Eine Institution für mehr Bürgernähe

Serie: Europäische Institutionen erklärt - Wie sie arbeiten, was sie bewegen können

, von  Marcel Wollscheid

Eine Institution für mehr Bürgernähe
Emily O’Reilly wurde vom Europäischen Parlament zur neuen Europäischen Bürgerbeauftragten gewählt. Die Irin untersucht künftig auf Beschwerde von Bürgern Missstände in EU-Institutionen. Foto: © European Union 2013

Die Irin Emily O’Reilly wurde Anfang Juli zur neuen EU-Bürgerbeauftragten gewählt. Zum ersten Mal übernimmt damit eine Frau das Amt. Welche Aufgaben hat der Bürgerbeauftragte? Und wer steckt hinter der Person Emily O’Reilly?

„Tough as nails, but could be trusted“. Mit diesen Worten zitiert The Sunday Business Post einen politischen Berater, angesprochen auf die designierte EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly – knallhart, aber vertrauenswürdig. Es sind Eigenschaften, die der 55-jährigen Irin in ihrer neuen Position zu Gute kommen dürften.

Emily O’Reilly im Profil

Emily O’Reilly ist fünffache Mutter und arbeitete 20 Jahre lang als Journalistin für diverse irische Tageszeitungen. Sie machte sich durch hartnäckige Recherchen einen Namen. 1998 veröffentlichte O’Reilly eine Biografie über die irische Reporterin Veronica Guerin, die aufgrund ihrer Recherchen im Drogenmilieu in Dublin ermordet wurde. Obwohl sie als politische Analystin die Arbeit der irischen Administration meist kritisch beurteilte, wurde O’Reilly von der Regierung im Jahr 2003 auf den Posten der irischen Bürgerbeauftragten berufen. Womöglich versprach sich die irische Regierung durch die Einbindung einer bekannten Journalistin eine mildere Reaktion auf ein Informationsgesetz, das zu dieser Zeit verabschiedet wurde.

Enger Kontakt wird O’Reilly zum ehemaligen irischen Wirtschaftsminister und EU-Binnenmarktkommissar Charly McCreevy nachgesagt. Als irische Bürgerbeauftragte brachte sie eine Reihe von kontroversen Themen an die Spitze der Agenda – auch gegen Widerstand der irischen Administration. So geschehen im Fall eines Entschädigungsprogramms für die Familien von verschollenen Fischern.

Die Aufgaben des Bürgerbeauftragten

Als EU-Ombudsmann ist Emily O’Reilly ab dem 1. Oktober 2013 für die Untersuchung von Beschwerden über Missstände in den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union zuständig. Jeder EU-Bürger, aber auch Unternehmen, Vereinigungen oder sonstige Einrichtungen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, können eine Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einreichen. Das Amt wurde im Vertrag von Maastricht 1992 geschaffen und 1995 mit dem Finnen Jacob Söderman erstmals besetzt. Der Bürgerbeauftragte wird für eine Amtszeit von fünf Jahren vom Parlament gewählt.

Aus dem Jahresbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten 2012 geht hervor, dass im vergangenen Jahr 2442 Beschwerden beim Bürgerbeauftragten eingingen. In 465 Fällen wurden daraufhin Untersuchungen eingeleitet – eine Rekordzahl in der Geschichte des Amtes.

Die Mehrzahl von Beschwerden richtete sich gegen die Europäische Kommission. Die Palette an Beschwerdegründen reicht von Diskriminierung über mangelhafte Informationen bis hin zu falschen Verfahren. In einem konkreten Fall reichte ein 40-jähriger Student der Handelsschule Kopenhagen Beschwerde beim EU-Bürgerbeauftragten ein, da ihm die Europäische Kommission einen Praktikumsplatz verwehrte - der Kandidat übertraf die Altersgrenze von 30 Jahren. Der Ombudsmann schritt mit einer Empfehlung ein, woraufhin die Europäische Kommission im Jahr 2005 die Altersgrenze für Praktikanten abschaffte.

Ein weiterer Fall zeigt exemplarisch, wie der EU-Bürgerbeauftragte für mehr Transparenz in europapolitischen Angelegenheiten sorgen kann. Ein spanischer Anwalt bat 2011 um Zugang zu einem Brief, den die Europäische Zentralbank (EZB) an die spanische Regierung übermittelt hatte. Der Anwalt vermutete in dem Brief Vorschläge zur Änderung der spanischen Verfassung. Als die EZB die Veröffentlichung verweigerte, beschwerte sich der Anwalt beim damaligen Bürgerbeauftragten Nikiforos Diamandouros. Der Ombudsmann kam nach seiner Prüfung zu der Einschätzung, dass die EZB das Schreiben nicht offenlegen müsse. Allerdings bestätigte er dem Beschwerdeführer, dass die EZB keinerlei Vorschläge zur Änderung der spanischen Verfassung eingebracht hatte.

Zwischen Mediator und Ermittler

Das Beispiel macht deutlich: Der EU-Bürgerbeauftragte fungiert in seiner Position weniger als interner Ermittler denn als Mediator zwischen den europäischen Institutionen und den Bürgern. Schließlich sind seine Vorschläge nicht juristisch bindend und können nur in Kooperation mit den EU-Institutionen umgesetzt werden. Für das Amt des EU-Bürgerbeauftragten braucht es also Durchsetzungsfähigkeit und Kommunikationsgeschick. Eben knallhart, aber vertrauenswürdig. Vielleicht erweist sich Emily O’Reilly damit als genau richtig für ihren neuen Job.

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