#1 Kick-Off: Bundesregierung veröffentlicht ihr offizielles Programm
Unter dem Titel “Gemeinsam. Europa wieder stark machen.” hat die deutsche Bundesregierung ihr Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorgelegt. Dabei nennt sie vier Schwerpunkte: 1) die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie und den anschließenden Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft, 2) der Mehrjährige Finanzrahmen, der den Haushalt der EU festlegt und während der deutschen Ratspräsidentschaft verhandelt werden soll, 3) die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien und 4) zahlreiche weitere Themen, darunter Klimaschutz, Digitalisierung und Europas Rolle in der Welt. Das Programm haben sich auch die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland e.V. genauer angeschaut: Sie finden es unterstützenswert, sehen aber auch Raum für “größere Ambitionen und ein Mehr an Visionen”.
#2 Deutschlands Rolle in Europa: Moderator in der Krise?
Deutschland sei “zu klein für die Welt und zu groß für Europa”, sagte Henry Kissinger einmal. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat bereits im Voraus die Frage nach der Rolle Deutschlands in Europa auf die Agenda gesetzt. “Wir werden bald alle Deutsch sprechen”, vermutet politico-Journalist Joshua Posaner. Die Welt brauche ein Deutschland, das nicht länger Moralapostel spielt, sondern eine Führungsrolle einnimmt, fordert außerdem sein Kollege Michael Bröning. Ob man ihm zustimmt oder nicht: Klar ist, dass die deutsche Ratspräsidentschaft unter besonderen Vorzeichen steht. Vor allem mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen stehen während der sechs Monate Verhandlungen an, die einen großen Einfluss auf das Europa der kommenden Jahre haben werden. Die Diskussionen um finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie haben schon im Juni zu heißen Diskussionen geführt: Umso schwieriger wird es die moderierende Rolle zu übernehmen, die der Regierung, die die Ratspräsidentschaft übernimmt, zugeschrieben wird.
#3 Mehrjähriger Finanzrahmen: Schnelle Einigung gegen Rechtsstaatlichkeit?
Am 17. und 18. Juli trafen sich die Staats- und Regierungschef*innen erstmals während der deutschen Präsidentschaft im Rat der EU, um über den Mehrjährigen Finanzrahmen der kommenden Jahre sowie den Corona-Wiederaufbaufond nach zu sprechen. Um zu einem Ergebnis zu kommen, brauchten sie letztendlich einen weiteren Tag: Der Anteil der Gelder, die als Kredite und nicht als reine Zuschüsse vergeben wird, wurde nun erhöht; das Knüpfen der EU-Mittel an rechtsstaatliche Prinzipien zwar genannt, aber nicht weiter definiert, um immerhin eine Einigung nötig zu machen. Nun muss das Europäische Parlament entscheiden, wie es weitergehen soll: Bisher haben sich zahlreiche Abgeordnete kritisch geäußert. Sie fordern, dass größere Anteile der Gelder in Investitionsbereiche wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit fließen. Das Treffen war das erste Mal seit Beginn der Pandemie, dass die Staats- und Regierungschef*innen sich vor Ort trafen.
#4 Klima und Tierwohl: Angestoßene Debatten
Die erste Veranstaltung des Umweltministeriums während der Ratspräsidentschaft hatte sich zum Ziel gesetzt, den Klimaschutz zu digitalisieren - oder zumindest neue Ansätze, damit dies gelingt, zu entdecken: Bei einem Hackathon erarbeitet Teams aus verschiedenen EU-Ländern digitale Lösungen für unterschiedliche Probleme. In der Vergangenheit war so u.a. eine App, die Kund*innen die Kunststoffbilanz von Lebensmitteln im Supermarkt anzeigt, entstanden. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stieß währenddessen eine Diskussion um ein EU-weites Siegel für Tierwohl und eine EU-weite Kennzeichnung von Nährwerten in Lebensmitteln an, äußerte währenddessen aber keine Positionen zu einzelnen Gentechnik-Maßnahmen. Bedenkt man, dass knapp über 38 Prozent des Budgets aus dem aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmen an die Agrarpolitik gehen, wird klar, wie wichtig die europäische Ebene für Klöckners Ministerium ist.
#5 Gesundheit und Wirtschaft: Vorsorge bis Wiederaufbau - und alles grün und digital
Bei einem Treffen der Gesundheitsminister*innen forderten letztere die Europäische Kommission auf, aus der aktuellen Corona-Krise zu lernen und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten auszuüben und aufzurüsten. Auch forderten sie, die Herstellung von medizinischer Ausrüstung innerhalb der EU zu fördern sowie Möglichkeiten, die die Digitalisierung dem Gesundheitswesen bietet, EU-weit zu testen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier betonte währenddessen vor dem Industrie-Ausschuss des Europäischen Parlaments, dass der Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie der grünen und digitalen Transformation zu Gute kommen müsse, lenkte aber auch ein, dass er eine EU ganz ohne fossiles Erdgas und sogenannten “blauen” Wasserstoff, der nicht klimaneutral ist, in den nächsten Jahren noch nicht erwarte. Merkel hatte zuvor angekündigt, während der sechs Monate eine Erhöhung des Ziels zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 erreichen zu wollen. Um die Zeit nach Corona ging es auch beim Treffen der Arbeits- und Sozialminister*innen: Neben sozialer Absicherung insgesamt und Arbeitsplatzsicherheit hat die Pandemie hier auch die Rechte von Saisonarbeiter*innen auf die Agenda gesetzt.
#6 Europäische Grenzen und darüber hinaus
Mehr Souveranität, mehr Selbstbewusst, so formulierte Außenminister Heiko Maas zum Anfang der Ratspräsidentschaft seine Erwartungen. Die europäischen Außenminister*innen trafen am 13. Juli erstmals aufeinander. Auf der Agenda: die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, in denen sich Josep Borrells Beraterin Nathalie Tocci ein härteres Durchgreifen der EU wünscht, und die Beziehungen zur China, in denen sich Heiko Maas ein geschlossenes Auftreten der EU und Peter Altmaier mehr Realismus. Zwischen dem SPD-Außenminister und dem CDU-Wirtschaftsminister tut sich dabei eine Spaltung auf, die die [Kritik der SPD an der Chinapolitik der CDU] herbeigeführt hat. Währenddessen kamen auch die europäischen Innenminister*innen zusammen: Vorab wurden Forderungen laut, den Schutz von Geflüchteten während der Ratspräsidentschaft zu stärken. Bisher haben die Minister*innen sich jedoch nur für langfristige Lösungen an der Stelle von kurzfristigen und engere Kooperation mit nordafrikanischen Staaten ausgesprochen. Die Europäische Kommission könnte jetzt auch einen Gesetzesvorschlag zu einem gemeinsamen Asylsystem vorlegen, hat dies aber bisher nicht getan.
#7 Geschlechtergerechtigkeit
Gemeinsam mit ihrer slowenischen und ihrer portugiesischen Kollegin hat Familienministerin Franziska Giffey eine Erklärung zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit in Europa veröffentlicht. Zu den damit verbundenen Maßnahmen soll eine europäische Hotline für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, zählen. Vier Abgeordnete im Europäischen Parlament, Evelyn Regner, Alice Kuhnke, Maria Noichl und Sandra Perreira haben währenddessen in einem Brief an José Manuel Campa und später auch an die Öffentlichkeit ihre Frustration ausgedrückt, nachdem nach Neubesetzungen in Brüsseler Finanzinstitutionen wie der EU-Bankenaufsicht EBA Geschlechterparität bei diesen keine Rolle gespielt zu haben scheint. Die Bemühungen treffen nicht überall auf Zustimmung: Polen trat im Juli aus der Istanbul-Konvention, die u.a. Frauen vor häuslicher schützen soll, aus.
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