Einwohnern, die durch wechselnde Vorherrschaft zum Spielball mächtiger Völker wurde und trotzdem eine eigene Identität entwickelte.
Die Wurzeln dieser Identität sind in der Kultur und dem Nationalstolz verankert. Nicht nur die Fremdherrschaft durch mächtige Nachbarn, wie der österreichisch-ungarischen Monarchie, sondern auch die regionale und landschaftliche Vielfalt stellten die gemeinsame Identität immer wieder auf eine harte Probe. Slowenien ist ein Durchgangsland von der Balkanhalbinsel zum Mittelmeer. Vier große europäische geografische Regionen treffen in Slowenien aufeinander: die Alpen, die Dinarischen Alpen, die Pannonische Tiefebene und das Mittelmeer. Nicht nur die landschaftliche Vielfalt, sondern auch die unterschiedlichen religiösen und ethnischen Einflüssen führen zu einem einzigartigen Mix verschiedener Lebenswelten.
Aufstieg zum Musterland
Slowenien gehört seit dem 1.Mai 2004 zur Europäischen Union und ist damit die einzige ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens, die der EU beigetreten ist. Als erster der 2004 beigetretenen Staaten, führte Slowenien 2007 den Euro als Währung ein. Slowenien entwickelte sich nach dem EU-Beitritt zum Musterschüler des Staatenbundes und war wohlhabender als andere osteuropäische Staaten. Doch heute spürt auch dieses Land die Auswirkungen der Krise.
Die slowenische Kultur ist identitätsstiftendes Mittel im Land selbst und zugleich Mittel zum internationalen Austausch. Über Jahrhunderte hinweg konnten sich die Slowenen lediglich an die gemeinsame Kultur und Sprache klammern, denn einen Stabilisator in Form eines eigenen Staates fehlte und damit auch die Institutionen des eigenen politischen Lebens.
Prägenden Geistern wie Primož Trubar (1508-1586) und France Prešeren (1800-1849) haben sie zu verdanken, dass Slowenien dem fehlenden staatlichen System trotzte und sich als autonome Nation begriff. In der Zeit der habsburgischen Herrschaft waren die einzelnen Regionen untereinander kaum verbunden und das Land war ein Flickenteppich. Die Sprache wurde zum einzig stabilen Fundament des Zusammenhalts. Der Reformator Trubar schuf die slowenische Sprache, Prešeren machte sie bekannt. Prešeren gilt bis heute als poetisches Genie, das durch seine Literatursprache und liberale Weltsicht die moderne slowenische Identität entwickelte und Slowenien an der europäischen Hochkultur teilhaben ließ. Prešeren festigte die schriftliche Kultur in Slowenien mit seinen romantischen Gedichten, verschaffte ihr Anerkennung und Ebenbürtigkeit zu anderen europäischen Sprachen. Prešerens Arbeit wirkt bis heute: ein Teil seines Gedichts Zdravlijca ist heutige Staatshymne der Republik Slowenien. Der höchste Kulturpreis des Landes ist nach dem Autor benannt. Nicht umsonst gelten die Einwohner der kleinen Republik als Volk der Schriftsteller und Leser. In den neunziger Jahren hielten sie den europäischen Rekord in der Zahl der publizierten neuen Bücher pro Einwohner.
Das Erbe einer Kulturnation
Die slowenische Kultur zu erleben heißt, den Kampfgeist einer kleinen Nation zu entdecken, die ihre Identität Jahrhunderte lang gegen jegliche Widrigkeiten verteidigte. Das zeigt sich im starken politischen Engagement für das kulturelle Leben. Es gibt nur wenige Veranstaltungen oder Organisationen in der slowenischen Kultur, die ohne staatliche Beteiligung auskommen müssen. Dieses staatliche Engagement schafft kulturellen Mehrwert und könnte Vorbild für andere Nationen der europäischen Union sein. So wie Slowenien sich stets auf sein kulturelles Erbe berufen hat und dadurch alle Anfeindungen in seiner Geschichte überstehen konnte, kann auch ganz Europa in turbulenten Zeiten sein kulturelles Erbe stärken. Allen politischen und wirtschaftlichen Konflikten zum Trotz können gemeinsame Wurzeln und das Gefühl einer europäischen Identität Bürger der Union zusammenschweißen, wie es das kleine Mitgliedsland Slowenien eindrucksvoll beweist.
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