Emmanuel Macrons europäische Universität

Gastbeitrag: Dieser Weg wird kein leichter sein

, von  Andreas Kaplan, Grischa Alexander Beißner

Gastbeitrag: Dieser Weg wird kein leichter sein
. Quelle: Andreas Kaplan

Die europäischen Universitäten sollen kommen, das hat die EU auf Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron beschlossen. Aber wie diese Mammutaufgabe bewältigt werden soll, das könnte sich weit schwieriger gestalten, als die Vordenker sich dies erhoffen. Prof. Dr. Andreas Kaplan, Rektor des Berliner Campus der ESCP Europe, hat sich dazu Gedanken gemacht. Und er spricht aus Erfahrung, denn die private Managementhochschule ESCP Europe lebt bereits seit Jahrzehnten das Konzept der europäischen Hochschule. treffpunkteuropa.de traf Andreas Kaplan bereits im Rahmen des Start@Europe Seminars in Brüssel. Zum Interview mit ihm geht es hier.

Die Europäische Union will die Gründung sogenannter europäischer Universitäten vorantreiben. In einem am 24. Oktober 2018 veröffentlichten Call for Applications werden Hochschulen aufgefordert, entsprechende Projektideen zu entwickeln. Dieser Aufruf folgt Emmanuel Macrons vielbeachteter Sorbonne-Rede zur Zukunft Europas, in der er die Idee der europäischen Universität im September letzten Jahres wieder aufleben ließ. Bis 2024 werden voraussichtlich zwanzig solcher Universitäten entstehen.

Die europäischen Universitäten sollen aus mindestens drei Hochschuleinrichtungen in drei EU-Mitgliedstaaten zusammengesetzt sein und gemeinsame Programme, sowie ehrgeizige Forschungs- und Innovationsprojekte entwickeln. Ein integrierter und koordinierter Lehrplan in mehreren Ländern, der in verschiedenen Sprachen unterrichtet wird, solle Studierende ermutigen und ihnen ermöglichen, zwischen teilnehmenden Universitäten zu wechseln, anstatt nur an einer Hochschule zu studieren. Mehrere Institutionen und Initiativen könnten als Vorläufer der europäischen Universität angesehen werden: die 4EU Alliance, die EuroTech Alliance und nicht zuletzt die ESCP Europe mit ihrem seit 1973 bestehenden Multicampus-Modell.

Es müssen allerdings mindestens vier Hürden genommen werden, damit die europäische Universität ihren beabsichtigten Zweck erfüllen kann, eine neue Generation von Europäern hervorzubringen, die in der Lage sind, in Europa und weltweit kulturübergreifend in verschiedenen Sprachen über Grenzen, Branchen und akademischen Disziplinen hinweg zusammenzuarbeiten.

Identität

Voraussetzung für eine europäische Universität ist eine europäische Identität des EU-Hochschulwesens. Derzeit sind die Diplome nur national. Europäischen Hochschulabsolvent*innen ist es möglich, ein französisches, österreichisches oder italienisches Diplom (oder mehrere davon bei Doppel- oder Dreifachabschlüssen) zu erwerben, sie werden jedoch bei der momentanen Lage kein europäisches Diplom erhalten. Symbolisch ist das starker Tobak - vor allem für Studierende, die nicht aus Europa kommen: Chines*innen oder Inder*innen beispielsweise, die stolz an einer europäischen Universität studieren, kehren mit einem nationalen Diplom, beispielsweise aus den Niederlanden, zurück.

Ein europäisches Diplom nicht ausstellen zu können, behindert die Entwicklung einer europäischen Identität und eines europäischen Bürgersinns. Allerdings kann es sich als sehr komplex entpuppen, einen solchen europäischen Abschluss zu entwickeln. Etliche Fragen müssten beantwortet werden: Wer wird ein solches Diplom ausstellen? Wer entscheidet über seine genauen Anforderungen? Wer akkreditiert Hochschulen und Programme, die die Voraussetzungen für eine europäische Hochschule vermeintlich erfüllen?

Vielfalt

Um kulturübergreifend über Grenzen hinweg zusammenarbeiten zu können, muss man bei einem Studium an einer europäischen Universität kultureller Vielfalt ausgesetzt sein. Dies ist oft einfacher gesagt als getan, da die Unterrichtssprache ernsthafte Kopfschmerzen bereitet. Englisch könnte einen kulturellen Mix im Hörsaal ermöglichen, wenn das Englischniveau aller Studierenden und Professor*innen ausreicht. Um dies zu erreichen, wäre in einigen EU-Ländern ein intensiverer Sprachunterricht im Sekundarbereich erforderlich. Der Vorgang wird noch komplexer, wenn man die Dreisprachigkeit erreichen will. In Kenntnis dieser Sache fordert die Kommission, dass jede*r Europäer*in die Sekundarstufe mit „guten Kenntnissen“ von mindestens zwei Fremdsprachen beenden sollte.

Neben diesem kulturellen Element muss an einer europäischen Universität eine zweite Form von Vielfalt in Betracht gezogen werden: die soziale Vielfalt. Ein Umzug von einem Land in ein anderes und das Leben in verschiedenen Städten, im Rahmen des Studiums, ist mit einigen Kosten verbunden und es besteht die Gefahr, dass sich nur wohlhabendere Studierende dies leisten können. Dies würde natürlich den europäischen Werten widersprechen und deshalb sind Lösungen zu finden. Hier müssen Fragen zu Stipendien, Studentenjobs und sonstigen Finanzierungshilfen angegangen werden.

Inhalte

Europa lebt von der sprachlichen, kulturellen und sozialen Vielfalt seiner Mitgliedsstaaten. Das Studium an einer europäischen Hochschule sollte eine Essenz dessen vermitteln, was Europa im Kern vereint. Dazu gehört ein grundsätzliches Wissen über europäische Institutionen und ihre Funktionsweisen. Auch die Unterschiede bezüglich des jeweiligen Fachgebietes über europäische Länder hinweg sowie im Vergleich zu anderen Regionen der Welt sollten Teil eines solchen Studiums sein. Natürlich ist diese Wissensvermittlung etwa in der Philosophie oder in der Betriebswirtschaftslehre einfacher als in der Mathematik. In vielen Bereichen sind die kulturellen Unterschiede weniger klar.

An der ESCP Europe Wirtschaftshochschule zum Beispiel, mit ihren sechs Standorten in europäischen Metropolen, absolvieren alle Studierenden ihr Studium in mindestens zwei, oft aber in drei oder vier unterschiedlichen Ländern. Die Business School vermittelt einen europäischen Managementansatz, beschrieben als „interkulturelles, gesellschaftsorientiertes Management, basierend auf einem fächerübergreifenden Ansatz“.

Attraktivität

Wenn die europäische Hochschule überzeugte Europäer*innen ebenso ausbilden soll wie internationale Studierende, muss sie vor allem eines sein: attraktiv. Bekannte Namen wie die Universität Wien, die Karls-Universität Prag oder die Humboldt-Universität zu Berlin sollten zweifelsfrei teilnehmen. Allerdings könnte das Bürokratiemonster EU dies kompliziert machen. Kurt Deketelaere, Generalsekretär der Liga der Europäischen Forschungsuniversitäten, befürchtet dass auch eine Reihe mittelmäßiger Institutionen ausgewählt werden, nur weil sie die richtige geografische Lage haben und die richtigen politischen Kästchen ankreuzen.

Des Weiteren ist vorgesehen, dass nur die Erasmus+ -Länder zugelassen werden. So könnten Länder wie Großbritannien nach der Brexit-Zeit und die Schweiz nicht dazu gehören – schade, wenn man an Oxbridge oder die ETH Zürich denkt. Außerdem können die Sprachen einiger Länder attraktiver und leichter zugänglich sein als andere. Natürlich sollte kein Land innerhalb der EU daran gehindert werden teilzunehmen. Bei der Auswahl der Kandidaten sollte der Pragmatismus jedoch über die reine EU-Technokratie herrschen. Kleinere Länder könnten sich beispielsweise am Universitäten-Verbund aus zwei größeren beteiligen, insbesondere in Bereichen, in denen sie über eine besondere Expertise verfügen: Estland, Europas Digitalisierungsexperte, könnte beispielsweise eine europäische Universität im Bereich der digitalen Transformation anführen.

Abschließend ist zu sagen, dass das Ziel der europäischen Universität klar sein muss. Einige Stimmen sprechen über die Notwendigkeit Exzellenzverbünde zu entwickeln, um in internationalen Hochschulrankings, wie beispielsweise dem Shanghai-Ranking, die obersten Plätze einzunehmen. Andere sehen das Potenzial darin, weniger entwickelte Regionen in Europa zu fördern. Natürlich kann man immer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, aber erfolgreiche Initiativen haben in der Regel einen Schwerpunkt. Es wird klar: Der Weg zu den europäischen Universitäten, die die oben erklärten Hürden erfolgreich meistern, wird sicherlich kein leichter sein…

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